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Mensch oder Maschine? Ein humanoider Roboter, der vom Hongkonger Unternehmen Hanson Robotics entwickelt wurde.
© Fabrice Coffrini/AFP

Künstliche Intelligenz: Wie Deutschland intelligenter werden soll

China und die USA sind führend im Bereich Künstliche Intelligenz. Das will die Bundesregierung nun ändern und legt einen Masterplan vor.

Der Name klingt so hübsch wie harmlos: Sensetime – zusammengesetzt aus den englischen Begriffen für „Sinn“ (Sense) und „Zeit“ (Time) – bietet aber weder Yogastunden noch Selbstfindungskurse an. Das Unternehmen aus China liefert Software, die auf Gesichtserkennung spezialisiert ist.

Genutzt wird sie von chinesischen Behörden, die damit Verdächtige auf Flughäfen oder Festivals identifizieren und verfolgen – ein Bereich, in dem offenbar viele Investoren großes Potenzial sehen: Denn mit einer Gesamtbewertung von 4,5 Milliarden Dollar ist Sensetime das derzeit wertvollste Start-up für Künstliche Intelligenz (KI) weltweit; gerade erst hat es seine Stellung weiter ausgebaut mit einer Finanzierungsrunde über 620 Millionen Dollar.

Solche Erfolgsmeldungen passen perfekt zu Chinas Strategie, bis 2030 zum Weltmarktführer im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) aufzusteigen. Die Volksrepublik liefert sich ein Wettrennen mit den USA, das mit Unternehmen wie Google, Facebook, Apple und Amazon ebenfalls weit vorne liegt. Und Deutschland? Ist von dieser Champions-League derzeit so weit entfernt wie der 1. FC Köln.

Das soll sich jetzt ändern – und zwar schleunigst: Noch vor der Sommerpause sollen Eckwerte für eine Strategie festgelegt werden, um KI hierzulande weiterzuentwickeln und umzusetzen. Bis Herbst will die Bundesregierung dann eine Gesamtstrategie vorlegen, sagte Bundeskanzleramtschef Helge Braun (CDU) am Freitag – und zwar mit dem Ziel, dass Deutschland künftig „ weltweit eine Führungsrolle im Bereich KI einnehmen“ soll.

Das sah bisher anders aus, denn während Chinesen und Amerikaner aggressiv vorangehen, schien die neue Koalition eher in Stoppschildern als in Startbahnen zu denken: Erst wurde eine Daten-Ethikkommission angekündigt, dann noch eine Enquetekommission. Doch wo es keine KI gibt, ist auch nichts zu begrenzen. „Deswegen geht es jetzt darum, Künstliche Intelligenz überhaupt erst zu ermöglichen“, betonte Braun.

Um die notwendigen Handlungsfelder auszumachen, hatte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag mit 41 Experten ausgetauscht, auch über drei der entscheidenden Baustellen: Mittelstand, Fachkräfte und die Finanzierung.

Der Mittelstand soll mehr KI nutzen

Denn während in den USA die Netz-Giganten genug Geld für eigene Forschung und Entwicklung haben, hadern die meisten mittelständischen Unternehmen noch, eine solche Software zu implementieren. Die gibt es noch nicht von der Stange und ist daher entsprechend teuer. Deshalb müsse nun nach Möglichkeiten gesucht werden, wie der Mittelstand dazu bewegt werden könne, KI einzusetzen und dazu auch zu forschen. Einen Vorteil sieht Braun darin, dass Deutschland bereits „super“ im Bereich Internet der Dinge sei, hier müsse auf eine Verknüpfung mit KI gesetzt werden: „Vom autonomen Auto bis zum klugen Mixer, müssen wir vorne mit dabei sein“.

Dafür braucht es aber eben auch Fachkräfte. Merkel beklagte kürzlich einen großen „Brain drain“ in Deutschland bei Forschern im Bereich der KI. Um sie zu halten, reiche es nicht aus, „nur zu sagen: ,Ach, bei uns ist es eigentlich schöner und wir sind netter‘“. Um wettbewerbsfähig zu sein, „müssen wir vielleicht an mancher Stelle unsere Flexibilitäten erhöhen“.

China unterhält KI-Labore beispielsweise auch in den USA, um auch solche Experten zu gewinnen, die nicht nach China umsiedeln wollen. Die Regierung will deshalb, dass KI präsenter ist – bereits im Grundstudium der Informatik – und will Forschern ein attraktiveres Umfeld schaffen, auch dadurch, dass es ausreichend spannende Jobs und Entwicklungsmöglichkeiten gibt. Denn suchen die herausragenden Köpfe „ihr Heil im Silicon Valley, ist das nicht das Ergebnis, das wir uns wünschen“, sagte Braun.

Deutschland setzt auf die europäische Zusammenarbeit

Damit aus kleinen KI-Start-ups aber große Firmen mit vielen Arbeitsplätzen werden, braucht es Kapital. Staatliche Förderfonds gibt es aus Sicht der Regierung und vieler Experten genug, was fehle, seien private Investitionen für Unternehmen in der Wachstumsphase. Doch Wagniskapital bedeutet eben Risiko – und das gehen Deutsche grundsätzlich eher weniger gerne ein. Deshalb will die Regierung entsprechende Investitionen attraktiver machen und sie stärker ins Bewusstsein rücken.

Der Masterplan selbst sieht kein spezielles Sonderbudget für KI vor. Wie viel für KI-Förderung derzeit ausgegeben werde, sei schwer zu erfassen, zwischen 100 und 300 Millionen Euro jährlich – ein geringer Betrag im Vergleich zu Chinas Vorhaben, in den nächsten Jahren 300 Milliarden Dollar für die Forschung und Entwicklung von KI auszugeben.

Deutschland setzt deshalb auf die europäische Zusammenarbeit, insbesondere mit Frankreich. Gemeinsam wollen die beiden Länder ein Forschungszentrum zu KI aufbauen – Spannungen dürften aber unvermeidbar sein, wenn Deutschland einerseits auf Partnerschaft setzen will, andererseits aber einer der Weltmarktführer werden möchte.

Weil Künstliche Intelligenz nur mit großen Datenmengen funktioniert, sind auch Probleme im Hinblick auf Datenschutz unvermeidbar. Die ethischen Fragen würden deshalb im Rahmen der KI-Strategie diskutiert, betonte Braun. Doch Unternehmen wie Sensetime dürften wohl auch künftig in Deutschland kaum Fuß fassen können.

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