VW: Stahlmanager soll Personalchef werden
Karlheinz Blessing, Chef von Saarstahl und einst Bundesgeschäftsführer der SPD, dürfte kommende Woche vom Aufsichtsrat zum VW-Personalvorstand bestellt werden.
Wieder einmal soll ein Stahlmanager aus dem Saarland in Wolfsburg als Feuerwehrmann eingesetzt werden. 1993, als Volkswagen zwei Milliarden D-Mark Verlust machte, wechselte Peter Hartz, bis dahin Arbeitsdirektor der Dillinger Hütte, in die niedersächsische Autostadt. Er führte bei VW die Vier-Tage-Woche ein und verhinderte dadurch Massenentlassungen. Nachfolger von Hartz als Arbeitsdirektor an der Saar wurde damals Karlheinz Blessing. Ausgerechnet dieser Karlheinz Blessing soll nun Personalvorstand in der Wolfsburger Zentrale werden. Am kommenden Mittwoch trifft sich der VW-Aufsichtsrat, um diese wichtige Personalie zu entscheiden. Bereits Ende November war Amtsinhaber Horst Neumann, der wiederum 2005 an die Stelle von Hartz getreten war, in den Ruhestand gegangen.
Die IG Metall schlägt den Neuen vor
Es gilt einen der ambitioniertesten Jobs in der deutschen Industrie zu besetzen. Der Volkswagen-Konzern ist mit einem Dutzend Marken, mehr als 100 Fabriken und 600 000 Mitarbeitern ein schwer zu steuerndes automobiles Weltreich. Dieses ist erschüttert worden durch die Abgasmanipulation an bis zu elf Millionen Dieselfahrzeugen. Die Bewältigung des Skandals wird VW wohl mindestens 20 Milliarden Euro kosten. 6,5 Milliarden hat der Konzern im dritten Quartal schon zurückgestellt, das wird aber nicht reichen. Auf Volkswagen und seine Beschäftigten kommen weitere Belastungen zu, für deren Bewältigung Spitzenpersonal gebraucht wird. Vor allem auch im Personalwesen, denn es gibt kein zweites Unternehmen in Deutschland, in dem Betriebsrat und IG Metall so viel Einfluss haben. Deshalb ist es ein ungeschriebenes Gesetz in Wolfsburg, dass die IG Metall den Personalchef vorschlägt.
Betriebsrat Osterloh durfte nicht
In den vergangenen Monaten sah es lange so aus, als würde der Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh die Seiten wechseln. Doch dann gab es bei den Anteilseignern Vorbehalte. Osterloh hatte sich gegen den vom Aufsichtsrat erzwungenen Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn gesträubt und gilt auch deshalb als ein Mann des alten VW-Systems. Ein glaubwürdiges Signal des Aufbruchs wäre von Osterloh nicht ausgegangen.
Der neue IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, der vor wenigen Wochen für Berthold Huber in den Aufsichtsrat gezogen ist, erbte von seinem Vorgänger die Suche nach dem Personalvorstand. Die Stellenbeschreibung ist übersichtlich: IG-Metall-Mitglied, Kenner der Mitbestimmung, Konzernerfahrung und keine Angst vor brenzligen Aufgaben. Also Karlheinz Blessing, derzeit Vorstandsvorsitzender der Dillinger Hütte und der Saarstahl AG, die zusammen fast 12 000 Mitarbeiter beschäftigen und 4,3 Milliarden Euro erlösen. Nach Thyssen-Krupp und Salzgitter ist das der drittgrößte Stahlkonzern hierzulande.
Blessing hat für Steinkühler und Engholm gearbeitet
Blessing, 1957 in Schwaben geboren, war ein Überflieger: mit 23 Jahren Diplom-Volkswirt, mit 26 promoviert über die „Zukunft des Sozialstaats“. 1984 ging er in die Zentrale der IG Metall und war dort die rechte Hand des Vorsitzenden Franz Steinkühler. Nach dessen Rücktritt zog es das SPD-Mitglied in die Politik: 1991 holte der SPD-Vorsitzende Björn Engholm Blessing als Bundesgeschäftsführer in die Parteizentrale. Als auch Engholm zurücktrat, landete Blessing 1994 als Arbeitsdirektor und Vorstandsmitglied bei der Dillinger Hütte.
Den Job muss er gut gemacht haben, denn 2011 wurde er Vorstandschef der Hütte und ein Jahr später dann auch noch Vorstandschef der Saarstahl AG. Mit dem Wechsel nach Wolfsburg verschlechtert er sich also nun vom Vorstandsvorsitzenden zum gemeinen Vorstandsmitglied. Doch offenbar hat Blessing den Ehrgeiz, zum Ende der Karriere noch ein paar Jahre in der Weltliga zu spielen. Er gilt als analytischer Kopf mit strategischem Weitblick. In Wolfsburg muss er nun die Konzerninteressen mit denen der Belegschaft in Deckung bringen. Als er Chef im Saarland wurde, hat er den dafür erforderlichen Spagat einmal so umschrieben. „Wer ein Unternehmen führt, muss immer die betriebswirtschaftlich bessere und die sozial gerechte Lösung in Einklang bringen.“