Flüchtlinge in Deutschland: Catering in Flüchtlingsheimen ist ein Problem
Halal muss es sein und billig – das Essen, das in Unterkünften für Flüchtlinge serviert wird. Für die Caterer ist das nicht einfach. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt.
Aloo Gobi ist neu, ein pakistanisches Blumenkohlcurry mit Kartoffeln, Kurkuma und frischem Koriander. Auch der würzige Bulgureintopf mit Rinderhack, Tomaten und Kichererbsen stand früher nicht auf dem Speiseplan. „In deutschen Kantinen ist immer noch die Currywurst die absolute Nummer Eins“, sagt Ruth Fislage von der Firma Apetito. „Aber das Liefervolumen an Flüchtlingsunterkünfte ist zuletzt so deutlich gestiegen, dass wir uns auf die veränderte Nachfrage einstellen.“ Das Unternehmen, einer der größten deutschen Hersteller für Tiefkühlkost, hat deshalb sein Angebot überarbeitet. Seit dem 1. November führt es sieben neue Gerichte im Programm.
800 000 Flüchtlinge werden in diesem Jahr in Deutschland erwartet, Hunderttausende sind schon da. Menschen fliehen hierher, um ihr Leben zu retten, ihre Kinder in stabilen Verhältnissen aufwachsen zu lassen, ihnen eine Zukunft in einem freien Land zu ermöglichen. Aber kommen sie auch, um Kohlrouladen und Schweinebraten zu essen? „Der Großteil der Menschen ernährt sich halal“, sagt Fislage, Schweinefleisch ist verboten, Blutiges auch, die Tiere müssen ohne Betäubung geschlachtet worden sein. „Aber auch die geschmacklichen Anforderungen sind andere.“
Das Tierschutzrecht steht deswegen nicht zur Disposition. Muslime und Juden mit religiösen Speisevorschriften leben nicht erst seit gestern in Deutschland.
schreibt NutzerIn derverwalter
Vier bis fünf Euro pro Tag
Rund um die Versorgung von Flüchtlingen stellen sich viele Fragen, und derzeit etliche Herausforderungen. Was da im einzelnen aufgetischt wird, ist nur ein kleiner Aspekt – und sicher nicht der dringendste. „Wir sehen aber, dass es für die Menschen ein ganz wichtiger Faktor ist", sagt Manfred Nowak, Kreisvorsitzender des Awo-Verbands Berlin-Mitte. Die Organisation betreibt zwölf Flüchtlingsunterkünfte in Berlin, davon sechs Erstaufnahmestellen. „Die Menschen sind, wenn man von den Behördengängen absieht, den ganzen Tag unbeschäftigt. Da kommt dem Essen eine enorme Bedeutung zu. Wir machen uns viele Gedanken darüber – das Essen ist ein Problem."
Ein Problem, weil den Einrichtungen pro Kopf circa elf Euro am Tag für die Verköstigung der Hilfesuchenden zur Verfügung stehen. Von lediglich vier bis fünf Euro spricht Klaus Kocks von Deutschlands größtem Betreiber von Flüchtlingseinrichtungen, European Homecare. „Für Vollpension bekommen wir zwischen elf und 36 Euro pro Tag, davon müssen Bett, Hygiene, Medizin und drei Mahlzeiten bezahlt werden. Da bleiben für Essen vier, fünf Euro, niemals mehr. Dieses Land gibt dramatisch wenig für Asylbewerber aus.“
Die Häuser sind auf große Anbieter angewiesen
Aktuell werden durch das Unternehmen 15 000 Asylbewerber betreut, das sind 45 000 Mahlzeiten täglich. „Um überhaupt eine solche Menge darstellen zu können, sind wir auf große Caterer angewiesen“, sagt Kocks. Morgens und abends gibt es Brot. Die Aufträge für das Catering vergibt jede Einrichtung selbst, bestätigt das Landesamt für Gesundheit in Berlin. „Wenn wir wie zum Beispiel jüngst mittags den Anruf bekommen, dass wir bis zum Abend um 21 Uhr eine Flüchtlingsunterkunft am Lützowufer einrichten sollen, verlassen wir uns auf einen Anbieter, mit dem wir schon Erfahrungen gemacht haben“, sagt Nowak von der Awo. „Gibt es einen längeren Vorlauf, schreiben wir den Auftrag aus.“ „Immer erhält der den Zuschlag, der am wirtschaftlichsten anbietet“, erklärt Kocks. „Wir nehmen die Standardangebote der regionalen Anbieter, die auch Krankenhäuser und Pflegeheime beliefern. Dementsprechend beliebt ist das Essen.“
Für Auswahlmöglichkeiten reichen die Mittel fast nie. „Platt gesagt, es wird gegessen, was auf den Tisch kommt“, sagt Kocks. Grundsätzlich erstellen die Lieferanten keinen eigenen Speiseplan für Flüchtlinge. „Es gibt aber überall Halal-Angebote, weil auch in Kliniken und Pflegeheimen der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund steigt. Man kocht heute ohnehin tabubezogen“, sagt Kocks. Was letztlich bestellt wird, entscheidet das Heim-Management.
"Ist das auch wirklich halal?"
Im Asylantenheim in der Motardstraße in Spandau dagegen haben Bewohner eine Wahlmöglichkeit. „Diesen Montag etwa können sie entscheiden, ob sie Hühnchen oder Rindsgulasch haben möchten“, sagt Manfred Nowak. Das sei aber auch in Einrichtungen der Awo die Ausnahme. Das Heim wird vom Caterer R+Z beliefert. Er kocht täglich zwei Hauptgerichte und ist dazu übergegangen, seine Menüpläne außer auf Deutsch, Englisch und Französisch auch auf Arabisch auszuhängen. Diese Übersetzungsleistung wird extra eingekauft. „Ist das auch wirklich halal?“, werden die Mitarbeiter der Einrichtungen immer wieder gefragt. „Als wir in Dahlem eine Turnhalle als Notunterkunft einrichten mussten, haben wir Wurstpakete organisiert“, sagt Nowak von der Awo. „Da haben wir gleich die Packungen aufbewahrt, um die Menschen zu beruhigen: Nein, da ist kein Schweinefleisch drin.“
Nicht alle Standorte von der gleichen Firma beliefern zu lassen, ist bei der Awo eine bewusste Entscheidung. Neben R+Z arbeitet der Träger etwa auch mit den Unternehmen Nobis und Apetito zusammen. „So halten wir wenigstens ein bisschen Wettbewerb in Gang.“ Es gebe auch nicht in allen Einrichtungen die gleichen Voraussetzungen dafür, Essen zu erwärmen. Längerfristige Verträge schließe man bewusst nicht ab. „Für diesen Preis kann man keine Restaurantqualität erwarten, aber es gibt Unterschiede auch auf diesem Level.“ Erst vor ein paar Monaten habe der Träger einen Caterer gewechselt, nachdem sich die Beschwerden häuften.
Inspiration aus Dubai
Die rheinische Firma Apetito beliefert bundesweit 10 000 Kunden und inzwischen 80 Flüchtlingseinrichtungen. Einige Angestellte des Unternehmens, sagt Ruth Fislage, hätten zuvor in Dubai gearbeitet. „Die bringen viel Know-how mit, was orientalisches Essen angeht.“ Deshalb seien sie mit der Entwicklung der neuen Menüs betraut worden.
Dass nie alle glücklich sind mit dem, was serviert wird, sei indes eingepreist, sagt Nowak von der Awo. „Allein Fisch ist nicht jedermanns Sache. Aber immer wieder dabei, weil wir uns bemühen, auf eine gesunde Ernährung zu achten. Wenn etwas Spendengeld übrig ist, kaufen wir extra Obst ein.“
Und man habe so viele Nationen und Ethnien und kulturelle Unterschiede auch was das Essen anbelangt, dass man nicht immer den Geschmack treffen könne. Die Zusammensetzung der Bewohner in den Heimen verändert sich stetig. Momentan sind es vor allem Syrer und Iraker. „Es gab aber auch Zeiten, da haben Vietnamesen dominiert.“
Viele schicken ihr Essensgeld nach Hause
Dass die Caterer mitdenken, begrüßen die Träger der Einrichtungen. Gleichwohl scheint sich die Branche in einem Punkt einig – „besser wäre es, die Menschen bekämen die Chance, sich selbst zu versorgen“. In sechs Berliner Einrichtungen der Awo ist das der Fall, so im Containerdorf in Buch. „Wir zeigen den Bewohnern, wo sie einkaufen können“, sagt Manfred Nowak. „In den Erst- und Notunterkünften gibt es eine vom Betreiber organisierte Essensausgabe, in den Gemeinschaftsunterkünften sind wiederum die Bewohner selbst dafür zuständig“, heißt es beim Lageso.
Mit Sorge sehen die Betreiber, dass die Politik den Zeitraum des „Sachleistungsbezugs“ ausweiten will. Bisher werden Flüchtlinge vom Tag ihres Eintreffens an drei Monate vollversorgt, ehe man ihnen mehr Eigenständigkeit zugesteht. Dann bekommen sie eine monatliche finanzielle Unterstützung, die Hartz vier entspricht. Eine der Ideen dahinter, den Zeitpunkt nach hinten zu schieben, ist, dass die Menschen auch tatsächlich genügend Nahrung zu sich nehmen sollen. Viele schickten einen Großteil des Geldes nach Hause, sagt Nowak.
Aber: „Den Menschen alles vorzusetzen, entspricht nicht unseren Vorstellungen von Betreuung.“ Dabei gehe es weniger darum, unterschiedlichen Geschmäckern besser gerecht zu werden. „Für Viele ist es Teil ihrer Lebensphilosophie, für die Familie zu kochen.“
Kochen ist die vielleicht älteste soziale Handlung der Menschheit. „Wir meinen, es trägt zur Zufriedenheit der Bewohner bei“, sagt Nowak. „Und zur Entspannung der Gesamtsituation.“