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Dirk Nowitzki verkündete seinen Rücktritt bei seinem letzten Heimspiel in Dallas.
© Kevin Jairaj-USA TODAY Sports/Reuters

Rücktritt des Basketball-Superstars: Wie wir den zwölfjährigen Nowitzki besiegten

Eine der größten deutschen Sportkarrieren geht zu Ende. Unser Autor traf schon 1991 erstmals auf Dirk Nowitzki. Eine persönliche Erinnerung.

Aus reinem Eigennutz hatte ich eigentlich gehofft, dass Dirk Nowitzki seine Karriere noch um ein weiteres Jahr fortsetzen möge. Ich wollte einfach noch nicht in meinen Keller hinabsteigen und in dem dortigen Chaos nach einer Kiste mit einem Foto aus dem Jahr 1991 suchen müssen. Es sollte das Beweisfoto werden für eine persönliche Geschichte, die eigentlich nur für mich eine größere Bedeutung hat, aber die ich vielleicht anlässlich seines Rücktritts auch der Zeitung unterjubeln könnte: Nämlich, dass meine Mannschaft einem der besten Basketballer aller Zeiten die wahrscheinlich erste Niederlage in seiner Vereinsbasketballkarriere beigebracht hat. Am Mittwochmorgen habe ich mich dann durch die Kisten gewühlt.

In der Nacht zu Mittwoch hat Dirk Nowitzki in Dallas das Ende seiner großartigen und unvergleichlichen Karriere bekannt gegeben. „Das war mein letztes Heimspiel“, sagt der 40-Jährige gerührt. Er geht als einer der größten deutschen Sportstars aller Zeiten, und, wenn man Größe wörtlich nimmt, ist er mit 2,13 Metern sogar der Allergrößte. In seiner 21. und letzten NBA-Saison bei den Dallas Mavericks hat er noch einmal ein paar Rekorde gebrochen, vor allem ist er inzwischen vor der NBA-Legende Wilt Chamberlain und gar nicht so weit hinter dem fünftplatzierten Michael Jordan der sechstbeste Werfer der NBA-Geschichte.

Neben zahlreichen persönlichen Auszeichnungen ragt der NBA-Titel 2011 mit den Dallas Mavericks heraus. Die deutsche Nationalmannschaft, die in der Regel nicht zur absoluten Weltspitze zählt, führte er immerhin zu WM-Bronze 2002, EM-Silber 2005 und den Olympischen Spielen 2008 in Peking. „Es war eine unglaublich Reise“, sagte Nowitzki in der Nacht zu Mittwoch. Und für eine kurze Zeit haben sich auf dieser Reise unsere Wege gekreuzt, vor allem ganz am Anfang.

Es war im Sommer 1991, als ich Dirk Nowitzki zum ersten Mal auf dem Basketballfeld gesehen habe. Ich trainierte die D-Jugend des TSV Ismaning, eine Gemeinde im Landkreis München, die eher für Krautköpfe als für Basketball bekannt ist. Bei der Bayerischen Meisterschaft in Augsburg trafen wir auf die DJK Würzburg, und mir war schon im Vorfeld bewusst, dass die Würzburger einen gewissen Dirk Nowitzki in ihren Reihen hatten. Allerdings nur, weil mir die Lektüre der „Bayern-Basket“ verraten hatte, dass seine vier Jahre ältere Schwester Silke Nowitzki zu diesem Zeitpunkt bereits in mehreren Basketball-Auswahlmannschaften stand.

Ihr zwölf Jahre alter Bruder hingegen spielte zu diesem Zeitpunkt lieber Tennis und Handball, und war nur durch den Würzburger Nachwuchstrainer Pit Stahl und seinen Cousin Holger Grabow zum Basketball gelockt worden. Die Bayerische Meisterschaft in Augsburg war sein erstes Turnier mit einer Klubmannschaft, wie mir Stahl später einmal erzählte.

Frühe Einblicke. Unser Autor trat als Trainer einer Jugendmannschaft bereits 1991 gegen Dirk Nowitzki (Nummer 14) an.
Frühe Einblicke. Unser Autor trat als Trainer einer Jugendmannschaft bereits 1991 gegen Dirk Nowitzki (Nummer 14) an.
© Privat

Wir aber haben an jenem sonnigen Sonntagvormittag in Augsburg gegen Dirk Nowitzki und seine Würzburger gewonnen. Es war ein Spiel, das keine Bedeutung hatte, weil wir schon Gruppenletzter und Würzburg schon Gruppenerster war und am Ende auch Bayerischer Meister geworden ist. Im Rückblick lässt sich allerdings festhalten, dass diese Niederlage Dirk Nowitzkis erste mit einer Vereinsmannschaft war. Was natürlich nur eine unbedeutende Fußnote für ihn und die meisten Menschen ist. Nicht aber für den Autor dieser Zeilen.

Das Beweisfoto oben zeigt den Ismaninger Centerspieler Hermann Riel, der den Sprungball gegen Dirk Nowitzki verliert. Dieser trug schon damals die Nummer 14, wie auch in seiner gesamten Karriere in Würzburg und in der Nationalmannschaft. Als er 1999 zu den Mavericks kam, war diese Nummer allerdings durch Robert Pack besetzt. Also drehte Dirk Nowitzki die Ziffern seiner Lieblingsnummer einfach um. Mit der Folge, dass das Mavericks-Trikot mit der Nummer 41 nun in der ganzen Welt verehrt und geliebt wird.

Ein Poster von Scottie Pippen an der Wand

Als Nachwuchstrainer in Ismaning habe ich zu Beginn der 90er Jahre immer öfter von Dirk Nowitzki gehört. Erst durch meine drei Spieler aus der Bayern-Auswahl, die nach jedem Lehrgang nach Hause kamen und von den Fähigkeiten des Würzburger Teenagers schwärmten. Später führte er sie zum Deutschen Meistertitel der Auswahlmannschaften des Jahrgangs 1978. In der Bayern-Auswahl hatte er dann auch seine erste Freundin. Es war die Zeit, als ein Poster von Scottie Pippen von den Chicago Bulls in seinem Würzburger Jugendzimmer hing. In der Nacht zu Mittwoch hat ihn genau dieser Scottie Pippen mit vielen anderen NBA-Legenden verabschiedet.

Später traf unser Autor Dirk Nowitzki unter anderem in Dallas als Sportjournalist wieder.
Später traf unser Autor Dirk Nowitzki unter anderem in Dallas als Sportjournalist wieder.
© Privat

1995 sah ich Dirk Nowitzki noch einmal bei der Bayerischen Meisterschaft der B-Jugend. Schon mit 16 Jahren fiel er durch seine Größe von vielleicht zwei Metern auf. Bemerkenswert, dass ihn sein Trainer dennoch konsequent von der Flügelposition aus werfen ließ, obwohl er unter dem Korb seiner Mannschaft viel mehr geholfen hätte. Würzburg verlor dann auch das Halbfinale gegen München Basket. Für die Entwicklung Dirk Nowitzkis zum sechstbesten Werfer der NBA allerdings zeugte Pit Stahls Maßnahme von großer Weitsicht.

Dass er allerdings diese unfassbare Karriere machen würde, hat er seinem Talent, seinem Fleiß und Holger Geschwindner zu verdanken, den er 1995 zum ersten Mal traf. Der ehemalige Basketball-Nationalspieler wurde sein persönlicher Trainer, Mentor und väterlicher Freund. Der eigenwillige Geschwindner setzte von Anfang an die höchsten Ziele: „Wir mischen die NBA auf.“ Und sollte Recht behalten.

Ich sah Dirk Nowitzki fortan nicht mehr als Trainer auf dem Basketballfeld, dafür in meiner neuen Rolle als Sportjournalist. Zunächst schlug ich allerdings erfolglos eine Geschichte über ihn vor. Anfang 1998 antwortete ein Redakteur einer großen deutschen Zeitung auf meinen Vorschlag, über das „größte deutsche Basketballtalent“ schreiben zu wollen. „Das hat man über Vladimir Bogojevic auch gesagt.“ Zudem nerve Holger Geschwindner mit seinen Anrufen in der Redaktion. Die Zeitung schrieb dann einige Zeit später doch über ihn.

Größe auch in der Niederlage

Nach einer schwierigen und wegen eines Streiks auch verkürzten Rookie-Saison 1999 zeichnete es sich dann schon in seiner zweiten Saison bei den Dallas Mavericks ab, dass es eine große, vielleicht sogar ganz große Karriere werden würde. Auch weil er bei der EM 2001 in der Türkei bereits bester Werfer aller Mannschaften war. Ich hatte in der Vorrunde in Antalya von den Presserängen allerdings nicht bemerkt, dass Dirk Nowitzki zunächst fehlte. Er war vor dem ersten Sprungball in die Kabine gegangen und hatte sich vor Aufregung übergeben müssen. Und erzielte dann gegen Estland 33 Punkte.

Das wirklich Besondere aber an ihm ist seine Fröhlichkeit, Freundlichkeit und Menschlichkeit, die er sich auch im Erfolg bewahrt hat. Welcher Spieler verzichtet schon freiwillig auf Millionen von Dollar, nur damit sein Verein mehr Geld hat, um Spieler zu verpflichten? Seine Größe zeigte sich auch im Umgang mit einer der wenigen großen Niederlagen seines Lebens: Als sich die Frau, die er heiraten wollte, als Betrügerin herausstellte. In Frankfurt sprach er 2009 auf einer Pressekonferenz bei einem Sponsor ungewöhnlich offen und gefasst über diese persönliche Tragödie.

Inzwischen aber hat er auch privat in Dallas sein Glück gefunden. Mit der Schwedin Jessica Olsson und den Söhnen Max und Morris sowie der Tochter Malaika. „Ich bin froh, dass jetzt mein anderes Leben beginnt“, sagte Dirk Nowitzki am Mittwoch. Wer gesehen hat, mit welcher Freude er im Krankenhaus auch mit fremden Kindern herumalbert, der ahnt, dass es eine sehr gute Zeit wird.

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