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Hinterhergelaufen. Gina Lückenkemper hatte sich mehr erhofft in Doha.
© Jewel Samad/AFP

Bilanz der Leichtathletik-WM in Doha: Deutschland verliert den Anschluss an die Weltspitze

Die zwei Goldmedaillen bei der WM in Doha können nicht darüber hinwegtäuschen: Die deutschen Leichtathleten laufen in manchen Disziplinen nur noch hinterher.

Es lief langsam an und wurde am Ende dann besser. Bei der Weltmeisterschaft in Doha haben einige deutschen Leichtathleten auf der Zielgeraden doch noch überzeugen können. Weitspringerin Malaika Mihambo holte mit überragenden 7,30 Metern die Goldmedaille und setzte sich damit auch an die Spitze der Weltjahresbestenliste. Wenig später konnte Johannes Vetter seinen Speerwurftitel von London zwar nicht verteidigen, hatte mit 85,37 Metern aber WM-Bronze sicher. 

In Summe kommt der deutsche Leichtathletik Verband (DLV) auf insgesamt sechs Medaillen. Mit zwei goldenen und vier bronzenen überzeugte das deutsche Team im Emirat am Persischen Golf. Bei den vorherigen Titelkämpfen 2017 waren es noch fünf gewesen. Neben dem Überraschungs-Coup von Zehnkämpfer Niklas Kaul und den Medaillen von Mihambo und Vetter am letzten Tag gab es noch die Bronzemedaillen für Gesa Felicitas Krause über 3000 Meter Hindernis, Christina Schwanitz beim Kugelstoßen und Konstanze Klosterhalfen über 5000 Meter. 

„Bisher können wir von einer guten, leicht durchwachsenen Bilanz im unteren Bereich unseres Erwartungskorridors sprechen“, sagte DLV-Präsident Jürgen Kessing. Er hatte auch gleich eine Erklärung parat: „Jedoch war unser Team nicht komplett, da ja viele Leistungsträger abgesagt hatten. Somit hat sich unser Team hervorragend geschlagen und mehr gebracht als erwartet.“ Hervor hob er den Sieg von Kaul und nannte ihn „ein neues Gesicht, einen Sympathieträger, der uns für die Zukunft hoffen lässt.“

Die personellen Probleme, die Kessing anspricht, lassen sich auch mit Zahlen belegen: Im Vorfeld der Titelkämpfe musste der DLV den Ausfall von rund zehn Top-Athleten verkraften, die eventuell noch für die eine oder andere Medaille gut gewesen wären. Das Niveau war in nahezu allen Disziplinen jedoch so hoch, dass auch in optimaler Besetzung weiteres Edelmetall für die deutsche Mannschaft nicht viel wahrscheinlicher gewesen wäre.

Fest steht jedoch, dass der DLV in einigen Disziplinen schlichtweg keinen Anschluss selbst an die erweiterte Weltspitze hat. Im Langsprint laufen Männer wie Frauen mit Sekundenabstand hinterher. Über die kürzeren Distanzen haben Sprinterinnen wie Tatjana Pinto oder Gina Lückenkemper durchaus Potential, konnten bei der WM aber noch nicht überzeugen. Eher düster sieht es bei den Männern aus. Über 100 und 200 Meter drängt sich hier kein Talent für Olympia auf und auch in der Staffel gehört der DLV aktuell nicht zu den Top Ten in der Welt. 

Hitzemanagement „absolut leistungsrelevant“

Bei den Werfern blieb Rio-Sieger Christoph Harting einmal mehr bei einem internationalen Wettkampf gleich im Vorkampf hängen. Im Kugelstoßen hat das Niveau so extrem angezogen, dass es für den momentan verletzten David Storl nicht einfach wird, hier den Anschluss an die Spitze zu finden. 

Recht gut aufgestellt ist der DLV hingegen im Speerwerfen, auch wenn in Doha mit Thomas Röhler und Andreas Hofmann überraschend zwei Weltklasseathleten in der Qualifikation scheiterten. Im Zehnkampf sind neben Kaul, Kai Kazmirek und Tim Nowak noch weitere Athleten klar jenseits der 8000 Punkte unterwegs. Auf den Mittel- und Langstrecken gibt es solide Ansätze, aber noch reichlich Luft nach oben, um eventuell einmal ein Olympiafinale zu erreichen.

Die Erfolge von Gesa Felicitas Krause und Konstanze Klosterhalfen lassen sich vor allem mit der individuellen Vorbereitung und eigenen Teams erklären. Krause arbeitet seit Jahren nahezu ausschließlich mit ihrem Heimtrainer Wolfgang Heinig zusammen und reiste direkt aus dem südafrikanischen Trainingslager nach Doha an. Klosterhalfen hat sich zu Jahresbeginn dem „Nike Oregon Projekt“ in Portland angeschlossen, das dieser Tage durch angebliche Dopingverwicklungen des Gründers Alberto Salazar in die Schlagzeilen geriet. Dort wurde die für Leverkusen startende Athletin jedoch von Anfang an von Pete Julian betreut, unter dessen Regie sie über die Meile, 3000 Meter und 5000 Meter in diesem Jahr gleich drei neue Rekorde aufstellte.

Ein Lichtblick. Gesa Felicitas Krause holte die erste Medaille fürs deutsche Team.
Ein Lichtblick. Gesa Felicitas Krause holte die erste Medaille fürs deutsche Team.
© Aleksandra Szmigiel/Reuters

Die spannende Frage, die sich nun nach der WM stellt, ist: Was bedeutet das Abschneiden der deutschen Läufer, Springer und Werfer in Hinblick auf die Olympischen Spiele in Tokio? Kessing, der zehn Monate vor Olympia nicht von einer Standortbestimmung sprechen will, sieht vor allem das Hitzemanagement als „absolut leistungsrelevant“ an. „Das ist wichtig, da uns in Tokio ähnliche Rahmenbedingungen erwarten und es im Stadion keine Klimaanlage geben wird.“

Hinzu käme auch ein Generationswechsel bei den Athleten und Trainern, sagt DLV-Generaldirektor Idriss Gonschiska. „Wir müssen darum kämpfen, dass das Berufsbild Trainer eine bessere Akzeptanz findet und eine Betreuung auf höchstem Level möglich ist“, sagt Gonschiska. „In den nächsten vier Jahren werden rund 40 Prozent unseres jetzigen Trainerteams altersbedingt nicht mehr zur Verfügung stehen.“

Jens Priedemuth

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