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Das waren noch Zeiten: TeBes Francisco Copado (li.) setzt sich am Ball gegen Herthas Pal Dardai durch.
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Stadtrivalen in der Bundesliga: Als Hertha BSC und Tebe in einer Liga kickten

Mit dem 1. FC Union könnte Berlin bald zwei Bundesligisten haben. Alles schon dagewesen – auch in fünf anderen Städten.

KÖLN (1. FC und Fortuna)

Der SC Fortuna aus der Kölner Südstadt erlebt gerade erfolgreiche Zeiten – für seine bescheidenen Verhältnisse, versteht sich. Vor drei Wochen lag der Klub in der Dritten Liga auf Platz fünf, so weit oben war er seit Ewigkeiten nicht. Der Zweiten Liga gehörte die Fortuna zuletzt im Jahr 2000 an, die Bundesligazugehörigkeit endete 1974, nach nur einer Saison, als Tabellenvorletzter. Ab dem zehnten Spieltag hatte die Mannschaft auf einem Abstiegsplatz gelegen, die Derbys gegen den FC endeten 0:2 und 0:5. Auch ein Vierteljahrhundert später, nach dem ersten Abstieg des FC, hatte Fortunas Mäzen Jean „Schäng“ Löring vergeblich auf einen Wachwechsel im Kölner Fußball gehofft. Löring engagierte mit Toni Schumacher zwar eine FC-Legende als neuen Trainer – und schaffte es trotzdem, die beschämende Saison des großen Bruders (Platz 10) als 14. noch zu unterbieten. Nur einmal stand die kleine Fortuna in der Gunst der Kölner vor dem großen FC. Das war im rein kölschen Pokalfinale 1983. Der FC gewann zwar 1:0, spielte aber so schwach, dass die neutralen Zuschauer im Müngersdorfer Stadion den Außenseiter anfeuerten. „Je mehr der Erstbundesligist vieles schuldig blieb, desto deutlicher schwenkten sie zum Lokalrivalen über“, schrieb damals der Tagesspiegel. sth

MÜNCHEN (FC Bayern und 1860)

Drei Jahre ist die Bundesliga jung, als zum ersten Mal eine Stadt zwei Mannschaften stellt. Die Bayern sind ein ambitionierter Emporkömmling, gespickt mit jungen Talenten wie Franz Beckenbauer, Sepp Maier und Gerd Müller. Mit den Sechzigern können sie es aber (noch) nicht aufnehmen. Der TSV 1860 ist die Nummer eins der Stadt, sportlich und in der Gunst der Zuschauer. 31 000 Zuschauer verfolgen im Schnitt die Spiele der Blauen, zu den Roten kommen 26 000. Der TSV 1860 ist zu dieser Zeit so gut aufgestellt, dass er den jungen Torjäger Gerd Müller lieber den Bayern überlässt, genau wie Beckenbauer. Gleich am ersten Spieltag der Saison 1965/66 kommt es im Grünwalder Stadion, das sich beide Klubs teilen, zum Stadtderby. Nicht mal eine Minute benötigen die Blauen, um die Kräfteverhältnisse zurechtzurücken. Timo Konietzka trifft zum 1:0, dabei bleibt es auch nach 90 Minuten. Die jungen Bayern spielen trotzdem eine starke Saison, werden am Ende Dritter. Besser sind nur Borussia Dortmund und die Sechziger, die Meister werden. sst

Als der HSV gegen seinen Gegenentwurf antreten musste

BERLIN (Hertha BSC und Tennis Borussia)

Nach München und Köln ist Berlin 1974 die dritte Stadt, der es gelingt, zwei Bundesligisten zu stellen. Neben Hertha BSC ist das Tennis Borussia, lange die dritte Kraft hinter Hertha und Tasmania. Bei TeBe spielt und engagiert sich der frühere Fußballprofi Horst Nußbaum, der inzwischen als Musikproduzent unter dem Namen Jack White Erfolg hat. Nußbaum ähh White ist sogar so erfolgreich, dass er den Nationalspieler Karl-Heinz Schnellinger vom AC Mailand nach Berlin lotsen kann, indem er hilft, Schnellinger die zu dieser Zeit astronomische Gage von 10 000 DM pro Monat zu bezahlen. Aber auch Schnellinger kann das Interesse der Berliner an TeBe nicht wecken. Die Heimspiele sind schlecht besucht, alles rennt ins Olympiastadion zur Hertha. Die spielt eine grandiose Saison und wird am Ende hinter Borussia Mönchengladbach Vizemeister – das beste Ergebnis der Vereinsgeschichte. Publikumsliebling Erich Beer verzückt die Fußballfans der Stadt, in den Derbys ist Tennis Borussia zwei Mal chancenlos, verliert 1:2 und 0:3 und steigt wieder ab. sst

HAMBURG (HSV und St. Pauli)

Ein größerer Gegenentwurf als der FC St. Pauli ist zum bürgerlichen HSV kaum vorstellbar. Auf den maroden Stehplätzen am Millerntor tummeln sich Punks, Hausbesetzer und Kiezgrößen. Die Spieler pflegen die Nähe zum Millieu, gern und ausgiebig feiern sie auf der Reeperbahn. Die Aufstiegsparty 1977 dauert laut Torjäger Franz Gerber, der später unter dem Namen „Schlangenfranz“ reüssiert, eine Woche an. Ganz anders der HSV. Gespickt mit Nationalspielern wie Felix Magath verpflichtet der Klub ’77 in Kevin Keegan den damals besten Spieler Europas. Klar, dass vor dem ersten Derby die Rollen scheinbar klar verteilt sind. Mehr als zwei Drittel der 50 000 Besucher im Volksparkstadion sind HSV-Fans, zu St. Pauli halten nur die Outlaws. Das ändert sich während der 90 Minuten. Dem Favoriten fällt nichts ein, der HSV spielt überheblich und wird von St. Pauli zwei Mal bestraft. Kurz vor dem Ende brüllen selbst die HSV-Fans „St. Pauli, St, Pauli.“ Trotz des Sieges steigt St. Pauli gleich wieder ab, schafft aber insgesamt noch vier Mal die Bundesliga-Rückkehr. sst

Als Klinsmann auf seinen alten Klub traf

STUTTGART (VfB und Kickers) 

Ende der Achtziger zieht Stuttgarts blauer Adel in die Bundesliga ein. Die Kickers, deren Vereinsfarbe himmelblau ist, sind der Klub der Besserbetuchten, während der VfB als Herzensangelegenheit der Cannstätter Arbeiter gilt. Die gegenseitige Ablehnung ist groß, Verantwortliche des VfB bezeichnen das Kickers-Gelände als Golanhöhen von Stuttgart, in die sie keinen Fuß setzen würden. Fans der Kickers boykottieren zum Teil die eigenen Heimspiele, weil der Klub nach dem Aufstieg aus Sicherheitsgründen gezwungen ist, ins Neckarstadion des VfB umzuziehen. Als Folge kommen im Schnitt nur knapp 12 000 Zuschauer. Sportlich trennen beide Welten, der VfB ist ein etabliertes Schwergewicht, die Kickers steigen 1989 direkt wieder ab. Auch ihr zweiter Ausflug in die Bundesliga endet 1992 nach einem Jahr. Aber es gibt auch Berührungspunkte. Spätere VfB-Legenden wie Karl Allgöwer, Jürgen Klinsmann und Guido Buchwald tragen zu Beginn ihrer Karrieren das Trikot der Kickers, die für ihre gute Nachwuchsarbeit bekannt sind. sst

BOCHUM (VfL und Wattenscheid)

Die Freude über den Wattenscheider Aufstieg 1990 hielt sich außerhalb des Vereins in Grenzen. Bayerns Manager Uli Hoeneß fand: „Das ist das Schlimmste, was der Bundesliga passieren konnte.“ Wattenscheid galt als Mäzen-Klub, eine Art Großvater der Hoffenheims und Leipzigs der Gegenwart. Seit Beginn der Siebziger versuchte Präsident und Geldgeber Klaus Steilmann den Verein aus dem eingemeindeten Bochumer Stadtbezirk in die Bundesliga zu führen. Dafür verpflichtete er sogar den argentinischen Nationalspieler Carlos Babington, was schon damals eine Neiddebatte auslöste. Erfolg stellte sich aber erst unter Trainer Hannes Bongartz ein. Als einer der ersten in Deutschland führte er die Viererkette ein, Wattenscheid stand für Fußball moderner Prägung. Vier Spielzeiten hielt sich die SG in der Bundesliga, drei davon gemeinsam mit dem VfL Bochum, der stärker von Wattenscheider Seite als Lokalrivale wahrgenommen wurde als umgekehrt. sst

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