Integration: 34 000 Flüchtlinge haben einen Job
Hunderttausende Flüchtlinge suchen nach wie vor Arbeit. Auch bei den Ein-Euro-Jobs läuft es schleppend. Trotzdem profitiert der Arbeitsmarkt.
Die ersten Monate schrieb sich Alaa Ismail Begriffe wie Drehmeißel und Stirnfräser auf und klebte sie an Werkzeuge und Maschinen. Oft verstand er kein Wort, in der Produktionshalle des Berliner Unternehmens Tornado Antriebstechnik. Mittlerweile macht der 18-Jährige, der vor zwei Jahren aus dem Libanon nach Deutschland geflohen ist, hier eine duale Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker. „Das mit der Sprache ist noch immer schwierig“, erzählt er. Für seinen Job bräuchte er ein Extra-Wörterbuch. „Obwohl ich auch nicht weiß, wie all die Fachwörter auf arabisch heißen.“
Ismail ist einer von 25 Geflüchteten, die seit vergangenem März an dem Programm „ME Starter“ teilgenommen haben. Der Verband der Metall- und Elektronindustrie Berlin-Brandenburg unterstützte sieben Unternehmen dabei, den Jugendlichen einen Praktikumsplatz zu geben und sie zu betreuen. Was aufwendig ist, weil sie die deutsche Sprache erst lernen und andere Regeln gewohnt sind. Schutzbrille und Sicherheitsschuhe kennen sie nicht. 23 der 25 Teilnehmer sind seit kurzem Azubis. Zwei studieren. Damit hatten der Verband und die Unternehmen nicht gerechnet.
34000 Geflüchtete haben Job gefunden
Die Integration der Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt ist immerhin mühsam. Von Dezember 2015 bis November 2016 schafften es 34000 Einwanderer aus den acht außereuropäischen Ländern, aus denen die meisten Asylbewerber kommen, auf den ersten Arbeitsmarkt. „Das sind unter anderem Syrien, Irak, Afghanistan, Nigeria, Eritrea und Nigeria“, sagte Joachim Möller, Direktor des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), am Montag. Rund jeder Fünfte jobbt als Leiharbeiter (22 Prozent). Fast ebenso viele arbeiten als Nicht-Zeitarbeiter im Dienstleistungssektor „Nimmt man das Gastgewerbe dazu, sind 57 Prozent der Menschen in diesen Bereichen beschäftigt“, sagte Möller.
Demgegenüber steht die Zahl von 406000 Flüchtlingen, die als arbeitssuchend gemeldet sind und zum Beispiel einen Integrationskurs besuchen. Etwa 160000 sind als arbeitslos erfasst.
Nahles hat Zielvorgabe noch nicht erreicht
Im vergangenen Jahr und in den ersten elf Monaten dieses Jahres beantragten laut Bundesinnenministerium knapp 1,2 Millionen Menschen hierzulande formell Asyl. Die Mehrheit von ihnen werde nicht in ein oder zwei Jahren in Arbeit sein, sagte Möller. „Wenn wir es geschafft haben, nach fünf Jahren 50 Prozent in Lohn und Brot zu bekommen, ist das sicherlich ein Erfolg.“ In die Integration müsse investiert werden.
Als Instrument gegen die Arbeitslosigkeit hat Arbeitsministerin Andrea Nahles vor vier Monaten ein Ein-Euro-Job-Programm für Flüchtlinge initiiert. Bisher sind dadurch aber nur wenige Jobs geschaffen worden. „Nach ersten Zahlen entstanden bisher rund 5000“, sagte Möller. Das Programm soll 100000 öffentlich geförderte Jobs für Flüchtlinge schaffen.
Beamtenbund fordert weitere Stellen
Durch die Flüchtlingsmigration entstanden aber auch neue Arbeitsplätze. „Wir rechnen mit einer Größenordnung im mittleren fünfstelligen Bereich, mit etwa 50000 oder 60000", sagte Möller. „Beschäftigungszuwachs gab es etwa im Bau, bei außerschulischen Lehrtätigkeiten und Sprachlehrern, Wachleuten, Sozialarbeitern und in der öffentlichen Verwaltung.“
Der Beamtenbund dbb fordert weitere Stellen. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe es rund 5000 und bei der Bundespolizei etwa 2000 zusätzliche Jobs gegeben. „Doch bei den Kommunen – etwa im Erziehungsdienst, in den Schulen, bei der Justiz und den Landespolizeien – klaffen noch immer große Lücken“, sagte der dbb-Vorsitzende Klaus Dauderstädt. „Insgesamt schätzen wir den dadurch entstehenden zusätzlichen Personalbedarf auf rund 30000 Stellen.“
Bilanz kann noch nicht gezogen werden
Diese grobe Einschätzung stammt allerdings vom Anfang des Jahres. Eine Bilanz über die Auswirkungen auf die Wirtschaft kann wohl erst nach fünf oder zehn Jahren gezogen werden. „Es wird vermutlich keine Überschussrechnung sein. Aber Vielfalt kann auch produktiv sein.“, meint Möller.
Manche Kollegen von Alaa Ismail waren im Frühjahr zunächst skeptisch. „Da muss man als Chef eben mal deutlich werden“, sagte Geschäftsführer Norbert Mensing. Ismail sagt, er fühlt sich wohl, möge seine Ausbildung. Und wenn er in der Berufsschule etwas nicht versteht, dann googlet er das Bild zum Wort. mit dpa