Fußball-Bundesliga: RB Leipzig macht Ernst
Von München bis Dortmund hoffen sie auf einen Einbruch bei RB Leipzig – bislang deutet wenig darauf hin.
An der Feinjustierung müssen sie noch ein bisschen arbeiten. Champions League, großes Theater, in zwei Wochen wird es ernst für RB Leipzig. Die Einstimmung auf den ersten Aufritt auf der europäischen Bühne fiel am Sonntag beim 4:1-Sieg über den SC Freiburg so berauschend aus, dass der Stadionsprecher ein wenig die Übersicht verlor. Jedenfalls verabschiedete er das selige Publikum aufs herzlichste in die Länderspielpause, bis zum nächsten Spiel gegen... „den FC Monaco“.
Na, bis zur Drucklegung der Eintrittskarten für das Auftaktspiel der Champions-League-Gruppe G gegen den vorjährigen Halbfinalisten AS Monaco werden sie dieses kleine Problem schon in den Griff bekommen. An den großen Schrauben drehen die Leipziger schon wieder so gut, wie das nicht unbedingt zu erwarten war. Ralph Hasenhüttl hat sich mit der Handhabung seines Werkzeuges anfangs ein wenig schwer getan. Das 0:2 zum Saisonstart bei Schalke 04 zauberte ein erleichtertes Lächeln auf die Gesichter der Konkurrenz. Ganz oben bei den Münchnern und Dortmundern, die nichts dagegen hätten, wenn der neureiche Konkurrent ein wenig schwächeln würde. Aber auch in Gelsenkirchen oder Leverkusen, deren Klubs sich in einer gar nicht so weiten Vergangenheit im Besitz eines Champions-League-Abonnements wähnten.
Mag ja sein, dass der Leipziger Code entschlüsselt ist, der auf Balleroberung, Gegenpressing und überfallartigen Angriffen basierende Stil. Aber Entschlüsselung allein ist kein Gegenmittel. Auch der SC Freiburg hat sich am Sonntag eine Halbzeit lang sehr achtbar verkauft – und war doch macht- und hilflos, als RB das erste Tor schoss und die Maschine ins Rollen kam. „Da konnten wir sie nicht mehr halten“, sagte Trainer Christian Streich. „Gegen diese unfassbare Qualität kannst du irgendwann nichts mehr machen.“
RB hat kein Interesse daran, im Fußball Geld zu verdienen
Natürlich ist diese Qualität vor allem der Liquidität eines österreichischen Brause-Milliardärs geschuldet. Wer kann es sich schon erlauben, ein 80 Millionen schweres Angebot aus Liverpool für den Mittelfeld-Antreiber Naby Keita auszuschlagen? Auch der Schwede Emil Forsberg hätte sich gern verändert, nach England oder Italien, aber das Leipziger Management wollte sich mit seinem Berater nicht einmal unterhalten. Wäre Ousmane Dembélé vor einem Jahr nicht nach Dortmund, sondern nach Leipzig gewechselt, müsste er sich die Spiele des FC Barcelona wohl immer noch im Fernsehen anschauen. RB hat kein primäres Interesse daran, im operativen Fußballgeschäft Geld zu verdienen. Die Wertsteigerung der Brause läuft über begleitende Marketing-Effekte, und die fallen um so großzügiger aus, je besser die Mannschaft spielt.
Das machen sie in Leipzig ganz geschickt mit der Fokussierung auf junges Personal, bei dem sich millionenschwere Ablösesummen leichter mit der positiv besetzten Plattitüde „Investition in die Zukunft“ rechtfertigen lassen. Wer hat in den Fankurven vor einem Jahr Keita gekannt – und wer kennt jetzt schon Jean-Kevin Augustin oder Bruma? In Fachkreisen sind beide durchaus ein Begriff. Der Franzose Augustin ist vor einem Jahr mit der französischen U 19 Europameister geworden und mit sechs Toren Topscorer des Turniers, knapp vor Monacos Jungstar Kylian Mbappé. Augustin hat in Paris auf höchstem Niveau trainiert, aber die Konkurrenz von Edinson Cavani, Julian Draxler oder Angel Di Maria stand einem Stammplatz im Weg. Auch Hertha BSC war an Augustin interessiert, aber die finanziellen Mittel hätten nur für ein Leihgeschäft gereicht, und daran hatte PSG kein Interesse. Dass die gut 13 Millionen Euro Ablöse gut investiertes Geld sein könnten, hat der Stürmer am Sonntag mehr als nur angedeutet.
Augustin war der auffälligste Mann auf dem Platz, gesegnet mit graziler Technik, immer in Bewegung und nie um eine Idee verlegen. „Er hat gezeigt, dass er uns besser macht“, sprach Trainer Hasenhüttl. Als Augustin nach 75 Minuten müde war, kam Bruma, für ihn hat RB 12,5 Millionen Euro Ablöse investiert. Bruma eilt der Ruf eines schwer erziehbaren Kindes voraus, dabei ist er immerhin schon 22. Aber Fußball spielen kann er, für diese Einschätzung genügte auch das Viertelstündchen gegen Freiburg. Gleich in seiner ersten Szene wuchtete der Portugiese den Ball mit einer Symbiose aus Technik und Präzision in den Winkel des Tores, wie sie schwerlich zu erlernen ist. „Kann man so machen“, befand Hasenhüttl.
Augustin und Bruma verleihen Leipzig mehr Tiefe
Augustin und Bruma verleihen dem Leipziger Kader auf höchstem Niveau jene Tiefe, die für das anspruchsvolle Programm in drei Wettbewerben Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Jahr ist. Dazu kommt, dass Timo Werner nach bescheidener Vorbereitung wieder so gut trifft wie in der vergangenen Saison und die ihm deutschlandweit entgegenschlagende Verachtung wegen seiner immer noch nicht verjährten Schwalbe mit einer Robustheit wegsteckt, als hätte er schon in allen großen Ligen der Welt gespielt. Am Sonntag machte sich das Publikum einen Spaß daraus, Werner für seine zwei Tore mit einem Lied zu feiern, mit dem er in leicht abgewandelter Form überall außerhalb Leipzigs beleidigt wird. Nur dass er in der Leipziger Arena als „Fußball-Gott“ besungen wird und nicht als Sohn einer Frau, die ihr Geld auf der Straße verdient.
Werners Nervenstärke nach den heftigen Anfeindungen vor einer Woche auf Schalke steht exemplarisch für die Unbekümmertheit der gesamten Mannschaft. Die ersten drei Halbzeiten dieser jungen Saison hat RB allesamt überlegen gestaltet und doch jeweils 0:1 verloren. Die vier Tore in der vierten Halbzeit am Sonntag wertete Hasenhüttl als „mentale Glanzleistung. Der erste Sieg ist immer der schwerste, und den haben wir ja jetzt.“ Die Botschaft dürfte angekommen sein – in Gelsenkirchen und Leverkusen, aber auch in München und Dortmund.