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Deutsche Nationalmannschaft: Pegida und Kinderschokolade

Weil Ferrero mit Kinderbildern von Boateng und Gündoğan wirbt, drehen einige Pegidisten durch. Die Armen! Nun müssen sie sich entscheiden, ob sie zu Deutschland halten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Oliver Fritsch

Bald müssen sich die Pegidisten entscheiden. Bald ist Europameisterschaft. Dann stellt sich ihnen die Gretchenfrage: Wie halten mit den deutschen Fußballern? Die Frage ist den meisten Dresdner Spaziergängern wichtig. Sie verachten zwar das politische System, hassen alles Fremde und angeblich Nicht-Deutsche. Einen EM-Titel nehmen sie aber gerne mit, es ist ja schließlich die National-Mannschaft.

Die armen Fahnenschwenker, Höcke-Fans und anderen Rechtsausleger! Der Fußball führt ihnen wieder mal ihre Schizophrenie vor Augen. Auf der Facebook-Seite von Pegida Baden-Württemberg gibt es einen Vorgeschmack darauf, mit welchem selbstverschuldeten Dilemma sie in den nächsten Wochen konfrontiert werden. Dort diskutiert man sich wieder mal die Köpfe heiß. Anlass sind die aktuellen Bilder auf der Kinderschokolade.

Meist sind dort Tommi-Ohrner-hafte deutsche Jungs abgelichtet, diesmal allerdings nicht weiße Kinder. Darauf reagiert der Pegidist gereizt, er empört sich über linksgrüne Umerziehung. "Die versuchen einem echt die Scheisse, als normal unterzujubeln, armes Deutschland", schreibt ein Herr Gollmer. Und ein Herr Schulte fragt: "Sind das Warnungen vor zukünftigen Terroristen?"

Nein, Herr Schulte, es sind die Fußballer Boateng und Gündoğan. Es handelt sich um eine Kampagne des italienischen Unternehmens Ferrero, das mit Kinderbildern der deutschen Nationalelf wirbt. Eigentlich eine charmante Idee, doch die User haben sie übersehen, womöglich auch, weil der Administrator das Bild so zugeschnitten hat, dass man sie nicht auf den ersten Blick erkennen konnte.

Sie übersahen, dass da zwei abgebildet sind, die in Frankreich das deutsche Trikot tragen sollen. Gündoğan wird das nicht können, weil er verletzt ist, aber Boateng ist dabei. Wie auch Khedira, Sané, Mustafi, Gomez und Özil. Ohne die hätte die Elf des DFB wohl keine Chance.

Jérôme, Mesut, Sami, Shkodran oder Leroy, wie sie mit Vornamen heißen, sind übrigens keine Erfindungen der Altparteien oder der Lügenpresse. Die gibt’s wirklich, die haben vier Sterne auf der Brust. In Brasilien hat das multikulturelle, multireligiöse Deutschland ja ganz gut funktioniert. Jérôme hat im Finale die Abwehr zusammengehalten, Sami und Mesut schossen Tore in wichtigen Spielen.

Es mag einigen missfallen, aber in Deutschland werden nicht weiße deutsche Kinder geboren, wie Jérôme. Und die Diskussion, ob der Islam zu Deutschland gehört, ist längst beantwortet. Mesut, Sami und Shkodran sind drei muslimische deutsche Weltmeister. Mesut ließ sich in diesen Tagen im weißen Gewand in Mekka ablichten. Er will sich gut auf das Turnier vorbereiten, in dem er für Deutschland in einem anderen weißen Gewand einen weiteren Pokal gewinnen will.

Eine Religion lässt sich weder aus einer Nation noch aus einer Nationalmannschaft wegdefinieren. Die Pegidisten und die, die von ihnen gewählt werden, haben, wie auch Parteien, nicht zu entscheiden, wer und was zu Deutschland gehört. Das entscheidet die Wirklichkeit, das Leben, der Nationaltrainer.

Die NPD lehnte 2006 die Nationalspieler Gerald Asamoah und Patrick Owomoyela ab. "Weiß – nicht nur eine Trikotfarbe", hetzten die Nazis auf Transparenten. Das war, als es mit dem deutschen Fußball auch dank Asamoah oder Odonkor und später Özil und Boateng wieder bergauf ging.

Ein User der Facebook-Diskussion meckerte schon, im deutschen Fußball sei "nix mehr national", mancher pflichtete ihm bei. Viele andere schwiegen, als sie ihren Irrtum bemerkten. Vielleicht weil sie auf ihre eigene Widersprüchlichkeit stießen. Sollen sie in den nächsten Wochen zu Hause bleiben oder auf die Fan-Meilen gehen? Dürfen sie, wenn Deutschland ins Finale einzieht, Schwarz-Rot-Gold schwenken?

Einen Kompromiss in dieser Haltungsfrage gibt's nicht. Der Schwarze und der Moslem gehören nur dann zu Deutschland, wenn sie Fußball spielen? Sorry, das kann's für Klartextredner nicht sein.

Dieser Text erschien zuerst auf ZEIT ONLINE.

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