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Helfer stellen bei den Vorbereitungen im Olympiastadion die Hürden auf der Laufbahn auf.
© Michael Kappeler/dpa

Leichtathletik-EM: Wie Berlin selbst Europameister werden kann

Ins Berliner Olympiastadion werden mehr Zuschauer kommen als bei vorangegangenen Europameisterschaften. Aber nicht nur deshalb könnte die EM etwas bewegen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Friedhard Teuffel

Jetzt sind die Sommerprofis in der Stadt. Die auch bei Hitze Höchstleistungen bringen können. Darauf sind die Leichtathleten trainiert, und das ist schon mal eine gute Voraussetzung für die Europameisterschaften in dieser Woche in Berlin. Hier wird sich keiner gehen lassen, trödeln gibt’s nicht. Aber sonst?

Gemessen werden bei einem solchen Ereignis schließlich nicht nur Zeiten und Weiten, sondern auch Zuschauerzahlen im Stadion und am Fernseher. Und es droht eine Rechnung unter falschem Vorzeichen: Dass nämlich die leeren Plätze im Olympiastadion gezählt werden, nicht die besetzten. Dem anwesenden Publikum könnte unterstellt werden, der Leichtathletik beim Altern zuzuschauen, wie sie aus der Zeit rennt und springt.

Dabei hat Berlin beste Chancen, selbst Europameister der Leichtathletik zu werden. Denn ins Olympiastadion, das steht so gut wie fest, werden mehr Zuschauer kommen als bei vorangegangenen Europameisterschaften. Trotz der Ferien. Trotz der Hitze. Und obwohl die Leichtathletik sicher glorreichere Zeiten erlebt hat, als sie noch im Zentrum der Aufmerksamkeit stand und Dopingkontrollen noch nicht stattfanden.

Es sind nicht mehr viele Stadien in Deutschland geblieben, in denen solch eine Meisterschaft überhaupt noch ausgetragen werden kann. Nach Berlin passt die Leichtathletik jedoch besonders gut. Berlin schmückt sich zu Recht mit seiner Vielfalt, und es gibt keine Sportart, in der schon äußerlich so viele verschiedene Typen zu finden sind, von kleinen zierlichen Langstreckenläuferinnen bis hin zu großen mächtigen Diskuswerfern.

Schnellste Stadt der Welt

Da hier sowieso nicht die Bescheidenheit erfunden wurde, könnte Berlin damit werben, die schnellste Stadt der Welt zu sein. Hier wurden die bestehenden Weltrekorde in der kürzesten und der längsten olympischen Strecke gelaufen. Im Marathon. Und im 100-Meter-Sprint.

Kein Mensch ist je schneller gerannt als Usain Bolt vor neun Jahren bei der WM auf der blauen Bahn des Olympiastadions. Bolts kongenialer Partner startet auch bei dieser EM. Berlino hatte bei der WM 2009 mit seinem originellen Unterhaltungsprogramm das Urteil widerlegt, dass Maskottchen immer peinlich und nur fürs Marketing geschaffen sind. Ob diese Europameisterschaften auch atmosphärisch ein Erfolg werden, hängt freilich an weit mehr als der Frage, ob Berlino noch mal seine WM-Form von 2009 findet. Vor allem daran, wie die Leichtathletik selbst auftritt.

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Zu viel Neues darf man nicht verlangen. Denn wie soll eine Sportart neu erfunden werden, die schon immer da war? Mit den Eigenheiten dieser Sportart muss die EM in Berlin vielmehr offensiv umgehen. Also damit, eine komplexe Sportart zu sein. Und eine, die aus natürlichen, ja gewöhnlichen Bewegungen besteht.

Damit haben die Organisatoren schon begonnen, als sie das Programm strafften und ein zusätzliches Mini-Stadion mitten in die Stadt an den Breitscheidplatz stellten. Publikum und Hochleistungssportler sollen sich näherkommen, weil sie sich gut verstehen könnten. Die Athleten der Mittel- und Langstrecken etwa sind eigentlich die schnellsten Parkläufer des Kontinents. Und die Wettbewerbe leben mehr vom Überwinden des inneren Schweinehunds und dem fairen Kräftemessen als von absoluten Zahlen.

Es könnte ein Wettbewerbsziel dieser EM sein: aus dem Alltäglichen der Leichtathletik das Besondere machen.

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