Corentin Tolisso und seine Landsmänner: Warum Spieler aus Frankreich die Bundesliga erobern
In diesem Sommer haben zahlreiche deutsche Klubs junge französische Fußballspieler verpflichtet. Dafür gibt es viele gute Gründe.
Von französischen Fußballspielern waren die Deutschen in der Regel begeistert, auch Franz Beckenbauer. Von ihm stammt der legendäre Satz: „Der Schapapapa ist ein begnadeter Fußballer.“ Für alle, die nicht zuordnen können, wen Beckenbauer damit meinte: Jean-Pierre Papin, den ehemaligen Welttorjäger, dessen Hochzeit aber gewiss nicht im Trikot des FC Bayern gewesen ist, für den er von 1994 bis 1996 spielte.
Gut 20 Jahre später schlägt die Mehrheit der Klubs aus der Bundesliga in diesem Sommer groß auf dem französischen Transfermarkt zu. Anders als bei Papin kaufen sie jedoch nicht alte Spieler, die ihren Zenit überschritten haben. Sondern junge bis sehr junge Spieler, die trotzdem schon einige Erfahrung vorweisen können.
Prominentestes Beispiel ist Corentin Tolisso. Für 41,5 Millionen Euro kam der Mittelfeldspieler von Olympique Lyon zum FC Bayern – er ist der teuerste Einkauf der Bundesligageschichte. Viele andere Bundesligisten verpflichteten ebenfalls hoffnungsvolle Franzosen: Borussia Dortmund holte Dan-Axel Zagadou von Paris Saint-Germain. RB Leipzig kaufte dessen ehemaligen Mitspieler Jean-Kévin Augustin. Schalke verpflichtete Amine Harit vom FC Nantes, Mainz leistete sich Abdou Diallo vom AS Monaco und Eintracht Frankfurt nahm Stürmer Sébastien Haller vom FC Utrecht unter Vertrag.
Die Ausbildung in Frankreich ist exzellent
Auch in der Vergangenheit verschlug es immer wieder mal starke Franzosen in die Bundesliga, wie früher Bixente Lizarazu oder Valérien Ismaël. Oder danach Franck Ribery und Ousmane Dembelé. Aber warum kommen plötzlich so viele Franzosen? Michel Pautot, Sportanwalt in Marseille und Herausgeber der jährlichen Studie „Sport und Nationalität“, ist davon nicht überrascht. „Das Niveau in der Breite ist in Deutschland viel höher als in Frankreich“, sagt er.
Auf der anderen Seite wissen die Bundesliga-Vereine, dass es in Frankreich viele Talente gibt. „Die Ausbildung ist in Frankreich exzellent“, sagt Gernot Rohr, der als Trainer unter anderem in Bordeaux und Nizza arbeitete. „Die Franzosen sind berühmt für ihre Schnelligkeit und Explosivität. Da sind sie im Durchschnitt besser als die Deutschen.“ Auch hätten viele Spieler, die aus den Banlieues stammten, eine hohe Motivation, um über den Fußball nach oben zu kommen.
Während immer mehr Franzosen in der Bundesliga spielen, sind nur drei Deutsche in der Ligue 1: Diego Contento (Girondins Bordeaux), Julian Draxler und Kevin Trapp (beide Paris St. Germain). Warum gibt es so wenige Deutsche in Frankreichs erster Liga? Hat das nur mit dem mäßigen Niveau zu tun? „Nein“, sagt Michel Pautot. Aus seiner Sicht liegt es auch am Scouting der Franzosen: „Viele Spieler kommen aus Nord- und Westafrika wegen historischer und kultureller Gründe. Die Sprache spielt eine wichtige Rolle.“ Auf dem deutschen Markt kennen sie sich nicht so gut aus.
Gernot Rohr nennt einen weiteren Grund. Es arbeiten kaum deutsche Trainer in Frankreich – derzeit gibt es in Peter Zeidler nur einen. Zeidler arbeitet beim Zweitligisten Sochaux. „Wenn mehr Deutsche in Frankreich als Trainer beschäftigt wären, dann würden mehr Spieler nach Frankreich wechseln, denn dann wäre die Sprachbarriere geringer“, sagt Rohr. Hinzu kommt, dass deutsche Spieler meist die Bundesliga einer Station im Ausland vorziehen. Wenn sie wechseln, dann oft zu Topteams, von denen es in Frankreich nicht viele gibt. „Deutschland“, sagt Michel Pautot, „ist im internationalen Fußball außergewöhnlich.“
Julien Duez