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Dardai kritisierte Kurt im Trainingslager.
© dpa

Hertha BSC: Sinan Kurt hat seine Chance verspielt

Sinan Kurt galt als Riesentalent. Doch seine vielen Disziplinlosigkeiten nerven Herthas Trainer Pal Dardai. "Er muss seinen Arsch bewegen", sagt er.

Die Diskrepanz hätte nicht größer sein können an diesem 2.August 2017, dem Tag des irrwitzigen Neymar-Transfers. Nun, da der Brasilianer für Paris St. Germain spiele, sei für Sinan Kurt endlich der Weg frei zum FC Barcelona, frotzelte jemand bei Twitter. Das gefiel vielen Leuten. Häme ist bekanntlich weit verbreitet bei Internet-Trollen. Für Sinan Kurt, 21, seit eineinhalb Jahren bei Hertha BSC, sah die Realität an diesem Abend anders aus: Sein Verein absolvierte im Trainingslager in Schladming ein Spiel gegen Neftchi Baku.

Nach exakt 60 Minuten wechselte Trainer Pal Dardai auf einen Schlag alle Spieler aus und brachte eine komplett neue Elf. Für die letzte halbe Stunde erhielt jeder eine Chance gegen das sichtlich überforderte Team aus Aserbaidschan, auch die ganz jungen Jahrgänge und potenziellen Ergänzungsspieler. Nur Sinan Kurt wurde nicht berücksichtigt, im abschließenden Test gegen Galatasaray Istanbul am Samstagabend (2:1) schmorte er ebenfalls auf der Ersatzbank. Damit war Kurt der einzige aus Herthas 24er Kader, der in Österreich keine einzige Sekunde spielte – eine unmissverständliche Botschaft, selbst für Menschen, die sich noch nie eingehender mit Profifußball oder Team-Sportarten im Allgemeinen beschäftigt haben.

Wenn sich Neuzugang Mathew Leckie und die ehemaligen A-Junioren Florian Baak, Julius Kade, Arne Maier und Palko Dardai als Gewinner der Vorbereitung fühlen dürfen, dann heißt der Verlierer bei Hertha BSC zweifellos: Sinan Kurt. „Mit Sinan bin ich nicht zufrieden, und das weiß er auch selbst“, sagt Trainer Pal Dardai in schonungsloser Offenheit.

Vor ein paar Wochen kehrte der Offensivspieler mit ein paar Kilos zu viel auf den Rippen aus dem Griechenland-Urlaub zurück, im ersten Trainingslager in Bad Saarow machten ihm Entzündungen an den Fersen zu schaffen, und in Schladming fiel er auch nicht unbedingt durch überbordenden Eifer auf. „Ich habe ein Problem damit, wenn man junge Spieler immer wieder motivieren muss“, sagt Dardai, „Mentalität ist für mich das Wichtigste, und wenn das einer nicht kapiert, haben wir ein richtiges Problem.“

Bei den Bayern wollten sie ihn nicht mehr

Kurts Vorgeschichte macht die Bewertung seines Falles nicht eben leichter. In der Jugend galt der gebürtige Mönchengladbacher lange als eines der deutschen Top-Talente, andernfalls hätte sich der FC Bayern kaum frühzeitig um seine Verpflichtung bemüht. In München ist Kurt jedoch nicht durch sportlichen Taten in Erinnerung geblieben, sondern vielmehr durch Anekdoten abseits des Feldes, etwa durch die Anmietung eines Hubschraubers für die 74 Kilometer lange Tour von Cannes nach St. Tropez.

Kurts Berater versuchte damals zwar noch, die Situation für seinen Klienten zu bereinigen, indem er darauf verwies, Kurt sei halt mit Kumpels im Kurzurlaub gewesen und die Jungs hätten sich die Flugkosten von knapp 2000 Euro geteilt. Den Ruf des hochnäsigen Wohlstandsjünglings hatte er damit trotzdem erstmal weg; die Entscheider beim FC Bayern degradierten ihn in die Reserve-Mannschaft.

Dennoch erhielt der ehemalige U-Nationalspieler eine neue Chance – bei Hertha BSC. In Berlin dauerte es knapp ein dreiviertel Jahr, ehe es wieder um die Privatperson Sinan Kurt ging und nicht um den talentierten Fußballer. Im Oktober 2016 erließ die Staatsanwaltschaft Berlin einen Strafbefehl in Höhe von 20000 Euro gegen den Bundesliga-Profi: Kurt soll, so der Vorwurf, Bilder seines erigierten Gliedes an eine Minderjährige verschickt haben, die Eltern des Mädchens erstatteten Anzeige bei der Polizei.

Bis heute ist der Fall nicht abschließend verhandelt. Erschwerend kommt hinzu, dass Kurt bei Hertha auch sportlich nicht die gewünschte Entwicklung genommen hat. „Wir gehen jetzt ins dritte Jahr mit Sinan - und es gibt immer wieder die gleichen Rückfälle“, kritisiert Dardai. Immerhin, betont Herthas Coach, habe Kurt im Trainingslager in Österreich endlich angefangen, sich richtig zu bewegen und mitzumachen. „Aber ich verstehe nicht, warum ich ihm das immer wieder sagen muss“, sagt Dardai.

Dem 21-Jährigen müsse doch klar sein, „dass es jetzt vielleicht seine letzte Chance ist.“ Diese Feststellung wiederum wirft die Frage auf, ob sich Hertha BSC in absehbarer Zeit nach potenziellen Abnehmern für Kurt umsieht – zumal Manager Michael Preetz betont, dass die Transferaktivitäten des Vereins nicht zwangsläufig als abgeschlossen betrachtet werden sollten. Dardai sagt darauf angesprochen: „Wir müssen Sinan nicht zwingend abgeben, er muss nur seinen Arsch bewegen.“

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