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Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (Mitte l.) neben dem türkischen Energieminister Fatih Dönmez (Mitte r.)
© Ahmed Deeb/dpa

Türkei-Reise: Altmaier hofft auf engere Zusammenarbeit

Mit einer großen Wirtschaftsdelegation eilt der Bundeswirtschaftsminister in Ankara von Termin zu Termin.

Man muss schon Optimist sein, wenn man derzeit mit der Türkei Geschäfte macht. So wie Johannes Teyssen. Am Freitagmorgen steht der Eon-Chef in einem fensterlosen Konferenzraum in Ankara am Rednerpult, im Publikum sitzen deutsche und türkische Unternehmer und Politiker. „Jetzt darüber zu diskutieren, ob die Türkei noch ein gutes Investitionsziel ist, wäre falsch“, sagt Teyssen. Und verspricht: Eon werde innerhalb seiner Möglichkeiten weiter im Land investieren.

Wichtiger Markt für Eon

Für den Chef des Energiekonzerns steht viel auf dem Spiel. Die Türkei ist für Eon der wichtigste Auslandsmarkt. Elf Milliarden Euro hat der Konzern zusammen mit der türkischen Industriellenfamilie Sabinci in den letzten sechs Jahren im Land investiert. Zusammen gehört ihnen der türkische Energieversorger Enerjisa Enerji, der Millionen Türken mit Strom versorgt. Erst im Februar haben Eon und die Sabincis ihn zum Teil an die Börse gebracht.

Deshalb hat Teyssen ein starkes Interesse daran, dass die Türkei ihre wirtschaftliche Krise überwindet: Das Land leidet seit Monaten unter einer hohen Inflation und der starken Abwertung der Lira. Deshalb springt der Eon-Chef auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zur Seite. Der ist in Ankara unterwegs, um für die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen zu werben. Wie wichtig ihm das ist, betont Altmaier an den zwei Tagen in der türkischen Hauptstadt immer wieder. Seine Ausführungen gipfeln am Donnerstagabend in einer Rede bei einem Empfang mit deutschen und türkischen Unternehmen: „Ich bin sicherlich nicht der wichtigste Minister in der Bundesregierung“, sagt Altmaier da, „aber ich werde am stärksten an der Zusammenarbeit mit der Türkei arbeiten.“

Mehr als 7000 deutsche Firmen in der Türkei

Es sind neue Töne, die der Bundeswirtschaftsminister damit anschlägt. Schließlich war das Verhältnis der Deutschen zur Türkei lange angespannt. Nach dem Putschversuch 2016 hat die Türkei auch deutsche Staatsbürger verhaften lassen, ihnen Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen. Noch immer sitzen mindestens fünf Deutsche in der Türkei in Haft. Altmaier will das nicht schön reden. „Wir müssen darüber weiter diskutieren“, sagt er. Gleichzeitig dürfe man die deutsch-türkischen Beziehungen „nicht rein auf diese Frage reduzieren“.

Inzwischen haben beide Seiten aber wieder ein Interesse daran, enger zusammenzuarbeiten. Die Türkei ist angesichts der aktuellen Krise mehr denn je auf Investitionen aus dem Ausland angewiesen. Zudem ist Deutschland für die Türkei der wichtigste Exportmarkt. In kein Land verkaufen türkische Unternehmen mehr Waren als in die Bundesrepublik: In der Türkei werden Kleidung, Autos, Fahrzeugteile und Maschinen für den deutschen Markt gefertigt. Gleichzeitig sind mehr als 7000 deutsche Firmen in der Türkei aktiv.

Altmaier eilt von Termin zu Termin

Bereits im April hat Altmaier deshalb seine Mitarbeiter damit beauftragt, die Türkei-Reise für ihn zu organisieren – noch bevor der Besuch von Präsident Recep Tayyip Erdogan in Berlin feststand. Vor Ort eilt der Minister dann von einem Termin zum nächsten. Er trifft den Parlamentspräsidenten, den Finanzminister, die Handelsministerin. Er spricht mit türkischen Unternehmern, mit Vertretern von Stiftungen und Menschenrechtsorganisationen. Bis nach Mitternacht führt er Gespräche, bevor er sich am nächsten Morgen früh zum Frühstück mit dem türkischen Energieminister trifft. Begleitet wird er von einer großen Wirtschaftsdelegation, neben Eon-Chef Teyssen sind Vertreter von Metro, BASF, Steag und Thyssen-Krupp Marine Systems dabei.

„Es ist von großer Bedeutung, dass sich die wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei wieder normalisieren“, sagt Altmaier. Dabei geht es ihm allerdings längst nicht nur um die deutschen Firmen, die in der Türkei aktiv sind. Er verfolgt auch geopolitische Interessen. Im Syrienkrieg und der Flüchtlingskrise spielt das Land eine wichtige Rolle. „Wir sind dankbar dafür, dass die Türkei den Waffenstillstand in Idlib ausgehandelt hat“, sagt Altmaier. Gleichzeitig harren aktuell etwa drei Millionen Syrer in der Türkei aus: Viele von ihnen werden nur durch die strengen Grenzkontrollen im Land gehalten. Sollte sich die Wirtschaftskrise in der Türkei ausweiten, könnte das einen neuen Flüchtlingsstrom gen Deutschland auslösen.

Vereinbarung unterzeichnet

Altmaier hofft nun vor allem im Energiesektor auf eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei. Am Freitag unterzeichneten er und der türkische Energieminister Fatih Dönmez dazu eine Vereinbarung: Jährlich sollen sich künftig Energieunternehmer beider Seiten treffen. Zudem sollen sich Arbeitsgruppen mit der Frage beschäftigen, wie Deutschland und die Türkei bei Erneuerbaren Energien, Infrastruktur, Regulierung und Energieeffizienz besser zusammenarbeiten können. Die Ergebnisse sollen beim nächsten deutsch-türkischen Energieforum in Berlin diskutiert werden.

Ebenfalls jährlich treffen soll sich künftig eine deutsch-türkische Wirtschafts- und Handelskommission. Die ist ursprünglich bereits vor fünf Jahren gegründet worden, seitdem aber nicht mehr zusammengekommen. Altmaier setzt auch im Fall dieser Kommission auf Arbeitsgruppen, die Projekte aufsetzen sollen, um die Zusammenarbeit bei den Themen Handel, Industrie, Tourismus und Infrastruktur zu verbessern. Auch ein Austauschprogramm für Beamte ist geplant. Das haben Altmaier und Handelsministerin Ruhsar Pekcan schriftlich festgehalten. Sie sagt: „Es ist alles bereit für unsere neue Zusammenarbeit.“ Altmaier ist noch ein Stück optimistischer. Er sagt: „Wenn wir diese Aufgabe ernst nehmen, können wir in den nächsten drei Monaten mehr erreichen als in den letzten fünf Jahren.“

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