Turniermodus, Hygienekonzept, Signalwirkung: So will die Basketball-Bundesliga ihre Saison beenden
Trotz Coronavirus, trotz Krise: Die BBL möchte die Saison ausspielen. Dafür soll ein spezieller Turniermodus sorgen. Zehn Teams sind dabei, auch Alba Berlin.
Als sich am Sonntagabend bei Anne Will zu prominenter Zeit prominente Köpfe in der prominentesten aller Talkshows trafen, wurde auch wieder einmal klar, dass es der Basketball hierzulande nicht ganz leicht hat mit der Aufmerksamkeit. Natürlich wurde dort am Wochenende auch über das Hygienekonzept der Deutschen Fußball-Liga diskutiert, das allein ist in Deutschland, einig Fußballland wenig überraschend.
„Warum nicht Handball?“, fragte dann aber die Grünen-Chefin Annalena Baerbock ihren FDP-Kollegen Christian Lindner, als der gerade die Sonderrolle des Profifußballs zu rechtfertigen versuchte. „Wenn die das gleiche Konzept umsetzen können“, antwortete Lindner: „Aber bitte gerne!“ Kleines Problem: Die Spielzeiten in den Handball-Bundesligen der Männer und Frauen sind bereits seit vergangener Woche offiziell abgebrochen und damit beendet.
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Den Basketball hatten die Talkgäste offensichtlich nicht so auf dem Schirm. Obwohl es da sogar Grund zur Diskussion gegeben hätte. Denn die Männer-Bundesliga (BBL) hält sich weiterhin ein Türchen zur Saisonfortsetzung offen. Am Montagmittag kamen die Klub- und Ligaspitzen zu einer Videokonferenz zusammen, um zu entscheiden, ob und wie es denn weitergehen könnte mit der Saison. Und was sie dabei austüftelten, ist ziemlich außergewöhnlich.
Zehn Klubs sollen – sobald Politik und Behörden ihr Einverständnis geben – die Saison zu Ende spielen. Dazu zählen neben Alba Berlin auch der Titelverteidiger Bayern München sowie die Teams aus Ludwigsburg, Crailsheim, Oldenburg, Vechta, Bamberg, Göttingen, Ulm und Frankfurt. Geplant ist eine Art Turniermodus mit zwei Fünfergruppen: Sie sollen an einem zentralen Ort acht Viertelfinalisten ausspielen, die dann wiederum in einem angepassten Play-off-Modus den Deutschen Meister ermitteln – alles ohne Hallenpublikum, versteht sich.
Für die anderen sieben BBL-Klubs ist die Spielzeit damit beendet. Sie entschieden sich gegen eine weitere Teilnahme an der Saison. Absteiger wird es keine geben. Das Vorbild für diese Entscheidung stammt aus Spanien: Dort hatte sich die Liga bereits eine Woche zuvor auf einen ähnlichen Modus verständigt. Zwölf Teams sollen hier die Saison zu Ende spielen.
Vor allem Bayerns Geschäftsführer Marko Pesic hatte zuvor offen für diese Lösung geworben. „Ich finde, das ist ein sehr gutes Ergebnis“, freute er sich nun. „Die Entscheidung wurde von einem sehr großen Solidargedanken getragen und ist einstimmig gefällt worden. Das war wichtig.“ Und auch BBL-Geschäftsführer Stefan Holz zeigte sich zufrieden: „Wir wollten die Saison fortsetzen, eine Einstimmigkeit erzielen und ein interessantes Konzept auf die Beine stellen“, sagte Holz. „Das alles ist uns gelungen.“
Diese zehn Klubs wollen die BBL-Saison sportlich beenden:
- Alba Berlin
- Bayern München
- MHP Riesen Ludwigsburg
- Hakro Merlins Crailsheim
- EWE Baskets Oldenburg
- Rasta Vechta
- Brose Bamberg
- BG Göttingen
- Ratiopharm Ulm
- Frankfurt Skyliners
Alle Pläne stehen jedoch noch unter Vorbehalt. Die Liga arbeitet an einem eigenen Hygiene- und Sicherheitskonzept. Denn letztendlich müssen Politik und Behörden entscheiden, ob die Theorie dann am Ende auch tatsächlich Praxis wird.
Der Zeitplan dafür ist sportlich: Etwa drei Wochen lang soll das Turnier zur Saisonfortsetzung dauern, vorher soll auch noch ausreichend Trainingszeit eingeräumt werden. Zudem müssen die Teams damit rechnen, dass sich einige ihrer Spieler erst einmal in Quarantäne begeben müssen, weil sie momentan noch im Ausland verweilen.
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Zuletzt gingen die Ligaverantwortlichen von etwa vier Wochen Vorlauf aus. Ende Juni soll die Saison beendet sein. Die Liga setzt deshalb auf eine Entscheidung von Politik und Behörden bis Mitte Mai. „Jetzt haben wir viel Arbeit vor uns“, sagte Ligachef Holz. „Schauen wir mal, wie weit wir kommen.“
Sollte es dann tatsächlich weitergehen, verspricht sich die Liga viel von ihrer besonderen Position. „Es geht um die Sportart Basketball, um die Bundesliga allgemein“, betonte Bayern-Geschäftsführer Pesic. Die Eishockey-Saison ist schon seit Wochen beendet, Volleyball und Handball spielen auch nicht mehr: Last League Standing – das ist quasi der Status der BBL hinter dem übermächtigen Fußball.
Und dieser Position sind sich die Verantwortlichen in der Liga auch durchaus bewusst. „Die Sportnation wird auf uns schauen und sich für die Spiele interessieren“, hatte etwa zuletzt Frankfurts Geschäftsführer Gunnar Wöbke gesagt und ging sogar noch weiter: „Aber ich glaube auch, die ganze Welt wird auf uns schauen und sich für die Spiele interessieren.“
Diese sieben Klubs beenden ihre BBL-Saison sofort:
- s.Oliver Würzburg
- Basketball Löwen Braunschweig
- Medi Bayreuth
- JobStairs Gießen 46ers
- Telekom Baskets Bonn
- Syntainics Mitteldeutscher BC
- Hamburg Towers
Auf der anderen Seite hatte sich jedoch schon lange vor der Konferenz auch Widerstand durch einige Klubs formiert, die sich mal mehr, mal weniger offen für einen Abbruch der Spielzeit aussprachen. Und so wurde es auch am Montag eine langwierige Angelegenheit, ehe nach fünfstündiger Sitzung dann doch der Entschluss feststand, das Türchen Saisonfortsetzung noch ein bisschen länger offenzuhalten.
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Seit dem 12. März ruhte der Spielbetrieb in der BBL, kein Team hatte zu diesem Zeitpunkt mehr als 21 der 32 Hauptrundenspiele absolviert, von den Play-offs ganz zu schweigen. Einige vor allem kleinere Klubs reagierten darauf schnell, lösten Verträge mit ihren Import-Spielern auf, schröpften ihre Kader auf das Minimum zusammen und betrieben wirtschaftliche Schadensbegrenzung.
An der Ligaspitze stieß diese Art, ohne gemeinsamen Beschluss Fakten zu schaffen, auf wenig Begeisterung. Nicht nur, weil ein Saisonabbruch die Liga kurzfristig bis zu 25 Millionen Euro kosten könnte – etwa ein Sechstel des Gesamtumsatzes –, sondern auch deshalb, weil sich die Verantwortlichen mittelfristige Effekte von einer Rückkehr zum Spielbetrieb versprechen.
Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass auch die kommende Saison noch von den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie betroffen sein dürfte. In Berlin etwa wird es nach Senatsbeschluss bis zum 24. Oktober keine Sportveranstaltungen mehr mit Publikum geben. Mit einer Saisonfortsetzung wollen die betreffenden Liga- und Klubverantwortlichen nun also auch ein Signal gegenüber Sponsoren und TV-Partnern senden, in guten wie in schlechten Zeiten zu den eigenen Zusagen zu stehen. Das soll dann wiederum der zukünftigen Vermarktung helfen.
Und auch von ihrer Position als Last League Standing verspricht sich die Liga einiges, nämlich neue Interessierte, weitere Fans und vor allem mehr Aufmerksamkeit. Damit künftig auch prominente Köpfe zu prominenten Zeiten in prominenten Talkshows einmal an Basketball denken.
Leonard Brandbeck