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Schön war’s. Im Oktober 1998 setzte sich TeBe im Pokal gegen Hertha durch und träumte von einer großen Zukunft.
© Engler/pa/dpa

Sportvereine in Charlottenburg-Wilmersdorf: Tennis Borussia ist Punkrock in Eichkamp

Große Vergangenheit, schwierige Moderne: Tennis Borussia hat mal in der Fußball-Bundesliga gespielt und träumt zumindest wieder von viertklassigem Fußball.

Wenn Carsten Bangel im Mommsenstadion zu seinem Arbeitsplatz will, muss er der Tür zur Sprecherkabine unter dem Tribünendach erst einmal einen Tritt verpassen. Das Schloss klemmt ein bisschen. Bangel ist Stadionsprecher beim früheren Bundesligisten Tennis Borussia, und die Einrichtung seiner Sprecherkabine ist so, wie der 48-Jährige seinen Job verrichtet: sehr reduziert. Bangel ist keiner dieser Marktschreier, die mit Mikro auf dem Rasen stehen und es darauf anlegen, das Publikum zur Ekstase anzutreiben. „Ich mache das relativ old school, sehr laid back“, sagt Bangel. Er weiß ja, dass die Zuschauer im Mommsenstadion eines wie die Pest hassen: „Sie wollen nicht animiert werden.“

Gerade ist Sommerpause. Die Tore hängen am Zaun in der Kurve. Auf dem Rasen blühen Gänseblümchen, und ein Bagger reißt gerade die alte Tartanbahn aus dem Boden. „Von mir aus könnte die neue Bahn lila sein“, sagt Bangel. Lila, wie die Farbe von Tennis Borussia.

Das Mommsenstadion wird gerade fit gemacht als Trainingsstätte für die Leichtathletik-EM 2018. Bangels Sprecherkabine aber atmet noch den Geist der Vergangenheit. Von den Fensterrahmen blättert die Farbe. Die Wände sind in einem vergilbten Weiß gehalten. Oder einem verblichenen Gelb, so genau lässt sich das nicht mehr feststellen. Auf der Arbeitsplatte steht ein wuchtiger Computer-Monitor für die Bedienung der Anzeigetafel. Das Programm läuft noch über Windows 95. Nein, es läuft nur über Windows 95. Modernere Betriebssysteme funktionieren nicht. So ist das mit Tennis Borussia und der Moderne.

Legendäre Siege gegen Hertha

Anfangs haben sie zu dritt hier gesessen. Ein Stadionsprecher, einer, der die Anzeigetafel bedient, und Bangel als Stadion-DJ. Inzwischen macht er alles alleine. Im Herbst 2000 hat er angefangen, nach dem Zusammenbruch der Göttinger Gruppe und dem Abstieg aus der Zweiten Liga. Es war eine der bei Tennis Borussia periodisch auftretenden Phasen der Anarchie, die Bangel dazu genutzt hat, sich den Job unter den Nagel zu reißen: „Damit hier mal gute Musik läuft.“

Die beliebtesten Sportvereine in Charlottenburg-Wilmersdorf – gewählt von den Abonnenten des Tagesspiegel-Leute-Newsletters.
Die beliebtesten Sportvereine in Charlottenburg-Wilmersdorf – gewählt von den Abonnenten des Tagesspiegel-Leute-Newsletters.
© Tsp/Bartel

Zu TeBe geht er seit 40 Jahren. Anfangs ist er noch durch ein Loch im Zaun des Olympiabades ins Olympiastadion geschlüpft – der Eintritt ins Schwimmbad war billiger als eine Karte für TeBe. Bangels Fan-Biografie hat in der Bundesliga angefangen, sein erstes Spiel im Stadion war das Derby gegen Hertha BSC, im April 1977, als schon absehbar war, dass Tennis Borussia nach nur einem Jahr wieder abstiegen würde. Es war eines von drei legendären Spielen in der zweiten und bis heute letzten Erstligasaison des Klubs. 2:0 siegte TeBe gegen die große Hertha, und Bangel machte eine Erfahrung, die sich 21 Jahre später, beim Pokalduell beider Vereine, noch einmal wiederholt hat. Die herthafreundliche Masse schwenkte plötzlich zu Tennis Borussia um. Eine dauerhafte Zuneigung der Stadt zu TeBe ist daraus allerdings nicht erwachsen.

Bangel ist dem Klub treu geblieben, was vor allem in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine echte Leidensgeschichte war. Zwischenzeitlich ging es runter bis in die Berlin-Liga. Zwei Insolvenzen hat der Klub hinter sich, in diesem Frühjahr war es wieder besonders kritisch. Der Hauptsponsor, eine Fitnessstudiokette, musste helfend einspringen; dafür ist dessen Geschäftsführer Jens Redlich jetzt auch Vorstandsvorsitzender des Klubs. Er will selbst bestimmen, was mit seinem Geld passiert. Und er will unbedingt nach oben, raus aus der fünftklassigen Oberliga. Ziel ist es „ganz klar, um den Aufstieg mitzuspielen“, sagt Redlich.

TeBes Fanszene war ein Vorreiter im Kampf gegen Homophobie

Bei den kritischen Fans rufen solche Ankündigungen zwiespältige Gefühle hervor. Sie sind in dieser Hinsicht gebrannte Kinder. Das Engagement der Göttinger Gruppe endete genauso in der finanziellen Katastrophe wie ein paar Jahre später (und ein paar Ligen tiefer) die Abhängigkeit von der zwielichtigen Treasure AG, die nie preisgeben wollte, wie sie eigentlich ihr Geld verdiente. Als in diesem Sommer auf der Klub-Homepage ein Neuzugang nach dem anderen verkündet wurde, wurde das Grummeln in der Fanszene so laut, dass sich die Vereinsführung zu der Klarstellung genötigt sah, alles sei für mindestens zwei Jahre solide finanziert. Gut, das mit der soliden Finanzierung haben sie bei TeBe auch schon häufiger gehört.

Nach allem, was passiert ist, kann man TeBe vermutlich gar nicht bedingungslos lieben. Viele Fans hätten ein ambivalentes Verhältnis zu ihrem Verein, sagt Bangel. TeBe sei irgendwie „schräger Scheiß“, manchmal auch peinlich – aber gerade mit dem Image vom neureichen Schnöselklub aus dem feinen Charlottenburg spielen sie bei TeBe inzwischen ganz bewusst. Bangel trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Schnösel, West-Berlin“. Als die Stadt vor ein paar Jahren vor dem Zweitligaduell zwischen Hertha und Union im Derby-Fieber war, meldete sich eine TeBe-Abordnung von der Champagnertheke des KaDeWe („Es gibt Dinge, die lassen wir uns nicht nehmen“). Die Beschimpfungen als „Judenverein“ vor allem im Osten, führten dazu, sich mit der eigenen Geschichte zu beschäftigen und sich schließlich gegen Diskriminierung jeder Art zu positionieren. TeBes Fanszene war ein Vorreiter im Kampf gegen Homophobie. „Das hat eine Eigendynamik angenommen“, sagt Carsten Bangel, „hat es politisch gemacht.“

„Ihr seid echt ein Scheißverein, aber bei euch läuft coole Mucke“

Für ihn besitzt Tennis Borussia „eine irgendwie nicht greifbare Magie“, die sich auch im Mommsenstadion niederschlägt. Da sind die Fans in Block E auf der Gegengerade, die aus Neukölln oder Friedrichshain kommen und für die TeBe auch ein politisches Statement ist. Und da ist die West-Berliner Rentner-Fraktion, die auf der denkmalgeschützten Tribüne von 1930 sitzt, schon zu Bundesligazeiten da war und bei jedem Fehlpass auf dem hoppeligen Rasen ruft: „Det jibb’s doch jar nüscht! Det kann doch nich wahr sein!“

Carsten Bangel ist nicht nur die sonore Stimme von TeBe, er liefert auch den passenden Soundtrack zu diesem irgendwie seltsamen Verein: punkig, alternativ und im Zweifel auch leicht schräg. Fans von Union haben Bangel mal gesagt: „Ihr seid echt ein Scheißverein, aber bei euch läuft coole Mucke.“ Früher ist er mit 120 CDs zum Spiel gekommen, heute stellt sich Bangel eine Playlist zusammen, aus der er nach Bedarf auswählen kann. Als es vor kurzem Streit um eine Regenbogenfahne im Stadion gab, hatte Bangel auf seinem Rechner fünf Stunden Gay-Disco vorrätig. Und vor der letzten Insolvenz hat er ein Stück von Megadeath gespielt: „Symphony of Destruction“. Es war Bangels ganz persönlicher Kommentar zur zerstörerischen Politik der damaligen Vereinsführung.

- Bei Tagesspiegel Leute haben wir unsere Leser nach den beliebtesten Sportvereinen in Charlottenburg-Wilmersdorf gefragt. Tennis Borussia landete auf Platz drei. Als nächstes stellen wir den zweitplatzierten Klub BSV 92 vor.

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