Alexander Zverev im Halbfinale der Australian Open: Schluss mit der Häme!
Deutschlands aktuell bester Tennisspieler wurde zuletzt viel kritisiert. Jetzt hat Alexander Zverev die Antwort auf dem Platz gegeben. Ein Kommentar.
Vor ein paar Wochen irrte Alexander Zverev noch orientierungslos durch die Tenniswelt. Oder wie es Boris Becker ausdrückte: Zverev konnte den Lichtschalter in einem dunklen Zimmer nicht finden. Jetzt, nach fünf Siegen bei den Australian Open, strahlt der junge Deutsche mit der Sonne in Melbourne um die Wette. „Ihr könnt euch nicht vorstellen, was mir das bedeutet“, sagte der 22-Jährige am Mittwoch nach dem erstmaligen Einzug in ein Grand-Slam-Halbfinale.
Dass Zverev kein so schlechter Tennisspieler ist, hat er hinlänglich bewiesen. Er gewann einige Turniere der Masters-Series, holte sich 2018 sogar den Titel bei den ATP-Finals in London. Doch bei den Grand Slams schied er Jahr für Jahr oft zuverlässig in den frühen Runden aus und musste dafür viel Kritik einstecken. Dazu kam eine gewisse Beratungsresistenz, die in der Trennung von Coach Ivan Lendl gipfelte. Stattdessen gibt sein Vater weiter den Ton auf dem Tennisplatz an.
Zverev zeigte sich in der Vergangenheit oft sprunghaft und zuweilen dünnhäutig
Viele Freunde hat sich Alexander Zverev in der Vergangenheit mit seinem sprunghaften, zuweilen dünnhäutig wirkenden Auftreten nicht gemacht. Gerade in Deutschland muss er immer wieder den Vergleich mit Boris Becker aushalten, dem er schwerlich gerecht werden kann. Nicht nur, weil er ganz anders spielt, sondern auch, weil Tennis hierzulande inzwischen zu klein ist. Einen ähnlichen Boom wie Becker in den 1980er Jahren kann Zverev gar nicht auslösen.
Daran wird auch der aktuelle Erfolg bei den Australian Open nichts ändern. Es ist einer, dem hoffentlich viele weitere folgen, womöglich sogar noch in Melbourne. Schließlich geht das Turnier ja weiter. Wichtiger für Zverev könnte aber die Tatsache sein, dass nun endlich Schluss ist mit der Häme. Denn zuweilen entstand in der Vergangenheit der Eindruck, dass so mancher Experte in Deutschland nur auf eine weitere Niederlage des Landmannes gewartet hat. Ganz nach dem Motto: Der Zverev hat es einfach nicht drauf.
Geduld ist eine Tugend, die sich im Tennis oft auszahlt. Alexander Zverev hat immer wieder betont, dass seine Zeit bei den Grand Slams kommen wird. Nun ist das erstmalige Vordringen in ein Halbfinale noch kein Grund, in Euphorie zu verfallen. Aber vielleicht hilft es, Zverevs Leistungen künftig etwas realistischer zu bewerten. Denn wo Schatten ist, gibt es irgendwo auch Licht. Und damit früher oder später einen Weg selbst aus dem dunkelsten Zimmer.