zum Hauptinhalt
Pulsierende Stadt. Berlin macht größere Fortschritte als das übrige Land, hinkt aber dennoch hinterher.
© Kay Nietfeld/dpa

DIW-Studie zur Berliner Wirtschaft: Berlin entwickelt sich gut, muss aber noch besser werden

Berlin kann von Gründern und Zuwanderern profitieren, so eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Allerdings muss dringend mehr investiert werden - vor allem in Schulen.

Es war Zufall, doch passender hätte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) den Tag nicht wählen können, um eine Bilanz über die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in Berlin zu ziehen. Schließlich gab es Mittwoch auch für Berlins Schüler Zeugnisse, doch während die ihre Noten ohne großen Widerspruch hinnehmen mussten, waren Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) da besser dran. Sie nutzen den Termin, um ihre ganz eigene Bilanz zu ziehen – rund acht Wochen vor der Wahl eine für sie willkommene, jedoch heikle Angelegenheit. Versteht sich das DIW doch als unabhängige Institution.

Berlin hat noch viel aufzuholen

DIW-Chef Marcel Fratzscher präsentierte dann auch einen entsprechend kritischen Bericht. Zwar wollte er keine Schulnoten von Eins bis Sechs vergeben für die Entwicklung Berlins, jedoch machte er deutlich, dass die Leistungen ausbaufähig sind. Die Hauptstadt stehe „sehr, sehr gut da“, sagte Fratzscher – ob wegen oder eher doch trotz der großen Koalition im Senat ließ er zwar konkret unbeantwortet. Er verwies jedoch deutlich auf das „große Aufholpotenzial“ Berlins.

Produktivität in Berlin deutlich niedriger als im Rest des Landes

So ist die Zahl der Erwerbstätigen in Berlin in den vergangenen zehn Jahren um 290.000 und damit stärker als im gesamten Bundesgebiet gestiegen (siehe Grafik), doch liegt die Arbeitslosigkeit mit knapp zehn Prozent noch weit über dem Bundesdurchschnitt von 5,9 Prozent. Hinzu kommt, dass der starke Beschäftigungsaufbau mit einem „besonders schwachen Produktivitätswachstum“ einhergeht, sagte Fratzscher. Die Wirtschaftsleistung eines Erwerbstätigen sei in Berlin etwa fünf Prozent niedriger als im Bundesdurchschnitt – eine außergewöhnliche Situation, liegt die Produktivität in Hauptstädten doch normalerweise über dem jeweiligen Landesdurchschnitt. Berlin hingegen liegt im Vergleich weit hinter Städten wie London, Paris oder Warschau zurück (siehe Grafik).

Vor allem Polen gründen Unternehmen in Berlin

Da es auch nach dem Brexit unwahrscheinlich sei, dass beispielsweise große Konzerne aus London ihren Sitz nach Berlin verlegten, sei das Wachstum bereits hier ansässiger Unternehmen entscheidend für die Verbesserung des Produktivitäts- und damit Einkommensniveaus, heißt es in der Studie. Berlin besitze durch die hohe Gründungsdynamik „eine hervorragende Ausgangssituation, da viele Unternehmen am Beginn ihres Entwicklungsprozesses stehen“. Hierbei profitiert Berlin enorm von der Zuwanderung. Mittlerweile werde fast jedes zweite Unternehmen in der Hauptstadt von Ausländern gegründet, dabei liegen die Polen mit zuletzt 6.000 Gründungen vorne. Die Gründungsneigung der Berliner mit deutscher Staatsangehörigkeit liegt dagegen nur bei etwas unter einem Prozent.

Berlin investiert 807 Euro pro Einwohner - Hamburg 1.220 Euro

Auch im Hinblick auf Investitionen mahnte Fratzscher Verbesserungen an. Berlin und seine öffentlichen Unternehmen würden mit 807 Euro pro Einwohner (im Jahr 2014) zu wenig in die Infrastruktur investieren (Hamburg: 1.220 Euro). „Am dringlichsten ist der Investitionsbedarf in Schulen, wo der Investitionsstau fast dreimal so hoch ist wie in anderen Bundesländern.“ Auch müsse Berlin in den Ausbau von Wohn- und Gewerbeflächen investieren, um die dort angespannte Lage zu entschärfen.

Müller verwies dabei unter anderem auf das Gelände des Flughafens Tegel, der nach seiner Schließung als Fläche für Gewerbe und Industrie zur Verfügung stehen werde. Wann genau, sagte er jedoch nicht. Auch versicherte Müller, die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben, „hier müssen wir schneller und besser werden“. Nach Yzers Ansicht hat Berlin „die Trendwende“ geschafft, aber es gebe noch „keinen Anlass für Selbstzufriedenheit“. Sie setze auf eine „Reindustrialisierung durch Deindustrialisierung“.

„Es können goldene Jahrzehnte vor Berlin liegen"

„Es können goldene Jahrzehnte vor Berlin liegen – die Politik muss die Weichen aber richtig stellen, um das enorme Potenzial der Stadt besser zu nutzen“, lautete Fratzschers Fazit, mit dem er Müller und Yzer nicht etwa in die Ferien, sondern in den Wahlkampf entließ.

Zur Startseite