Künstliche Intelligenz: Der Roboter und die Kanzlerin
Merkel, Maschinen und die Moral: Warum Deutschland führend werden soll in Künstlicher Intelligenz.
Wenn Angela Merkel (CDU) eines Tages alt und pflegebedürftig sein sollte, würde sie sich womöglich von einem Roboter helfen lassen. Beim Orangen auspressen beispielsweise, falls die Kraft in der Hand nicht mehr reiche. Oder, in dem er ihr etwas zu trinken gibt. Aber nur noch von Robotern umgeben zu sein? „Das würde mich nicht zufrieden machen“, sagt die Bundeskanzlerin. Neben ihr steht Sophia, die nun ein wenig bedröppelt wirkt – das ist natürlich reine Interpretation, denn Sophia ist ein humanoider Roboter, der gefüttert wird mit Künstlicher Intelligenz und deshalb zwar sprechen, aber selbst keine Gefühle entwickeln kann. Zumindest noch nicht.
„Wir beide müssen noch eine Menge lernen“
Erstmals hat Merkel am Mittwochabend mit einem solchen Roboter live auf der Bühne gesprochen, Anlass war die Konferenz „Morals & Machines“ der „Wirtschaftswoche“ in Berlin. Das Gespräch lief zwar etwas holprig, aber dennoch konnten sich Merkel und Sophia austauschen über das deutsche WM-Aus, die künftige Arbeitswelt und Feminismus. „Wir beide müssen noch eine Menge lernen“, sagte Merkel, aber fest stehe für sie: Roboter wie Sophia, die von der in Hongkong ansässigen Firma Hanson Robotics entwickelt wurde, möchte sie auch von deutschen Firmen haben. „Wir waren in Deutschland über viele Jahrhunderte gewohnt, technische Innovationen mit oder als erste herzustellen. Das ist heute nicht mehr so und das sollte uns umtreiben“, betont Merkel.
Künstliche Intelligenz (KI) bedeutet allerdings nicht, dass es nun plötzlich überall von Robotern nur so wimmelt soll. Vielmehr ist KI ein Teilgebiet der Informatik. Durch Maschinenlernen können Daten in Sekundenschnelle gescannt und ausgewertet werden, was beispielsweise Voraussetzung ist für autonomes Fahren.
Merkels Vertraute Christiansen leitet das Grundsatzreferat
Wie sehr Merkel bereits selbst von diesem Thema getrieben ist, zeigt nicht nur ihr Gespräch mit Sophia mitten in politisch turbulenten Zeiten. Sondern auch die neue Struktur im Kanzleramt. Wenige Stunden vor Merkels Gespräch mit Sophia hatte dort erstmals das so genanntes Digitalkabinett getagt, dem neben Merkel, Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) auch alle 14 Ministerien angehören – als Zeichen dafür, dass sie sie alle als Digitalministerien verstehen sollen. Deshalb hatte sich die große Koalition bei der Regierungsbildung auch gegen ein eigenes Digitalministerium entschieden. Auch das neue Grundsatzreferat unter der Leitung von Merkels Vertrauter Eva Christiansen zeigt, wie hoch das Thema auf der Agenda der Kanzlerin angesiedelt ist.
Derzeit arbeitet die Regierung an ihrem Strategiepapier zu Künstlicher Intelligenz, die Digitalstrategie soll dann im vierten Quartal verabschiedet werden. Deutschland will in der Europäischen Union (EU) zusammen mit Frankreich eine Führungsrolle übernehmen, ein gemeinsames Zentrum für Künstliche Intelligenz ist geplant. Doch wo dies angesiedelt werden und welche Aufgaben es haben soll, steht noch immer nicht fest.
Derweil soll sich eine Datenethikkommission damit beschäftigen, welche Grenzen Künstlicher Intelligenz gesetzt werden müssen. Der Bundestag setzte am Donnerstag eine Enquete-Kommission zum Umgang mit KI ein, die sich zwei Jahre lang mit Algorithmen befassen soll, der Würde des Menschen im Web, sowie mit Risiken und Chancen, die diese Technologie mit sich bringt.
Aufholjagd gegen China und die USA
Merkel, promovierte Physikerin, hielt am Mittwochabend ein Plädoyer dafür, dass der Mensch die Kontrolle über die Maschinen bewahren müsse. „Wie bei der Kernspaltung darf man nicht das Machbare einfach passieren lassen“, betonte sie. Allerdings sei sie sich auch bewusst, dass Deutschland Tempo machen muss, um die Aufholjagd gegen China und die USA nicht zu verlieren. „Wir müssen kämpfen“, sagte die Kanzlerin.
Welchen Minister sie an ihrem Kabinettstisch durch einen Roboter wie Sophia ersetzen wolle, fragte „Wirtschaftswoche“-Herausgeberin Miriam Meckel Merkel am Ende. „Alle sind mir als Menschen lieb, wir müssten deshalb einen zusätzlichen Stuhl an den Kabinettstisch stellen“, sagte Merkel diplomatisch – doch das, was als Witz gemeint war, ist in naher Zukunft wohl durchaus realistisch. Gerade, weil Künstliche Intelligenz bestimmte Aufgaben sehr viel schneller als ein Mensch bewältigen kann, dürfte auch im Kanzleramt die Technologie bald sehr viel intensiver genutzt werden. Sophia neben Seehofer? Der Roboter lächelt.