Neue Gesetze gefordert: Bei der Geldwäsche mit Immobilien sind die Berliner Clans kleine Fische
Der Immobilienmarkt ist bisher ein sicherer Hafen für Geld aus dubiosen Quellen. Die Regierung plant zwar ein neues Gesetz, aber das Wichtigste fehlt darin.
Martialisch sah es aus: Vermummte Einsatzkräfte der Polizei vor einer Immobilie in Neukölln, Ermittler von Zoll und Staatsanwaltschaft mit 60 Beschlüssen zur Beschlagnahmung von 45 Objekten, darunter Wohnhäuser. Auch sechstellige Mieterträge auf Verwalterkonten stellten sie sicher – mitten in Berlin kam es im Juli 2018 zum zweiten Schlag gegen Geldwäsche nach kriminellen Geschäften. Es ist einer von 60.000 Verdachtsfällen bundesweit, die das Zollkriminalamt meldet. Und einer der wenigen erfolgreichen – denn es fehlt an gesetzlichen Grundlagen und deshalb sind Einsätze von Strafverfolgern und Steuerbehörden gegen Geldwäscher oft vergeblich.
Und deshalb ist der Immobilienmarkt bisher ein sicherer Hafen für Geld aus undurchsichtigen Quellen. Das hat mit dem freien Kapitalverkehr zu tun, der auf den globalisierten Märkten gewährt wird, mit dem Bankgeheimnis und zwar insbesondere in Steueroasen. Bei der Jagd auf Hintermänner mutmaßlicher Geldwäsche scheitern Ermittler des Bundeskriminalamtes meistens, weil der „wirtschaftlich Berechtigte“ sich hinter verschachtelten Netzwerken wechselnder Firmen und Strohmännern verbergen kann. Die „Bürgerbewegung Finanzwende“ sagt, es habe ein Mittel dagegen gefunden – und fordert vom Bund, dieses in ihr Gesetz zur ohnehin fälligen Umsetzung europäischer Geldwäscherichtlinien aufzunehmen.
Der Vorschlag der Initiative ist einfach, aber wirkungsvoll: Lässt sich der „wirtschaftlich Berechtigte“ einer Immobilie oder Immobilien-Firma nicht auffinden, fällt das Haus ins Gemeineigentum der Kommune. „Das senkt den Druck auf die Immobilienpreise und stoppt Kriminelle“, sagt Michael Findeisen.
Der frühere Referatsleiter beim Bundesfinanzministerium ist eines von rund 2000 Mitgliedern der Bürgerbewegung Finanzwende. Initiiert wurde diese unter anderem vom früheren Finanzmarktexperten der Grünen im Bundestag Gerhard Schick. Die Bewegung ist aber längst ein überparteiliches Bündnis von Aktivisten, darunter frühere Politiker und Experten, die den Kampf gegen massive Probleme am Finanzmarkt aufnehmen, weil sie darin auch eine Gefahr für die Demokratie sehen.
Für die Enttarnung der wirtschaftlich Berechtigten am Immobilienmarkt setzt sich Jurist Michael Findeisen ein. Er weiß, wie wertvoll eine solche Transparenz ist, denn er war ab Anfang der 1980er Bankenaufseher und schrieb ab dem Jahr 2000 als Referatsleiter beim Bundesministerium für Finanzen an vielen wichtigen Finanzmarktgesetzen mit.
Bundesregierung arbeitet an Gesetzesentwurf
Findeisen sagt, von einem solchen Anspruch auf Auskunft würden nicht nur die Ermittler profitieren, „sondern auch die Steuerbehörden und die Kommunen“. Statt immer nur auf Strohmänner oder Tarnfirmen ohne wirkliche Befugnis zu stoßen, würden die Behörden bei einer gesetzlichen Verankerung dieser Transparenz-Regelung durch einen einfachen „Verwaltungsakt sofort berechtigt“ sein, eine plausible Auskunft über die tatsächlichen Eigentümer zu erhalten. Treffen sie auf Widerstände, „dann gibt es Zwangsgeld, Bußgeld und wenn das nicht hilft, erfolgt die Beschlagnahmung“.
Der Zeitpunkt für die Transparenz-Offensive ist gut. Das Bundesfinanzministerium arbeitet zurzeit an der nationalen Umsetzung der von der Europäischen Union an ihre Mitgliedsländer aufgegebenen Geldwäscherichtlinien. Der Entwurf des in der Bundesrepublik geplanten 5. Umsetzungsgesetzes ist da – aber mit ihm die Enttäuschung darüber, dass es wieder kein wirksames Werkzeug zur Enttarnung der Profiteure von Schwarzgeldflüssen gibt. Noch ist Zeit für Korrekturen.
Clans sind nur kleine Fische
„Was wir vorschlagen ist kein Systembruch, wir stopfen eine Lücke“, sagt Findeisen. Und davon profitiere der ganze Markt: „Weil Käufer nicht mehr konkurrieren müssen mit Rivalen, denen illegale Geldquellen einen unredlichen Wettbewerbsvorteil beim Kauf von Immobilien bieten.“ Die Verwüstungen, die rein gewaschenes Schwarzgeld in europäischen Citylagen verursachen, sind etwa in London zu besichtigen: Geisterstädte mit leer stehenden Luxuslofts im Eigentum von Briefkastenfirmen anonymer Hintermänner. Für diese sind die Immobilien gar nicht zum Wohnen da – allein schon durch deren Erwerb erreichen sie ihr Ziel: die Legalisierung kriminell erlangten Bargeldes.
100 Milliarden Euro im Jahr mindestens werden in Deutschland so in den legalen Warenkreislauf eingeschleust. Das steht in einem Gutachten für das Bundesfinanzministerium aus dem Jahr 2015. Mit den gegenwärtigen Rechtsmitteln ist dem Problem nicht beizukommen. Findeisen: „Die 600 Verurteilten wegen Geldwäsche im Jahr sind kleine Fische mit lächerlichen Beträgen, die die Möglichkeiten der Verschleierung gar nicht nutzen.“
Darunter fallen letztlich auch die Patriarchen der Clans, denen die spektakulären Razzien in Berlin und Beschlagnahmung von Immobilien galten. Diese zu enttarnen, war nicht wirklich schwierig, weil sie sich gar nicht die Mühe machten, sich zu verbergen: Die Käufer stammten aus der Familie oder dem Umkreis der Clanchefs, den eigentlich wirtschaftlich Berechtigten. Aber auch das sind kleine Fische aus Berlin – das ganz große Geschäft bleibt im Dunklen, in den Tiefen weit verzweigter, internationaler Netzwerke, die bis in die Offshore-Steuerparadiese reichen.