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Monte dei Paschi ist die älteste Bank der Welt - doch auch sie steckt nun in der Krise, weil sie auf zu vielen faulen Krediten sitzen bleibt.
© AFP

Staatshilfe für Banken: Bringt Italien Europa die Krise zurück?

Weil sie zu viele faule Kredite haben, bekommen Italiens Banken Probleme. Premierminister Renzi will Staatshilfen. Fragen und Antworten zur neuen Bankenkrise.

Es geht um viel Geld. 40 Milliarden Euro brauchen die italienischen Banken, wenn sie nicht pleitegehen sollen. Und zwar möglichst schnell. In den letzten Tagen hat sich ihre Lage zugespitzt. Von der nächsten Bankenkrise ist die Rede. Weil in Italien die Arbeitslosigkeit hoch ist und die Wirtschaft nicht in Schwung kommt, werden dort Kredite in beängstigendem Umfang nicht bedient. Premierminister Matteo Renzi will die angeschlagenen Institute deshalb nun mit Staatshilfen stützen – und das obwohl die EU-Staaten eigentlich versprochen hatten, die Steuerzahler zu schonen.

Die Mitgliedstaaten beraten nun darüber, ob sie den Italienern das ausnahmsweise durchgehen lassen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) pochte am Montag zwar darauf, auch die Italiener müssten sich an die gemeinsamen Regeln halten – „sonst brauchen wir uns keine Regeln zu geben“. Doch die Italiener selbst sind optimistisch. Die Verhandlungen mit Brüssel verliefen „positiv“, machten „Fortschritte“ und würden fortgesetzt, sagte Italiens Finanzminister Pier Carlo Padoan in Brüssel. Dort treffen sich bis Dienstag die Euro-Finanzminister. Offiziell steht die italienische Bankenkrise zwar nicht auf der Tagesordnung. Doch die Italiener hoffen bis zum Abschluss des Treffens auf eine Lösung.

Wie konnte es zur Bankenkrise kommen?

Seit Monaten ist klar, dass einige italienische Institute Probleme haben. Doch erst durch die Brexit-Debatte wurde es eng. Die Aktienkurse der italienischen Banken haben im Zuge der Diskussion über einen EU-Austritt Großbritanniens kräftig nachgegeben. Dabei ist der Brexit nur der Auslöser – nicht die Ursache der Bankenkrise. Das eigentliche Problem sind die vielen faulen Kredite in den Büchern der Banken: Sie haben zu vielen Unternehmern und Privatleuten Geld geliehen, das die nun nicht mehr zurückzahlen können. Die italienische Notenbank schätzt, dass die Banken auf faulen Krediten in Höhe von 360 Milliarden Euro sitzen – das entspricht einem Fünftel der Wirtschaftsleistung des Landes.

Die italienischen Banken bleiben besonders oft auf ihren Schulden sitzen, weil sie fast ausschließlich Geld im Inland verleihen. Die Bankenkrise ist somit eine Folge der schlechten Wirtschaftsentwicklung: Seit 2008 ist Italiens Wirtschaftsleistung unterm Strich um acht Prozent gesunken – weshalb Ökonomen wie Ifo-Chef Clemens Fuest Italien für das größte „ökonomische Problem der Euro-Zone“ halten. Dazu kommt, dass die Banken ihre Probleme viel zu lange ignoriert haben. „Statt das Geld für den Krisenfall zurückzulegen, haben sie es als Dividenden an ihre Aktionäre ausgeschüttet“, sagt Hans-Peter Burghof, Bankenprofessor an der Universität Hohenheim.

Ist das Problem neu?

Nein. Bereits im Dezember sind vier Regionalbanken in Notlage geraten, auch sie hatten zu viele faule Kredite. Gerettet werden konnten sie nur, weil die Regierung einen Schuldenschnitt durchsetzte – so wie es die EU-Regeln vorsehen. Das heißt, alle, die Aktien oder Anleihen der Institute gekauft hatten, mussten haften. Aktien im Wert von 300 Millionen und Anleihen im Wert von 450 Millionen Euro wurden so über Nacht wertlos.

Weil Bankberater ihren ahnungslosen Kunden zuvor ausgerechnet zum Kauf dieser Papiere geraten hatten, waren besonders viele Rentner und Kleinsparer davon betroffen. Entsprechend groß war die Empörung im Land. Auch ein eilig eingerichteter Ausgleichsfonds, der mit 100 Millionen Euro ausgestattet wurde, konnte kaum alle Verluste auffangen. Ein Rentner beging deshalb sogar Selbstmord. Premierminister Matteo Renzi steht seitdem unter Druck. Er will um jeden Preis verhindern, dass sich so etwas wiederholt.

Um kriselnden Banken zu helfen, haben die gesunden Institute deshalb im Frühjahr einen privaten Rettungsfonds aufgelegt. Mit rund vier Milliarden Euro haben Banken, Versicherungen und Investmentfirmen den Fonds namens Atlante ausgestattet. Allerdings ist schon jetzt die Hälfte dieses Geldes verteilt worden. Zwei Regionalbanken stützte der Fonds mit Kapitalerhöhungen. Der Rest dürfte kaum reichen, um nun auch noch größere Banken wie dem Kriseninstitut Monte dei Paschi zu helfen. Bei der drittgrößten Bank des Landes sollen 40 Prozent der Kredite faul sein. Investoren drängen deshalb auf Staatshilfen.

Warum kann der Staat nicht einfach helfen?

Matteo Renzi würde den Banken sehr gerne mit Staatsgeldern helfen – darf das aber nicht. Damit würde er gegen EU-Regeln verstoßen. Die Mitgliedstaaten haben sich infolge der Finanzkrise darauf geeinigt, dass künftig nicht mehr der Steuerzahler für die Bankenrettung aufkommen soll. Stattdessen sollen erst die Gläubiger haften: also alle, die sich über Aktien an der Bank beteiligt oder ihr über Anleihen Geld geliehen haben. In der Praxis zeigt sich nun aber, dass das nicht so einfach durchzuhalten ist.

Was will Renzi?

Der Premierminister fürchtet, dass es erneut zum Aufstand der Kleinsparer kommt. Persönlich sorgt er sich zudem um seinen Job: Findet er keine Lösung, um die Kleinsparer zu schonen, könnte ihn das sein Amt kosten. Deshalb will Renzi eine Ausnahmeklausel nutzen, um die Regeln der EU zu umgehen. Die Mitgliedstaaten haben nämlich ein Schlupfloch gelassen: So können Staaten die Gläubiger verschonen und die Banken mit Staatsgeldern retten, wenn „systemische Risiken“ bestehen. Wenn andere große Geldhäuser sich anzustecken drohen und das eine neue Finanzkrise auslösen könnte. Auch sollen Privatleute und Unternehmen nicht überproportional leiden – denn das schwächt das Wirtschaftswachstum.

Im Fall der Großbank Monte dei Paschi könnte Renzi damit durchkommen – und zwar spätestens dann, wenn das Institut durch den nächsten Stresstest fällt. Am 29. Juli veröffentlicht die Europäische Bankenaufsicht EBA die Ergebnisse. Zeigen die eine große Kapitallücke bei dem drittgrößten Institut des Landes, dürften die Finanzminister Italien erlauben, die Ausnahmeregel zu nutzen. Jeroen Dijsselbloem, der Chef der Euro-Gruppe, sagte dazu am Montag: „Auf der Basis des bestehenden Regelwerks lassen sich Lösungen finden.“

Denkbar ist zum Beispiel, dass sich der italienische Staat bei Monte dei Paschi engagiert, wie es die Bundesregierung auf dem Höhepunkt der Finanzkrise bei der Commerzbank getan hat: 2008 und 2009 wurde das zweitgrößte Geldinstitut der Bundesrepublik teilverstaatlicht, der Bund stellte der Bank über 18 Milliarden Euro zur Verfügung.

Welche Folgen hat die Entscheidung?

Die Frage ist allerdings, ob es bei einer Ausnahme bleibt. Schließlich ist es verlockend und einfach, Institute mit Staatsgeld zu retten, statt Gläubiger um ihr investiertes Vermögen zu bringen. „Die Ausnahme darf nicht zum Normalfall werden“, warnt etwa Bankenprofessor Burghof. Nach Monte dei Paschi dürften weitere italienische Banken die Hilfe des Staates brauchen.

Doch werden auch sie gerettet, sind die EU-Regeln so gut wie ausgehebelt. Und das zerstört das Vertrauen: Schließlich haben sich die Steuerzahler darauf verlassen, in Zukunft nicht mehr so schnell für die Bankenrettung zahlen zu müssen. Werden sie nun enttäuscht, könnte das eine Vertrauenskrise auslösen: Sehen die EU-Staaten dabei zu, wie ihre Regeln missachtet werden, bringt das schließlich die gesamte Gemeinschaft in Misskredit. Angesichts der Debatte um den Austritt Großbritanniens kann sich die EU das eigentlich nicht leisten.

Welche Länder sind als Nächstes dran?

Dazu kommt, dass andere Staaten dann ebenfalls von dieser Ausnahmeregel Gebrauch machen könnten. Denn die Krise bei den italienischen Banken ist möglicherweise erst der Anfang größerer Verwerfungen. Auch in Spanien und Frankreich haben die Geldinstitute zuletzt überproportional viel ihrer Gewinne an die Aktionäre ausgeschüttet. Geraten sie als Nächste unter Druck, könnten auch die Franzosen und Spanier auf eine Rettung durch den Staat pochen.

Doch selbst wenn die anderen EU-Mitgliedstaaten jetzt streng bleiben und gegenüber Italien auf das „Bail-in“ der Anleger beharren, bleibt die Lage ernst. Denn müssen Kleinsparer und Großinvestoren auf ihr Geld verzichten, werden die Banken in der nächsten Zeit Finanzierungsprobleme bekommen. Anleger dürften dann kaum noch Aktien und Anleihen der Banken kaufen wollen. Zu groß ist das Risiko, am Ende ihr eingesetztes Kapital zu verlieren. Die Volkswirte der Commerzbank warnen deshalb bereits vor der Gefahr „einer Kapitalflucht“. Die Aktienkurse der Geldinstitute werden dann weiter fallen, über Anleihen werden sie sich kaum noch verschulden können – was ihre Lage erneut verschlimmert.

Am Ende könnte es dann erneut die EZB sein, die es richten muss: etwa indem sie mehr Papiere italienischer Banken kaufen würde. Doch auch das bedeutete eine stärkere Vergemeinschaftung der Bankrisiken. Hinter der EZB stehen die Notenbanken der Mitgliedstaaten – und damit letztlich die Steuerzahler.

Markus Grabitz, Carla Neuhaus

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