Abgasskandal bei Volkswagen: CO2-Affäre betrifft offenbar viel weniger Fahrzeuge
Nach Konzernangaben haben interne Überprüfungen ergeben, dass für lediglich 36.000 statt 800.000 Autos CO2-Werte und Verbrauch falsch ausgewiesen wurden. Das Diesel-Problem bleibt weiter ungelöst.
Während sich der VW-Aufsichtsrat auf dem Wolfsburger Werksgelände über den Stand der Aufklärungsarbeit im Abgasskandal informieren ließ, veröffentlichte der Autokonzern am Mittwoch eine gute Nachricht: „CO2-Thematik weitgehend abgeschlossen“, war die Mitteilung aus der Zentrale überschrieben. Eine optimistische Formulierung für einen Vorgang, der weiter Fragen offen lässt. Klar ist: Bei VW wurden nicht – wie zunächst vor einem Monat veröffentlicht – bei 800.000 Autos CO2- und Verbrauchswerte manipuliert. „Nach umfassenden internen Prüfungen und Messkontrollen ist nun klar, dass fast alle diese Modellvarianten doch den ursprünglich festgestellten CO2-Werten entsprechen“, teilte das Unternehmen mit. Betroffen seien wohl höchstens 36.000 Autos. Bislang seien auch „keine rechtswidrigen Veränderungen“ der Verbrauchsangaben festgestellt worden.
Über das Ergebnis der internen Nachmessungen dürfte sich vor allem der neue Finanzvorstand des VW-Konzerns, Frank Witter, freuen: Die ursprünglich erwartete Ergebnisbelastung von zwei Milliarden Euro wird wohl auf einige Millionen Euro schrumpfen. Technische Maßnahmen an den Fahrzeugen sind nicht notwendig und drohende Steuernachzahlungen – die Kfz-Steuer ist an den CO2-Ausstoß gekoppelt – auch nicht. Die Börse reagierte begeistert: Die im Dax notierte VW-Vorzugsaktie sprang bis zum späten Nachmittag um mehr als sieben Prozent in die Höhe.
Karlheinz Blessing wird neuer Personalchef
Ebenfalls am Mittwochnachmittag teilte der Konzern Personalentscheidungen des Aufsichtsrats mit. Der Stahl-Manager Karlheinz Blessing wird, wie berichtet, neuer Personalvorstand. Der 58-jährige begann seine Karriere in der IG Metall und war zuletzt Vorstandschef von der Dillinger Hütte und der Saarstahl AG. Für den Vorstand der Marke VW wurden mit Ralf Brandstätter (für Beschaffung) und Frank Welsch (Entwicklung) zwei neue Manager berufen. Brandstätter folgt auf Francisco Garcia Sanz, der als Konzernvorstand für Beschaffung zuständig bleibt und sich ferner um die Aufarbeitung des Diesel-Skandals kümmern soll.
Vorstandschef Matthias Müller und der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch werden an diesem Donnerstag erste Ergebnisse der Aufklärungsarbeit im Abgas-Skandal präsentieren. Der Konzern hatte die US-Kanzlei Jones Day damit beauftragt. Schätzungen gehen von 20 bis 40 Milliarden Euro Kosten durch „Dieselgate“ für Rückrufaktionen, Geldstrafen und milliardenschwere Schadenersatzklagen vor allem in den USA.
VW muss in Kalifornien vor Gericht
Die mehr als 500 Sammelklagen gegen VW in den USA sollen in Kalifornien verhandelt werden. Das teilte ein Justizgremium am Dienstag (Ortszeit) mit. Zuständiger Richter werde Charles Breyer sein. Aus Kalifornien war die erste Klage gegen VW gekommen. In Kalifornien hat auch die Umweltbehörde CARB ihren Sitz. Diese hatten den VW-Skandal durch eigene Ermittlungen aufgedeckt und Volkswagen zu Zwangsmaßnahmen verpflichtet. Das US-Justizministerium und Volkswagen wollten indes die Klagen gegen den Konzern im Zusammenhang mit dem Abgasskandal zur Vereinfachung der Verfahren in Detroit bündeln. Der Wolfsburger Konzern hatte im September zugegeben, allein in den USA in fast 500 000 Wagen eine illegale Software eingesetzt zu haben, um Abgastests zu bestehen.
Die internen CO2-Messungen, deren Ergebnisse VW am Mittwoch bekanntgab, sollen nach Konzernangaben noch vor Weihnachten unter behördlicher Aufsicht bei einem „neutralen technischen Dienst“ überprüft werden. VW hatte seine Ergebnisse bereits dem Kraftfahrt- Bundesamt (KBA) und der Untersuchtungskommission der Bundesregierung vorgetragen. Abweichungen bei den CO2-Angaben wurden demnach nur bei neun Modellvarianten festgestellt und betragen den Angaben zufolge nur wenige Gramm. Dies entspreche einem höheren Verbrauch im Test-Labor von 0,1 bis 0,2 Liter auf 100 Kilometern, teilte VW mit. Eine Liste der Modelle wurde im Internet veröffentlicht.
Kraftfahrt-Bundesamt will weiter nachmessen
Das KBA hält trotz des geringeren Ausmaßes der CO2-Falschangaben an vorgesehenen Nachmessungen bei Volkswagen fest. Die Behörde hatte nach Bekanntwerden möglicher Abweichungen angeordnet, dass die CO2-Werte der betroffenen Fahrzeuge neu festzustellen sind. Auch die Bundesregierung reagierte zurückhaltend auf die VW-Veröffentlichung und verwies auf das KBA: „Diese Messungen werden ungeachtet der nunmehr vorliegenden Bewertung durch Volkswagen in vollem Umfang durchgeführt“, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums in Berlin. Wenn VW nun mit neuen Zahlen an die Öffentlichkeit gegangen sei, „ist das das Ergebnis der Innenrevision bei VW, der internen Untersuchungen des Volkswagen-Konzerns“.
„Der Umfang der Probleme scheint sich deutlich verringert zu haben“, erklärte Frank Schwope, Analyst von der NordLB, am Mittwoch. Er rechnet für 2016 mit einem Absatzrückgang bei VW von ein bis vier Prozent, während der Pkw-Markt weltweit um zwei bis vier Prozent wachsen werde. „Das Vertrauen der Kunden in die Marke hat gelitten“, sagte Schwope. Trotz des Abgas-Skandals rechnet die VW-Finanztochter Volkswagen Financial Services im laufenden Jahr mit einem operativen Ergebnis über dem Vorjahreswert von 1,7 Milliarden Euro. mit dpa, rtr