Mit Crowdfunding zu den Olympischen Spielen: Was ein Sprinter tut, weil die großen Sponsoren fehlen
Viele kleine Geldgeber, statt ein großer – das Konzept Crowdfunding ist auch im Sport angekommen. Der Berliner Sprinter Marc Koch versucht es nicht als Erster.
Für seinen großen Traum öffnet Marc Koch erst einmal das Haushaltsbuch: 620 Euro Miete kostet dieser Traum ihn zurzeit jeden Monat zusätzlich, dazu kommen 250 Euro für Flüge und Bustickets sowie 120 Euro für Physiotherapie, 25 Euro für Pilates-Kurse und noch einmal 30 Euro Gebühr, um im Stadion trainieren zu können. Macht insgesamt also 1045 Euro.
Fein säuberlich hat der Berliner 400-Meter-Sprinter seine Ausgaben online aufgegliedert. Das soll Interessierten zeigen, wie dringlich sein Anliegen ist: Damit er im Sommer zu den Olympischen Spielen nach Tokio fahren kann, will Koch in den kommenden drei Wochen 8000 Euro via Crowdfunding sammeln.
Das Konzept Crowdfunding: Viele kleine Sponsoren, statt ein großer
Im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Spende wird die Zielsumme dabei bereits im Vorhinein festgesetzt und auch nur dann ausgezahlt, wenn das Geld innerhalb eines festen Zeitraums tatsächlich vollständig zusammenkommt. Viele kleine Sponsoren, statt ein großer Geldgeber – das ist das Konzept.
Dafür macht sich Koch transparent. „Natürlich musste ich mich dazu erst mal durchringen“, sagt er, betont dann jedoch: „Das ist ja keine Schwäche, sondern ich bin einfach nur ehrlich.“ Und diese Ehrlichkeit soll private wie geschäftliche Sponsoren dazu ermuntern, ihn auf seinem Weg nach Tokio zu unterstützen.
Diesen Weg bestreitet Koch zurzeit in Birmingham. Dort trainiert der 25-Jährige seit Oktober unter Coach Tony Hadley, der bereits Topsprinter wie die Europameister Du’aine Ladejo oder Matthew Hudson-Smith formte. Nach zehn Jahren Training in Berlin erhofft sich Koch nun den letzten Push in Richtung Olympia.
Crowdfunding ist auch im Sport nicht mehr vollkommen ungewöhnlich
„Der Riesenunterschied ist einfach, dass ich nie eine Einheit habe, in der ich mich ausruhen oder mal nicht 105 Prozent geben kann“, erklärt er. In Birmingham trainiert er gemeinsam mit Spitzenathletinnen und -athleten aus Großbritannien und dem Sudan, in Berlin musste er sich oft „alleine durchquälen“, wie er sagt – es fehlten schlicht die passenden Trainingspartner.
Das höhere Tempo kannte er sonst nur von Wettkämpfen. „Das waren sonst 44 Sekunden, in denen ich das gespürt habe. Und hier merke ich das jeden Tag“, sagt Koch. Er merkt es jedoch auch am Geldbeutel. Denn von der Situation, sich mit seinem Sport vollständig refinanzieren zu können, ist der Deutsche Hallenmeister von 2017 weit entfernt.
Sein Studium an der HTW in Berlin für den Olympia-Traum aufzugeben, kam deshalb für ihn nicht infrage. Lieber nahm er die Pendelei auf sich. Alle vier Wochen kehrt er nun nach Berlin zurück, etwa um an der Uni Vorträge zu halten. Das bedeutet doppelte Miete und Reisekosten, die er nur durch Sponsoren stemmen kann.
Doch die zu finden, ist häufig schon für international erfolgreiche Athletinnen und Athleten schwierig genug. Die Unternehmen setzen auf Reichweite. Und die fehlt der Leichtathletik in Deutschland weitgehend. „Dafür bin ich halt einfach nicht groß genug“, sagt auch Koch. Ein Interessent brachte ihn so auf die Idee mit dem Crowdfunding.
Das Konzept ist auch in Sportkreisen inzwischen nichts mehr völlig Ungewöhnliches. Die Internetplattform Fairplaid.org hat eigenen Angaben zufolge seit 2012 über 850 Projekte mit einer Gesamtsumme von mehr als sechs Millionen Euro finanziert. Der Berliner Maximilian Kessler oder die Düsseldorferin Djamila Böhm waren etwa bereits vor Koch erfolgreich.
Und so setzt auch Marc Koch nun auf die Schwarmfinanzierung. Mit einem Video will er sich und seine Geschichte präsentieren, verschiedene Prämien – von der Packung Kaffeebohnen bis zum Motivationsvortrag – sollen Interessierten die Unterstützung auf seiner Projektseite schmackhaft machen. „Ich habe erst mal nur Plan A“, sagt Koch. Und der heißt: Mit dem Schwarm nach Tokio.
Leonard Brandbeck