Altersvorsorge: Viele Betriebsrenten durch Niedrigzinsen gefährdet
Die Finanzaufsicht Bafin warnt davor, dass einige Pensionskassen unter Umständen bald keine vollen Renten mehr zahlen könnten. Die Lage sei ernster als vor zwei Jahren.
Die anhaltenden Niedrigzinsen machen den Pensionskassen in Deutschland immer mehr zu schaffen. Ein Drittel der gut 130 Kassen stehen deshalb unter verschärfter Beobachtung der Finanzaufsicht Bafin. „Die Lage ist noch ernster als vor zwei Jahren“, sagt Bafin-Exekutivdirektor Frank Grund. Er hatte schon 2016 auf die schwierige Situation der Pensionskassen hingewiesen.
„Wenn die Zinsen auf dem aktuellen Niveau bleiben, wird sich die Lage noch weiter verschärfen.“ Damit könnten in manchen Unternehmen die Betriebsrenten gefährdet sein. „Ohne zusätzliches Kapital von außen werden einige Pensionskassen nicht mehr ihre vollen Leistungen erbringen können“, warnte Grund am Donnerstag auf der Jahres-Pressekonferenz der Bafin in Frankfurt.
Die von der Bafin als kritisch eingestuften Kassen werden gedrängt, bei ihren Trägern oder Aktionären Unterstützung einzufordern. In einigen Fällen sei bereits Geld geflossen. Die in die Kassen eingebundenen vielen Arbeitgeber kann die Bafin nach Angaben von Grund aber nicht zu Nachschüssen zwingen.
Die Lage der Pensionskassen sei kritischer als die von Lebensversicherungen, weil es ausschließlich um langlaufende Rentenversicherungen gehe. Zudem werden die Menschen immer älter. Insgesamt verfügen die gut 130 Pensionskassen nach Angaben der Bafin derzeit über Anlagegelder in Höhe von 165 Milliarden Euro.
Einige Kassen hätten Leistungen für Pensionäre bereits gekürzt. Dann haftet der Arbeitgeber, was aber nur möglich sei, wenn das Unternehmen noch existiere und liquide sei, sagt Grund. Mindestens zwei Kassen haben bei der Bafin den Verkauf an Abwickler beantragt. Die Anträge würden sehr genau geprüft. Im Zweifel untersage die Bafin die Übertragung, sagte Grund. Dem Vernehmen nach soll es sich dabei um Pro bAV, die Kasse des Versicherers Axa, handeln und um die Prudentia Pensionskasse, an der die Betriebsrenten der Beschäftigten der Textilkette C&A hängen.
Banken sollen nicht jammern, sondern sich anpassen
Sorgen machen sich Bafin-Präsident Felix Hufeld und der Bankenaufsicht zuständige Exekutivdirektor Raimund Röseler auch wegen „des gewissen Beharrungsvermögen“ bei einigen Banken mit Blick auf die Digitalisierung. Wenn Banken in der digitalen Welt überleben wollten, sollten sie nicht länger über Regulierung und die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) klagen, sondern sich anpassen, sagt Röseler. „Und zwar schnell und fundamental.“
Es gehe nicht um kleine Umbauarbeiten, sondern um neue Geschäftsmodelle, digitale Wertschöpfungsketten und eine andere Kommunikation mit den Kunden. „Das setzt einen Kulturwandel in den Banken voraus und umfassende Investitionen in Technologie und Köpfe.“ Wer jetzt über die Kosten klage, der solle sich überlegen was Nichtstun koste.
Auch die Bafin selbst müsse umdenken. „Wie gehen wir etwa mit Vorgaben zum Vier-Augen-Prinzip um, wenn bei voll digitalisierten Prozessen nicht einmal ein menschliches Auge auf einzelne Geschäfte schaut?“, sagt Röseler.
Als beträchtliches Problem wertet die Bafin die weiter hohe Summe von wackeligen Krediten in den Büchern der Banken in Europa im Volumen zwischen 800 Milliarden und einer Billion Euro. Bafin-Chef Hufeld warnt aber vor überstürztem Handeln. Wer das zu schnell und unüberlegt angehe, könne das Finanzsystem destabilisieren. „Das Thema wird aber deshalb nicht unter den Teppich gekehrt."
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