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Berlins Bundesligist hat sich im österreichischen Schladming auf die Saison vorbereitet.
© dpa

Trainingslager in Schladming: Hertha BSC hat genug geschwitzt

Hertha BSC reist zufrieden aus dem Trainingslager ab. Nur auf ein Saisonziel haben sich die Berliner noch nicht geeinigt.

Vladimir Darida ist ein ruhiger, netter und zurückhaltender Zeitgenosse, aber in diesem Moment brannten ihm die Sicherungen durch. Im Trainingslager von Hertha BSC lief gerade ein Spielchen, als sich der Tscheche den Ball griff und diesen in bester Kreisliga-Torhüter-Manier möglichst weit und möglichst sinnfrei quer über den ganzen Platz bolzte. Sein Chef reagierte mit einem kleinen Tobsuchtsanfall. „Vladi, was ist das?“, blaffte Pal Dardai für jeden auf der Tribüne hörbar, „sind wir hier im Kindergarten?“

In einer der folgenden Einheiten vermittelte der Trainer seine Unzufriedenheit einem anderen Spieler auf deutlich subtilere Art: Am heißesten Tag der Woche ließ er Ondrej Duda eine Stunde lang an der Seitenlinie auf- und absprinten, offenbar stimmten die Fitnesswerte des 22- Jährigen nicht. Es war eine mittlere Sensation, dass sich Duda bei Temperaturen von fast 40 Grad in der Sonne nicht übergeben musste. Abgesehen von solch kleineren Ausrastern und Foltermethoden zeigte sich Dardai grundsätzlich zufrieden und gnädig mit dem, was ihm sein 24-Mann-Kader beim nunmehr dritten Ausflug des Vereins ins 7000-Seelen-Städtchen Schladming angeboten hatte.

„Ich kann die Mannschaft nur für ihre Mentalität loben. Sie haben gemeinsam geschwitzt und aufmerksam zugehört“, bilanzierte der Coach am Samstag vor dem zweiten und abschließenden Testspiel des Trainingslagers gegen Galatasaray Istanbul. „Ich bin zufrieden mit dem Stand, den wir uns hier erarbeitet haben und hoffe, dass jetzt alle gesund bleiben“, ergänzte er, „dann sind wir soweit im Soll.“ Bei Kapitän Vedad Ibisevic hörte sich das sehr ähnlich an. „Ich glaube, dass wir einen guten Grundstein dafür gelegt haben, auch in der nächsten Saison wieder so gut und erfolgreich zu spielen wie in den letzten zwei Jahren“, sagte der Bosnier, der am Sonntag seinen 33. Geburtstag feiert.

Leckie hinterließ einen guten Eindruck

Inhaltlich hat Herthas Betreuerstab den Fokus in diesem österreichischen Hochsommer vor allem auf Pressing-Methoden und das Einstudieren sowie die Spieleröffnung mit einer Dreierkette statt mit der gewohnten Viererkette gelegt. „Bisher haben wir ja in jedem Jahr ein großes Element hinzugefügt“, sagt Dardai. 2016 etwa ging es primär um Ballbesitz und Spielverlagerung. Nun sei das Team beinahe komplett mit allen großen Aufgaben- und Themengebieten durch.

In der nächsten Trainingswoche, der letzten vor dem Pflichtspielstart im DFB-Pokal bei Hansa Rostock (14. August), wird es noch einmal im Detail um das Konter- respektive Umschaltspiel gehen, mit dem der Ungar in der letzten Saison phasenweise sehr unzufrieden war. Er erhofft sich vor allem Erkenntnisse darüber, inwiefern die neuen Spieler dieser alten Schwäche entgegenwirken können. „Ich bin gespannt, was sie uns bringen“, sagt Dardai.

Mathew Leckie ist einer der Neuen, die künftig für mehr Geschwindigkeit und bessere Flanken sorgen sollen. Der Australier darf sich nach wenigen Wochen in Berlin als einer der Gewinner der Vorbereitung fühlen, wenngleich Dardai namentlich niemanden hervorheben sollte. Dennoch sprach er einen bemerkenswerten Satz über den Mann, dem sie intern bereits einen Spitznamen verpasst haben: „Lex hat so trainiert, als wäre er schon länger bei uns.“

Und auch für die Jungs, die tatsächlich schon länger im Verein sind, gab es ausdrückliches Lob: Die ehemaligen A-Junioren Arne Maier, Julius Kade, Florian Baak und Palko Dardai, die Hertha kürzlich mit Profi-Verträgen ausgestattet hat, haben im Vergleich zu ihren ersten Trainingslagern mit den Profis sowohl im fußballerischen als auch im athletischen große Fortschritte gemacht.

Dardai setzt auf den Nachwuchs

„Es ist gut zu sehen, dass die Jungs von Woche zu Woche mutiger werden und sich verbessern. Aus diesem Grund haben wir sie ja auch mitgenommen“, sagte Coach Dardai, der die Verjüngung seines Kaders weiterhin konsequent fortsetzt: Abgesehen von Rune Jarstein, Peter Pekarik, Per Skjebred, Salomon Kalou und Kapitän Ibisevic ist kein Spieler im Berliner Aufgebot älter als 30 Jahre. Ob gerade die ganz jungen Jahrgänge schon echte Alternativen in der bevorstehenden Europapokal-Saison sein können, ist jedoch eher fraglich. „Sie haben gezeigt, dass sie uns helfen können“, sagt Dardai, „aber Kriege werden wir mit ihnen wohl noch nicht gewinnen können.“

Dem Trainer geht es bei den Jungs, die er aus seiner Zeit im Nachwuchsbereich bestens kennt, vor allem um die Perspektive, um ihre Entwicklung im Großen und Ganzen. Welch positiven Effekt regelmäßige Einsatzzeiten bei jungen Spielern haben können, ist bei Hertha anhand mehrerer Beispiele bestens dokumentiert: John Anthony Brooks, Niklas Stark, Mitchell Weiser, Marvin Plattenhardt, Maximilian Mittelstadt – die Liste ließe sich fortsetzen.

„Mit 20 muss man Bundesliga spielen, das ist eine Art Einführung“, sagt Dardai, „aber diesen Druck haben nicht die Jungs, die sind ja erst 18. Diesen Druck habe ich als Trainer.“ Liebend gern hätte er auch Zeit darauf verwendet, seinen prominentesten Neuzugang zielführend einzubauen, allerdings ist der verletzte Davie Selke – genau wie die angeschlagenen Niklas Stark und Jordan Torunarigha – vorsichtshalber in Berlin geblieben.

Starks und Torunarighas Abwesenheit führte übrigens dazu, dass sich die Mannschaft in Schladming noch nicht auf ein offizielles Saisonziel geeinigt hat. „Wenn wir alle wieder in Berlin zusammen sind, setzen wir uns hin und reden darüber, wie jedes Jahr“, sagte Dardai. Nach der Landung am Sonntag in Tegel dürfen sich die Profis zunächst einmal über zweieinhalb freie Tage freuen. Die nächste planmäßige Trainingseinheit findet am Mittwochnachmittag auf dem Schenckendorffplatz statt.

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