Kolumne: So läuft es: Wir brauchen keine Rechtfertigung fürs Laufen
Mit dem Laufen verhält es sich langsam wie mit der veganen Ernährung. Je angesagter es wird, desto öfter wird es abgelehnt.
Mit dem Laufen verhält es sich langsam wie mit der veganen Ernährung. Je angesagter es wird, desto öfter wird es abgelehnt. In der Wahrnehmung vieler laufen derart viele Menschen, dass es denen, die nicht laufen, Angst macht. Oder aber sie haben ein schlechtes Gewissen, weil sie es eben nicht tun. Anstatt das einfach zuzugeben, reagieren sie genervt. Im besten Fall lässt man uns weiterlaufen. Nur wenn das Laufen quasi so militant wird beim Veganer, der eine Religion aus seinen Essgewohnheiten macht, dann wird die Zündschnur plötzlich sehr sehr kurz.
Menschen, die in ihrer Mittagspause laufen, anstatt in der Kantine unnötige Kalorien zu sich zu nehmen, werden schnell zu Gesundheitsjunkies mit Hang zur Magersucht. Manager, die auf Geschäftsreisen zwischen Meetings laufen, werden zu Leistungshengsten, die nicht nur im Job top sein müssen, sondern die sich auch noch beim Laufen miteinander messen. Leuten, die regelmäßig Wettkämpfe bestreiten, die nahezu täglich laufen, und vielleicht dabei auch noch auf ein modisches Outfit achten, wird die Sucht nach Selbstoptimierung unterstellt. Männer, die mit Anfang 40 beginnen, Marathon zu laufen, laufen von ihren Frauen weg. Und natürlich der Midlife Crisis.
Mal ehrlich. Was ist daran verurteilenswert? Ist es nicht besser, der Midlife-Crisis- Mann läuft Marathon, als dass er mit der Nachbarin oder Bäckereifachverkäuferin durchbrennt? Ist es nicht völlig okay, wenn man sich die dicke Mehlschwitze aus der Kantine klemmt und stattdessen rennt? Was ist falsch daran, Leistung zu bringen und dabei ein bisschen geil auszusehen? Ist es wirklich verwerflich, wenn man schlank ist; wenn man ein sportliche Ausstrahlung hat und dadurch ein wenig mehr Erfolg im Job oder beim anderen Geschlecht hat? Welche Gründe sprechen dagegen, morgens eine Stunde länger zu schlafen und dafür in der Mittagspause Sport zu treiben? Was spricht denn nun wirklich gegen Bewegung? Ist es cooler, sich mit dem angefetteten Körper nur von der Couch zum Kühlschrank und wieder zurück zu schleppen? Und neidisch auf alle die zu sein, die regelmäßig ihren Schweinehund überwinden und laufen?
Ich finde, es geht total in Ordnung, daraus eine Religion zu machen. Und das hat einen wichtigen Grund. Das Wort Religion hat seinen Ursprung im Lateinischen „religio“, die gewissenhafte Berücksichtigung, Sorgfalt, oder auch relegere also „bedenken“, „achtgeben“. Und nun kommen wir mal zum Punkt: Es ist nichts falsch daran, andere davon zu überzeugen, achtzugeben. Auf sich achtzugeben. Zu bedenken, wie man mit sich und dem Körper umgeht. Nichts ist falsch daran. Im Gegenteil. Gerade in einer schnelllebigen Leistungsgesellschaft, sollten wir viel mehr achtgeben. Auf uns, auf andere, darauf uns zu bewegen. So läuft es.
Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität