Warum Ibisevic für Hertha BSC so wichtig ist: Vedad Ibisevic: "Ich hasse ihn als Gegenspieler"
Vedad Ibisevic ist ein Meister der Effizienz und ein Phantom im Strafraum – auch von ihm wird abhängen, ob Hertha die Saison erfolgreich zu Ende bringt.
Vedad Ibisevic ist kein Mann großer Worte, daran hat auch sein persönliches Upgrade nichts geändert. Im Sommer, kurz vor dem Saisonstart in der Fußball-Bundesliga, ist der Bosnier bei Hertha BSC überraschend zum Kapitän ernannt worden, aber allzu große Auswirkungen hat das neue Amt nach eigenen Angaben nicht auf sein Berufsleben gehabt. Auch als die Mannschaft Anfang vergangener Woche im Trainingslager auf Mallorca zur Teamsitzung zusammenkam, hat Ibisevic keine flammenden Reden gehalten. Er hat seine Meinung gesagt – wie alle anderen auch. „Wir waren uns einig“, sagt er am Tag danach. „Das ist das Wichtigste.“
Einigkeit herrschte in der Frage, was Hertha in dieser Saison noch erreichen will. Platz sechs soll es sein, die sichere Teilnahme am Europapokal also – darauf hat sich die Mannschaft im Trainingslager verständigt. Angesichts von Platz drei im Moment erscheint das gar nicht mal besonders vermessen; weitergehende Ziele – etwa die Qualifikation für die Champions League – hätte Ibisevic trotzdem für übertrieben gehalten. „Ich bin eher der Typ, der mit solchen Sachen vorsichtig umgeht“, sagt er. „Denn realistisch und normal ist das nicht, dass wir da stehen, wo wir stehen.“
Wie anormal das ist, hat die vergangene Saison gezeigt, als die Berliner ebenfalls als Tabellendritter aus der Winterpause kamen und die scheinbar sichere Qualifikation für den Europacup noch verspielt haben. „Ich glaube, dass uns diese Erfahrung ein bisschen geweckt hat“, sagt Ibisevic. „Das steckt im Hinterkopf, dass wir das unbedingt vermeiden wollen.“ Das Thema ist bei Hertha so etwas wie der Grundton der Wintervorbereitung, entkommen können die Spieler der Frage, wie sich ein ähnlicher Absturz verhindern lässt, in diesen Tagen nicht. „Wir sind gewarnt“, sagt Fabian Lustenberger, Ibisevics Vorgänger als Kapitän. „Was uns in der Rückrunde vor allem gefehlt hat, ist diese Effizienz, aus wenigen Chancen viel zu machen.“
Mit Ibisevic gibt es bei Hertha einen inoffiziellen Effizienz-Beauftragten, und in der Tat waren die persönlichen Werte des Stürmers in der Hinrunde der vorigen Saison (sechs Tore in zehn Spielen) besser als in der Rückrunde (vier in sechzehn). „Wir waren alle nicht mehr so gut“, sagt er. „Wir hatten am Ende keine Power mehr.“ Der Erfolg einer Mannschaft darf nie an einem Einzelnen hängen, und trotzdem weiß der 32-Jährige, dass es auch an seiner Treffsicherheit liegen wird, ob sich ein Absturz wie im Vorjahr verhindern lässt. Ohne seine acht Tore hätte Hertha in der Hinrunde elf Punkte weniger geholt. Allein beim 2:0 gegen Ingolstadt hatte sein Treffer keine statistische Bedeutung, allerdings lenkte er das Spiel mit seinem 1:0 früh in die gewünschte Richtung.
Was Ibisevic auszeichnet, ist die Steigerung von Automatismen
Keine Mannschaft hat in dieser Saison seltener auf des Gegners Tor geschossen als Hertha, trotzdem erzielten nur fünf Mannschaften mehr Tore als die Berliner. Das liegt zum einen daran, dass Trainer Pal Dardai den Torabschluss stets gut vorbereitet sehen will, was die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöht. Es liegt aber auch an Vedad Ibisevic. Vor dem Tor ist er ein Phänomen. „Das kannst du nicht lernen“, sagt sein Kollege Sebastian Langkamp. „So was hast du im Blut.“ Sogar Ibisevic hat das Geheimnis seiner Effizienz noch nicht ergründet, aber er hat sich daran gewöhnt, „dass ich nicht viele Möglichkeiten im Spiel bekomme“.
Vermutlich ist es von allem ein bisschen: Erfahrung, Intuition, Technik, Wille, Konzentration. Dazu besitzt Ibisevic ein untrügliches Gespür für die richtigen Pfade im Strafraum. Weil er oft richtig steht, erschafft er Situationen, die für den gegnerischen Abwehrspieler nicht mehr zu verteidigen sind. „Jeder denkt: ,Ist das ein Glückspilz, dass der jetzt genau da steht, wo der Ball hinkommt.'“, sagt Langkamp. „Aber das ist kein Glück, das ist Qualität. Das ist noch eine Steigerung zu Automatismen.“
In dieser Saison scheint Ibisevic sogar noch etwas stärker zu sein als in der vergangenen. „Ich fühl' mich wohl, bin fit und spüre das Vertrauen vom Trainerstab und meinen Mitspielern“, sagt Ibisevic. „Das ist das, was ich für mein Spiel brauche.“ Nicht von ungefähr hat Hertha den Vertrag mit ihm bis 2019 verlängert – dann wird er fast 35 Jahre alt sein.
Es gibt viele Stürmer, die es im Training eher gemütlich angehen lassen und nur im Ernstfall richtig ernst machen. Bei Ibisevic scheint jedes Training ein kleines Champions-League-Finale zu sein. „Als Privatmensch und als Mitspieler ist er top“, sagt Langkamp, der Verteidiger, über seine Erfahrungen mit dem Stürmer. „Als Gegenspieler hasse ich ihn.“ Ibisevic habe unglaublich spitze Knochen, spiele mit wahnsinnig großem Körpereinsatz, könne die Bälle überragend festmachen und sei nie komplett auszuschalten, auch wenn man das Gefühl habe: Jetzt bin ich eng dran, jetzt kann eigentlich nichts passieren. Irgendwie bekomme er seinen Fuß dann doch noch an den Ball. „Es ist nicht so angenehm, gegen ihn zu spielen“, sagt Sebastian Langkamp. „Umso glücklicher bin ich, ihn in der eigenen Mannschaft zu haben.“