Integration in den Arbeitsmarkt: „Das ist hier ein verdammt anstrengendes Land“
Sigmar Gabriel lobt Unternehmen, die Flüchtlinge einstellen - obwohl es zäh bleibt. Im nächsten Jahr wird ihre Integration noch wichtiger.
Zwei Geflüchtete haben bei dem Familienbetrieb in Osnabrück ein Praktikum gemacht. Einer von ihnen beginnt im nächsten Jahr seine Ausbildung. Heifo, Unternehmen für Kälte- und Klimatechnik, wurde am Donnerstag als tausendstes Mitglied des Netzwerks „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ geehrt. Und führte gleichzeitig vor, warum die Beschäftigung von Geflüchteten so schwierig ist.
Um mehr als zwei Geflüchtete könnten sich die Kollegen aus Kapazitätsgründen nicht kümmern. Die Betreuung ist intensiv, die Verständigung nicht leicht. „Was wir machen, ist nicht ungefährlich“, sagte Geschäftsführer Martin Rüterbories. „Deswegen müssen die Anweisungen genau verstanden werden.“ Die Deutschkenntnisse des einen Praktikanten seien für eine Ausbildung zu gering. Das sei nicht machbar. Wegen des speziellen Vokabulars in Berufen wie seinem hält Rüterbories berufsbegleitende und berufsbezogene Kurse für sinnvoll.
Herausforderung für Jahre
Zu dem Netzwerk gehören mittlerweile mehr als 1000 Unternehmen, die in den vergangenen neun Monaten 2500 Geflüchtete als Praktikant, Lehrling, Fach- oder Hilfskraft eingestellt haben. Es tut sich etwas, aber langsam. Zäh. „Auch deswegen“, sagte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), „weil wir anfangs dachten, das wird ganz leicht“. Wurde es nicht.
In diesem Jahr besuchten sehr viele Geflüchtete einen Deutsch- oder Integrationskurs. Deswegen geht es im nächsten Jahr – und den Jahren darauf – noch stärker um ihre Integration in den Arbeitsmarkt als bisher. „Das wird noch eine ganz andere Herausforderung“, sagte Eric Schweitzer, Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Wenn ihre Asylverfahren abgeschlossen sind und sie sich in keinen Maßnahmen der Arbeitsagentur mehr befinden, werden sie außerdem als Arbeitslose registriert. Was die Statistik verändern wird.
Vorteile der Ausbildung erklären
Schweitzer sieht die Chancen, Geflüchtete einzustellen, darin, dass die Schülerzahlen immer kleiner und der Fachkräftemangel größer wird. Er sei derzeit das größte Problem für deutsche Unternehmen. Trotz allem, was auf der Welt geschieht. „Es geht um gesellschaftliche Verantwortung und unternehmerisches Handeln“, sagte er. Wichtig sei es, die bürokratischen Regelungen zu vereinfachen, die Einstellung praktikabler zu machen.
Außerdem sprach sich Schweitzer für begleitende Deutschkurse aus. Für Theorie und Praxis in einem Paket. Wie bei der dualer Ausbildung.
SPD-Chef Gabriel sagte, der Einsatz kleiner und mittelgroßer Betriebe sei beeindruckend. Es bleibe aber viel zu tun: „Manche der zu uns kommenden Flüchtlinge denken nach wie vor, es gäbe nur zwei Alternativen – sofort zu arbeiten oder zu studieren.“ Die Ausbildung würden sie als eine schlecht bezahlte Hilfstätigkeit verstehen. Ihre Vorteile müssten ihnen weiterhin erklärt werden. „Fachkräfte stehen am Ende, nicht am Anfang“, sagte er. Rund 22 Monate soll es dauern, bis eine duale Ausbildung möglich ist, drei bis fünf Jahre, bis ein Geflüchteter vollständig in den Arbeitsmarkt integriert ist.
Arbeitskultur ist stressig
Was für die Geflüchteten neu sei, sei auch die deutsche Arbeitskultur. Die Menschen müssten sehr effizient, unter einem hohen Druck, arbeiten. „Das ist hier ein verdammt anstrengendes Land“, sagte Gabriel. So wichtig die Integration auch sei – sie dürfe aber nicht dazu führen, dass andere vernachlässigt werden. Ein „Flüchtlingswohnungsbau“ wäre ein falsches Signal. Schulabbrecher ohne Migrationshintergrund müssten genauso aufgefangen werden wie junge Männer aus Syrien. Bis 2018 wird das Netzwerk vom Wirtschaftsministerium mit 2,8 Millionen und vom DIHK mit 700000 Euro gefördert.
Im Herbst hatte Gabriel die Dax-Unternehmen gemahnt, sich stärker zu engagieren. Das habe sich gebessert. Sie hatten bis Anfang Juni nur 54 Flüchtlinge eingestellt. Davon allein 50 bei der Deutschen Post. „Wir nennen sie nicht Migranten“, sagte Jürgen Gerdes, Vorstandsmitglied der Deutschen Post, am Donnerstag. „Sondern Kollegen.“ Marie Rövekamp