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Pflichtbesuch. Der deutsche Minister würdigte Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk mit einem Besuch des Mausoleums.
© dpa

Bundeswirtschaftsminister: Altmaier pflegt Wirtschaftsbeziehungen in der Türkei

Wirtschaftsminister Altmaier besucht mit Industriemanagern die Türkei. Die deutsche Industrie klagt über Einschränkungen und wirbt für Demokratie.

Vieles ist Handarbeit in der Werkshalle von Farhym nahe des Flughafens in Ankara. An langen Werkstischen fügen Mitarbeiter Lüfter in die Deckenverkleidung für Busse ein, es riecht nach Lack und Kleber. 250 Angestellte arbeiten hier in der Fertigung, weitere 15 in der Entwicklung, erklärt Bülent Akgöl. Er ist seit Februar Betriebsleiter bei der Firma, die sich auf die Innenausstattung von Bussen spezialisiert hat. Für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der am Donnerstagmorgen neben ihm in der Halle steht, ist Akgöl ein Vorzeigeunternehmer für die deutsch-türkische Zusammenarbeit. Farhym gehört zur deutschen Hymer-Gruppe aus dem Allgäu, die für ihre Campingwagen bekannt ist. Akgöl ist in Deutschland aufgewachsen, hat dort studiert und bei Mercedes gearbeitet, bevor er in sein Heimatland zurückkehrte. „Das zeigt, wie verflochten die deutsche und türkische Wirtschaft ist“, sagt Altmaier.

Deutsche Autos sind sehr teuer geworden

Zwei Tage ist der Minister in Ankara unterwegs, um die Wirtschaftsbeziehungen zu pflegen – derzeit keine leichte Aufgabe. Die Türkei leidet unter der Lira-Abwertung und der hohen Inflation, was auch ausländische Unternehmen derzeit zu spüren bekommen. Ein VW Passat zum Beispiel kostete in der Türkei vor einigen Monaten umgerechnet noch 150.000 Euro, inzwischen sind es 250.000 Euro. Entsprechend schwer fällt es deutschen Autoherstellern derzeit, ihre Wagen in der Türkei loszuwerden. Dazu kommt, dass Erdogan versucht, die Inflation quasi zu verbieten, indem er die Behörden gegen Händler vorgehen lässt, die die Preise anheben. Auch müssen ausländische Unternehmen inzwischen mindestens 80 Prozent ihrer Exporterlöse in türkische Lira umtauschen.

Der BDI vermisst Vertrauen

„Unsere Unternehmen in der Türkei werden in zunehmendem Maße in ihren Wirtschaftsaktivitäten eingeschränkt“, kritisiert Dieter Kempf, Präsident des Industrieverbands BDI. „Demokratische Strukturen sind maßgeblich, um das Vertrauen der Investoren wieder zurückzugewinnen.“ Altmaier ist sich dessen bewusst. „Die Türkei hat aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung Maßnahmen ergriffen, die es deutschen Unternehmen schwer macht“, sagt der Minister. „Darüber wollen wir offen und freundschaftlich sprechen.“ Das tat er am Donnerstag unter anderem bei einem Arbeitsessen mit dem türkischen Finanzminister Berat Albayrak, dem Schwiegersohn von Erdogan. Der Minister bestätigte anschließend: „Wir wollen die Zusammenarbeit mit Deutschland in allen Wirtschaftsbereichen stärken.“ Deutschland und die Türkei seien schließlich schon seit 200 Jahren enge Verbündete.

7000 deutsche Firmen sind in der Türkei

Gegenwärtig sind mehr als 7000 deutsche Unternehmen in der Türkei aktiv, sie beschäftigen 120.000 Mitarbeiter. Daimler zum Beispiel baut in der Türkei Busse und Lkw. Hugo Boss lässt in seinem weltweit größten Werk in Izmir Anzüge, Jacken und Shirts nähen. Eon versorgt mit dem türkischen Partner Sabanci fast neun Millionen Menschen in der Türkei mit Strom. Manche Firmen denken aufgrund der Schwierigkeiten allerdings aktuell über einen Rückzug nach. So soll der Oldenburger Versorger EWE, der rund 920 000 Türken mit Gas beliefert, derzeit einen Käufer für sein Türkei-Geschäft suchen.

Menschenrechte werden vage angesprochen

Altmaier bemüht sich, das Verhältnis zu verbessern. „Deutschland hat ein Interesse an stabilen und dynamischen Wirtschaftsbeziehungen mit der Türkei“, sagt er. Hoffnung setzt der Minister unter anderem in eine deutsch-türkische Handelskommission, die am Donnerstagabend in Ankara zusammenkam. Die Wirtschaftsvertreter sollen konkrete Projekte entwickeln, um die Rahmenbedingungen für Handel, Industrie, Tourismus und Infrastruktur zu verbessern. An diesem Freitag wird Altmaier zudem an einem deutsch-türkischen Energieforum teilnehmen. Zu Menschenrechtsfragen äußerte sich der deutsche Minister vage: Die Bundesregierung setze sich „weltweit“ für Menschenrechte und Pressefreiheit ein. Und es gebe Themen, die man sinnvollerweise „unter Freunden“ bespreche und nicht in der Öffentlichkeit diskutiere.

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