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Leichtathletik-WM - 100 m Staffel Männer
© dpa

Maskottchen: Berlino, der Weltmeister

Er läuft falsch und manchmal fällt er um – aber das alles hat seine Richtigkeit. Berlino macht das, was Maskottchen sonst nicht tun: Er treibt Sport. So ist er zum Star der WM geworden

Als erstes müssen wir uns entschuldigen. Bei Berlino. Denn wir haben ihm bitteres Unrecht angetan. Wir haben berichtet, dass Berlino die Bahn falsch herum läuft auf den ersten Aufklebern der WM und hielten das für eine sensationelle Enthüllung. Ist vom Fußball ausgeliehen, dieses Untier, dachten wir. Aber es ist alles ganz anders. Das haben wir im Stadion gesehen. Berlino muss falsch herum laufen. Weil er den Läufern doch entgegenkommt, um mit ihnen zu feiern. Wenn Berlino gerade einen schüchternen Moment erwischt hat, hält er nur seine Tatze zum Abklatschen hoch. Sonst nimmt er auch schon mal eine Läuferin Huckepack. Oder wirft Steffi Nerius um.

Zu unserer Verteidigung können wir nur erklären, dass Berlino auch nicht so leicht zu verstehen ist. Er sagt ja nix. Wir haben es auch schon probiert, aber da ist leider nichts zu machen. Immerhin konnte herausgefunden werden, dass Berlino eine Bärenfamilie ist. Drei Berlinokostüme soll es geben, aber wir haben es nicht mehr geschafft, sie farblich zu markieren, um sie besser auseinanderhalten zu können.

Aus den Pressesprechern des Organisationskomitees sind im Laufe der WM übrigens Berlino-Pressesprecher geworden. Es wurde auch angeboten, in Berlinos Namen ein Interview zu führen. Aber darauf haben wir uns nicht eingelassen. Da muss man schon drinstecken. Schauspieler sollen es sein, keine Studenten, die von Montag an wieder im Copyshop arbeiten.

Berlino hat viele Freunde gefunden. Sein bester ist Usain Bolt. Erst trug Bolt auf seinem T-Shirt „Ich bin ein Berlino“, dann trug Berlino „Ich bin ein Bolt“. Telefonnummern hätten sie auch schon ausgetauscht, sagt Bolt. Das Verhältnis zu Robert Harting muss sich noch entwickeln. Beinahe wäre Berlino dem Diskuswerfer den Buckel runtergerutscht, als der ihn hochhob. Aber dazu soll Harting selbst noch was sagen. Was wiegt denn so’n Berlino, Herr Harting? „Och für’n Bär ist der nicht schwer, 60, 70 Kilo. Aber der hat mir gleich seine Pranke ins Gesicht gehauen, da musste ich ihn erstmal wegräumen.“

Berlino trug von dieser Auseinandersetzung einen kaputten Träger seines T-Shirts davon. Am Samstag nach dem Hammerwerfen hat er dann seine Fans endgültig zum Ausrasten gebracht, als er sein Hemd auszog und damit herumwedelte. Die Zahl der ohnmächtig umgekippten Groupies wird das Organisationskomitee sicher nachreichen.

Es ist ein medizinisches Wunder, dass Berlino überhaupt bis zum Ende der WM durchgehalten hat. Nicht nur, weil sein Kostüm nicht aus atmungsaktiver Funktionsfaser genäht war. Nein. Berlino hatte einen Unfall. Nachzusehen im Internet. Mit einer jamaikanischen Läuferin auf dem Rücken und gesenktem Kopf rannte er die Bahn runter. Da stand nur leider ein Wagen mit Hürden. Berlinos Kopf prallte gegen den Wagen, die Läuferin fiel herunter, Berlino freute sich und der Wagen setzte sich in Bewegung.

Wenn Berlino gerade nicht konnte, schwenkte die Kamera auf seine kleinen Plüschgeschwister. Die saßen neben der Weitsprunggrube oder am Brandenburger Tor oder durften mitfahren über den Rasen des Stadions auf dem ferngesteuerten Speertransporter. Beknackt sähen die kleinen Berlinos aus, wurde gelästert, aber so ist das oft in der Maskottchenwelt, seine wahre Schönheit entfaltet sich erst, wenn es ausgewachsen ist. Es war auch keine Panne, dass die kleinen Berlinos erst Anfang August zu kaufen waren. Sie sind nämlich inzwischen ausverkauft.

WM vorbei, Berlino ausverkauft – und jetzt? Gar nicht vorstellen mag man sich, dass Berlino ausgestopft ins Museum kommen könnte, ganz egal ob ins Sportmuseum oder ins naturhistorische. Berlin könnte Berlino nach Jamaika verschenken, dann hätte Berlin nicht nur eine Partnerstadt, sondern ein ganzes Partnerland, und Usain Bolt würde sein ganzes Sportlerleben lang ohne Gage zum Istaf kommen.

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