Amateur-Klasse: Ronny Rothé - der singende Stadionsprecher
In den unteren Fußball-Ligen Berlins gibt es zahlreiche besondere Spieler, Trainer und Typen. Wir stellen sie in unserer neuen Reihe vor. Heute: Ronny Rothé von SF Johannisthal.
Sonntag, 14.30 Uhr. Das heißt in Johannisthal Anpfiff für die Spiele der heimischen Sportfreunde. Doch ohne den Fußballern aus dem Berliner Südosten zu nahezutreten, das wahre Highlight am Segelfliegerdamm beginnt bereits acht Minuten früher. Denn der Landesligist hat den wohl bekanntesten Stadionsprecher der Stadt. Wenn Ronny Rothé, 61, seine Show startet, ist die Stimmung meist besser als in den folgenden 90 Minuten. „In Jo’thal soll es heute brodeln, kein Fan bleibt heut’ daheim“, singt Rothé live in seiner selbst geschriebenen Vereinshymne zu Schlagerklängen, bevor er die Mannschaftsaufstellungen verliest.
Rothé und seine Sprecherkabine, eine rote englische Telefonzelle, sind Kult in Johannisthal und auch in der Umgebung bekannt. Vor wenigen Wochen hatte er sogar einen Gastauftritt beim Oberligaspiel VSG Altglienicke gegen Tennis Borussia – vor deutlich mehr als den 100 Zuschauern, die meist nach Johannisthal kommen. „Das war natürlich etwas Besonderes“, erzählt Rothé, „ich gebe aber auch bei Minusgraden vor fünf Zuschauern alles.“
Der singende Stadionsprecher hat sichtlich Spaß an der Selbstinszenierung und genießt die Aufmerksamkeit. Diese erreichte vor etwa zwei Jahren ihren Höhepunkt, als mehrere Fernsehsender und Zeitschriften auf ihn aufmerksam wurden und sich der singende Stadionsprecher zum Youtube-Hit entwickelte.
Musik und Bühne liegen Rothé in den Genen, wie er selbst sagt. Sein Vater war Teil der Band „Die 3 Travellers“, Schöpfer der Hertha-Hymne „Blau-weiße Hertha“, die auch heute noch regelmäßig im Olympiastadion zu hören ist. Als DJ und Sänger bei Schlagerpartys ist Rothé jr. herumgekommen, beruflich machte er als Elektriker bis zur Rente aber etwas Handfestes.
Stadionsprecher wurde er per Zufall. Als sein Sohn mit dem Fußball anfing, wurde Rothé Jugendtrainer in Johannisthal. Vor etwa acht Jahren griff er erstmals zum Stadionmikro, damals noch ganz konventionell ohne musikalische Untermalung. Erst als seine Schlager-Show bei der Vereinsweihnachtsfeier gut ankam, baute er den Gesang in sein Programm ein. Ständig nur die Vereinshymne zu singen, kommt für Rothé allerdings nicht in Frage. Ein bisschen Abwechslung will er den Zuschauern schon bieten. Sogar einen Song über sein Dasein als Stadionsprecher hat Rothé im Repertoire.
Sein Erfolg am Mikro hat ihn zwar überrascht, als Alleinunterhalter befindet er sich aber genau in seinem Element. „Es ist doch toll, dass die Leute bei Johannisthal sofort denken: ‚Ach, der singende Stadionsprecher mit der roten Telefonzelle.‘“
Wir stellen an dieser Stelle besondere Typen aus unteren Ligen vor, egal ob Spieler oder Platzwart. Haben Sie Vorschläge? Schreiben Sie an sport@tagesspiegel.de!
Teil 1: Rudi Gutsmuths: Berlins ältester Fußball-Ultra
Teil 2: Rani Al-Kassem: Der Hulk der Berlin-Liga
Teil 3: Coco Shaheen: Der ägyptische Brasilianer
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