Gastbeitrag von Foodwatch: „Der DFB macht sich zum Diabetes-Förderer-Bund“
Die Euphorie vor der EM ist groß - auch bei Marketing-Profis. Und der Deutsche Fußballbund akzeptiert jeden Werbepartner - auch wenn er für ungesunde Produkte bei Kindern wirbt.
Pegida hat wieder einmal völlig daneben gegriffen. Nicht bloß mit rechter Hetze. Nein, beim Wirbel um die Kinderschokolade ging der Schaden über das Kerngeschäft der „Spaziergänger“ hinaus: Die Pegida-Truppe vom Bodensee hat Ferrero eine unbezahlbare Plattform geboten – und eine Solidaritätswelle für einen Konzern ausgelöst, der mit Fußballstars Kindermarketing für Zuckerbomben macht.
Wenn man Jungs im Alter von 5 bis 9 Jahren nach ihrem Traumberuf fragt, gibt es eine klare Antwort: Fußballprofi. Müller, Götze, Schweini & Co. sind für Kinder Idole, sie werden geradezu vergöttert. Kein Wunder, dass uns die Spieler dieser Tage im öffentlichen Raum überall begegnen: Im TV, auf Werbeplakaten, im Netz, im Supermarktregal.
Jedes erdenkliche Produkt ist plötzlich schwarz-rot-gold und hat mit Fußball zu tun. Jeder Marketing-Profi möchte ein Stück vom EM-Euphorie-Kuchen abhaben. So auch Coca-Cola, Ferrero und McDonalds – allesamt Werbepartner des Deutschen Fußball-Bunds (DFB): McDonalds verlost eine Fußball-Eskorte, Ferrero verkauft EM-Aktionspackungen von Hanuta oder Duplo und Coca-Cola wirbt ausgerechnet für die zuckrige „classic“-Coke mit der Nationalelf.
Kindermarketing für zuckrige Cola
„Hol dir das Team auf 24 Sammeldosen“ steht in großen Lettern auf den Coca-Cola-Plakaten, die zum Start der EM deutschlandweit aufgehängt werden. Der Weltmarktführer für zuckrige Getränke trommelt damit für die aktuelle Sammelaktion: Anlässlich der EM prangen die Gesichter der Fußball-Nationalspieler auf den Cola-Dosen. Als „Premium-Partner“ des DFB darf man sowas.
Offiziell macht Coca-Cola keine Werbung, die sich an Kinder unter 12 Jahre richtet. Bei EM-Kampagnen nimmt es der Konzern aber offensichtlich nicht so genau – Kindermarketing als Kollateralschaden. Coca-Cola steht unter massivem Druck, der Absatz zuckergesüßter Limonaden ist in den USA erstmals rückläufig. Das Kerngeschäft von Coca-Cola steht weltweit in der Kritik: Zuckrige Limo fördert nachweislich die Entstehung von Übergewicht, Fettleibigkeit und Diabetes Typ II.
Auf eine EM als Werbeplattform zu verzichten, wäre unter diesen Umständen geradezu kühn. Zu groß sind die Effekte auf den Absatz, zu groß das Potenzial, junge Käufer anzusprechen. Coca-Cola ist als aktiennotiertes Unternehmen in erster Linie seinen Anteilseignern verpflichtet. Negative Effekte auf die öffentliche Gesundheit müssen hinten anstehen. Anders verhält es sich beim DFB: Der ist als gemeinnütziger Verband anerkannt und muss sich an seine Satzung halten. Zumindest in der Theorie.
DFB verstößt gegen eigene Satzung
Laut der Satzung des DFB ist „Zweck und Aufgabe“ des Verbands die „Förderung gesunder Ernährung (…) als gesundheitliche Prävention“. In der Praxis verstößt der DFB gegen sein eigenes Regelwerk. Werbepartnerschaften mit Ferrero, McDonalds und insbesondere Coca-Cola sind das Gegenteil der „Förderung gesunder Ernährung“. Der DFB torpediert die Bemühungen zahlreicher Eltern und Lehrer, Kinder für eine gesunde Ernährung zu begeistern.
Mit gutem Grund ist Kindermarketing höchst umstritten: Die WHO fordert seit Jahren gesetzliche Beschränkungen – und hat dafür eigens ein Nährwertmodell vorgelegt, das für alle erdenklichen Lebensmittel durchdekliniert, wofür Kindermarketing erlaubt (weil gesund) und wofür es nicht erlaubt (weil ungesund) sein sollte.
Zuckrige Cola fällt selbstverständlich in die zweite Kategorie. Elfeinhalb Stück Würfelzucker stecken in einer (!) 330ml-Sammeldose. Mit den 24 Sammeldosen kommen sage und schreibe 280 Zuckerwürfel zusammen.
DFB: Cola macht nicht dick
Foodwatch hatte den DFB im Mai in einem Brief aufgefordert, die Werbepartnerschaften zu kündigen. In seinem Antwortschreiben an Foodwatch verteidigt der Verband die Werbeverträge. Dabei behauptet der DFB unter anderem, dass „die Bevorzugung von süßen oder salzigen Lebensmitteln und Getränken“ für die Zunahme des Übergewichts bei Kindern „nicht ursächlich“ seien.
Wenn es nach dem DFB geht, sollen sich die Kinder also ordentlich Cola reinpfeifen – ist ja nicht schlimm. Dass die schädlichen Wirkungen des Konsums zuckergesüßter Getränke längst in aufwändigen Meta-Studien nachgewiesen wurden, scheint am DFB vorbei gegangen zu sein in seinen turbulenten Zeiten.
Es gibt einen Unterschied zwischen Wasser und Cola
Die Reaktion des DFB passt voll und ganz zur Haltung der Lebensmittel-und Zucker-Lobby. Die wiederholt beinahe mantraartig, es gäbe keine ungesunden Lebensmittel, nur eine ungesunde Ernährung. Es ist erschreckend, wie sehr sich das in der Debatte durchgesetzt hat.
Denn in der Tat gibt es sehr wohl „ungesunde“ Lebensmittel: Pommes, Eiscreme, Bratwurst, Schokolade, Kirsch-Sahne-Torte und Cola zum Beispiel. Warum sind sie „ungesund“? Weil die negativen Nährwerteigenschaften (viele Transfette, viel Zucker) die positiven (Calcium im Eis, Vitamine in den Kirschen auf der Torte) überwiegen.
Bedeutet das, dass man diese Lebensmittel deshalb niemals essen sollte? Nein. Es bedeutet, dass man keine großen Mengen davon essen sollte, wenn man eine ausgewogene Ernährung anstrebt. Und es bedeutet, dass für solche Produkte kein Kindermarketing betrieben werden sollte. Denn Kinder verzehren ohnehin schon viel zu viele Süßwaren und Limonade, aber zu wenig Obst und Gemüse.
DFB-Präsident Grindel muss für Neuanfang sorgen
Reinhard Grindel ist seit April 2016 DFB-Präsident. Nun bietet sich die einmalige Chance für einen Neuanfang in Sachen gesellschaftlicher Verantwortung. Mit einem Schlag könnte Deutschlands größter Sportverband dafür sorgen, dass McDonalds, Ferrero und Coca-Cola nicht mehr mit den Idolen unserer Kinder werben dürfen.
Damit wäre ein beträchtlicher Teil des Kindermarketings für ungesunde Lebensmittel Geschichte. Herr Grindel könnte sicherstellen, dass die „Förderung gesunder Ernährung (…) als gesundheitliche Prävention“ beim DFB tatsächlich gelebt wird: indem er den Junkfood-Konzernen die Werbeverträge kündigt.
Ein DFB, der die Gesichter der Fußballstars an Coca-Cola verkauft, ist nicht mehr zeitgemäß. Ein DFB, der so handelt, macht sich selbst zum Diabetes Förderer-Bund.
Oliver Huizinga ist Experte für Lebensmittelmarketing bei Foodwatch
Oliver Huizinga