Basketball-EM in Berlin: Tibor Pleiß: Mit kleinen Schritten zu voller Größe
Center Tibor Pleiß soll dem deutschen Nationalteam heute gegen die Türkei zum Sieg verhelfen. Die EM ist gleichzeitig seine Vorbereitung auf die NBA.
Tibor Pleiß steht unter dem Korb und streckt seine Arme nach oben. Das ist ein imposantes Bild. Denn Pleiß ist 2,18 Meter groß, und mit seinen ausgestreckten Armen kommt er aus dem Stand fast bis an den Ring des Korbs heran, der auf 3,05 Meter hängt. Als sich am Montag beim Training der deutschen Basketballer in der Arena am Ostbahnhof dann noch der Co-Trainer Alex Jensen direkt vor ihn stellt und auch seine Arme nach oben streckt, wirkt Pleiß‘ Erscheinung noch imposanter. Jensen, selbst 2,01 Meter groß, reicht nur an dessen Ellenbogen heran. Pleiß hat also nicht nur einen sehr langen Körper, sondern auch sehr lange Arme.
„Ich bin stolz, dass ich so groß bin“, sagt der 25-Jährige kurz darauf. Verschwitzt steht er in einem Hallengang, schaut auf die Journalisten herunter und beantwortet höflich und geduldig 20 Minuten lang Frage um Frage, auch zu seiner Größe. „Sie gibt mir Präsenz. Ich wollte nie kleiner sein. Ich stoße mir auch nie den Kopf, denn ich bin aufmerksam. Meine Größe hat mich im Basketball weit gebracht.“
Pleiß steht für die Steigerung der deutschen Mannschaft
Nun liegt es nicht nur an seinen 2,18 Meter und den langen Armen, dass Pleiß der derzeit beste deutsche Spieler auf der Center-Position ist. Was er noch sehr gut kann, zeigte er bei der knappen 66:68-Niederlage gegen den Vize-Weltmeister Serbien am Sonntag. Er traf fünf seiner sechs Würfe und war mit seinen 15 Punkten zusammen mit Dirk Nowitzki bester Werfer. Zudem verwandelte er alle seine fünf Freiwürfe, kam auf sieben Rebounds und blockte zweimal stark.
Mit seiner überzeugenden Leistung steht Pleiß auch stellvertretend für die Steigerung der deutschen Nationalmannschaft. Nach dem wenig berauschenden Auftaktsieg gegen Island, bei dem Pleiß mit nur vier Punkten enttäuschte, scheint er nun voll im Turnier zu sein. „Tibor zeigt hier seine Qualitäten immer besser“, sagt Bundestrainer Chris Fleming. „Er spielt sich immer mehr in den Fokus.“
So ruhen vor dem wichtigen dritten Vorrundenspiel der Deutschen am heutigen Dienstag gegen die Türkei (17.45 Uhr/live in der ARD) auch viele Hoffnungen auf Pleiß. In der schweren Sechsergruppe muss das deutsche Team mindestens Vierter werden, um das Achtelfinale in Frankreich zu erreichen. In den nächsten drei Tagen stehen nun die drei abschließenden Gruppenspiele an, und gegen die Türkei und gegen Italien am Mittwoch haben die Deutschen die besten Chancen auf einen Sieg. Spanien ist am Donnerstag dann wohl eine Nummer zu groß.
„Meine Rolle im Team ist um einiges gestiegen“
Das harte Programm und die starken Gegner schrecken Pleiß nicht ab: „Ich kann es kaum erwarten, dass es weitergeht. Und ich habe ein sehr gutes Gefühl für das Spiel gegen die Türkei.“ Dass die Erwartungen an ihn dann auch wieder groß sein werden, damit kann er mittlerweile gut umgehen. „Meine Rolle im Team ist zuletzt ja um einiges gestiegen“, sagt Pleiß. Trotz seiner erst 25 Jahre gehört er zu den Erfahrensten in der Nationalmannschaft, für die er bereits seit sechs Jahren spielt.
Das hat natürlich auch viel mit seiner sportlichen Entwicklung zu tun – und die wirkt nahezu perfekt aufgebaut. Nach Anfangsjahren in Köln wechselte er nach Bamberg, wo er dreimal Deutscher Meister wurde. Danach ging er nach Spanien, bewährte sich dort in Vitoria und spielte in der vergangenen Saison beim Spitzenverein FC Barcelona. Der nächste Karriereschritt folgte dann in diesem Sommer: Pleiß wechselte zu Utah Jazz in die NBA, in die beste Liga der Welt, und erhielt dort einen Dreijahresvertrag.
Vorbereitung auf die NBA
Diskussionen um einen möglichen Transfer in die NBA begleiten ihn schon seit 2010, seit sich Oklahoma City beim Draft, der Talente-Auswahl der NBA, die Rechte an ihm sicherte. Ihm fehle es an der Physis, er sei zwar groß, habe aber keine breiten Schultern, musste er sich anhören. „Ich habe nie daran gezweifelt, dass ich es in die NBA schaffe“, sagt Pleiß. Seine wohlbedachte Karriereplanung entspricht seinem Typ. Er ist ruhig, reflektiert und intelligent. „Ich mache aber lieber kleine Schritte. Bei großen Schritten kann man nämlich tief fallen. Und jetzt ist alles doch perfekt gelaufen.“
Dazu passt, dass er während dieser EM zugleich eine besondere Vorbereitung auf die NBA bekommt. Denn Co-Trainer Jensen ist auch Assistenztrainer bei Utah Jazz. „Das ist natürlich ein Pluspunkt für mich“, sagt Pleiß. „Alex Jensen hilft mir sehr, gibt mir viele Tipps.“
Wenn Jensen über Pleiß spricht, beginnt er sofort zu schwärmen. „Tibor hat sein Potenzial noch lange nicht erreicht – und das ist ein Kompliment. Er kratzt da erst an der Oberfläche“, sagt der 39-jährige US-Amerikaner. So beweglich sei Pleiß für seine Größe, lobt Jensen. Er müsse einfach noch etwas selbstbewusster auftreten – besonders in den vorentscheidenden Partien gegen die Türkei und Italien. Pleiß weiß das, doch er weiß auch: „Ich bin gerade gut drauf.“