Hertha ohne Marko Grujic in Bremen: Per Skjelbred soll den Unersetzlichen ersetzen
Der Ausfall von Marko Grujic trifft Hertha BSC hart. Doch Ersatz für das Spiel am Dienstagabend in Bremen steht bereit. Es könnte Per Skjelbred sein.
Per Skjelbred ließ es ruhig angehen. Auf dem Trainingsplatz vergnügten sich bereits die ersten Spieler von Hertha BSC mit dem Ball, da kam der Norweger, begleitet von Mathew Leckie und Derrick Luckassen, gemessenen Schrittes den langen Weg von der Kabine hinauf. Wenn man Skjelbred nicht besser kennte, könnte man ihm schon eine gewisse Distanz zu dieser Veranstaltung namens Spiel-Ersatztraining unterstellen. Aber das ist Quatsch. „Er arbeitet gut“, hat Herthas Trainer Pal Dardai schon vor zehn Tagen über den defensiven Mittelfeldspieler gesagt, der in dieser Saison seinen Stammplatz eingebüßt hat und deshalb an den Tagen nach den Spielen eine ganz gewöhnliche Trainingseinheit absolvieren muss, während seine Kollegen aktiv regenerieren dürfen. Aber das könnte jetzt erst einmal vorbei sein.
Skjelbred, 31 inzwischen und seit 2013 bei Hertha, stand in den ersten drei Pflichtspielen dieser Saison nicht einmal im Kader, im vierten saß er zum ersten Mal auf der Bank, im fünften wurde er eingewechselt – und im sechsten am heutigen Dienstag (18.30 Uhr, Sky) bei Werder Bremen wird er wohl zum ersten Mal seit dem vorletzten Spieltag der Vorsaison wieder in der Startelf stehen. So schön das für Skjelbred sein mag, der Grund für seine Beförderung ist ein eher unschöner: Für den Norweger wird nur deshalb in Platz in Herthas Mannschaft frei, weil Marko Grujic erst einmal nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Der Serbe fällt mit einem Kapsel- und Bänderriss im Sprunggelenk aus. Viel schlimmer hätte es den Berliner Fußball-Bundesligisten kaum treffen können.
Grujic ist erst Ende August als Leihspieler vom FC Liverpool nach Berlin gekommen, aber mit gerade mal drei Einsätzen hat er sich bereits unentbehrlich gemacht. Der 22-Jährige ist ein entscheidender Faktor für den Aufschwung der Berliner, der sie auf Platz zwei hinter den Bayern geführt hat. Trainer Dardai hat Grujic als „Ausnahmespieler“ bezeichnet, der für den Klub eigentlich eine Nummer zu groß ist. Er steht sinnbildlich für die Balance in Herthas Spiel – weil er beides kann: in der Defensive aufräumen und die Offensive anschieben. Er ist präsent und zweikampfstark, dazu auf dem Feld ständig unterwegs. Grujic spielt einen sauberen Ball und denkt als Erstes nach vorne. Einen zweiten Spieler dieser Art hat Hertha nicht. Das macht seinen Ausfall so schwer erträglich.
Weil Grujic nicht eins zu eins zu ersetzen ist, denkt Trainer Dardai sogar über „eine andere Spielweise“ nach. Sicher ist aber, dass Ondrej Duda weiterhin die Zehnerposition einnehmen wird. „Wichtig ist, dass man eine Mannschaft zusammenstellt, die funktioniert.“ Beim Saisonauftakt hatte der Slowake etwas zurückgezogen neben dem Sechser Arne Maier gespielt; allerdings war Hertha da mit einer Dreierkette aufgelaufen. „Wir bleiben erst mal bei dem System mit der Viererkette“, sagt Dardai. „Dafür suchen wir noch einen stabilen Sechser.“
Per Skjelbred war lange einer der erklärten Lieblingsspieler seines Trainers
An Kandidaten mangelt es nicht. Neben Skjelbred kommt auch Derrick Luckassen für den Posten neben Maier in Frage. Der 23 Jahre alte Holländer, den Hertha kurz vor Ende der Transferperiode vom PSV Eindhoven ausgeliehen hat, hat am Samstag beim Heimsieg gegen Borussia Mönchengladbach ebenfalls sein Saisondebüt gefeiert. Luckassen gilt als in der Defensive vielseitig einsetzbar, ist allerdings eher ein Innenverteidiger. „Er kann da aushelfen, das stimmt“, sagt Dardai über eine mögliche Verwendung im defensiven Mittelfeld. „Ich glaube aber, das ist nicht seine Lieblingsposition. Und mein Problem ist: Wir haben ihn als Sechser noch nicht geprüft.“ Das alles hört sich nicht danach an, dass der Ungar diese Variante ernsthaft in Betracht zieht.
Möglich wäre es auch, Fabian Lustenberger wieder aus der Viererkette ins Mittelfeld vorzuschieben, in seine gewohnte Umgebung sozusagen. Dann aber müsste Dardai jemanden finden, der für Lustenberger in der Innenverteidigung spielt. Karim Rekik trainiert inzwischen wieder mit der Mannschaft, vollkommen überzeugt aber ist Herthas Trainer noch nicht, ob der Holländer die Belastung schon komplett wegstecken könnte. Deshalb deutet vieles, nein eigentlich alles auf Skjelbred als Vertreter von Marko Grujic hin, auch wenn Dardai sagt: „Ich habe sogar ganz andere Gedanken im Kopf.“ Auch Niklas Stark hat schon als Sechser gespielt, aber auch Stark wird im Moment eher in der Innenverteidigung gebraucht. Hinzu kommt, dass es nicht um eine provisorische Lösung für eine oder zwei Wochen geht. Im schlimmsten Fall fällt Grujic die komplette Hinrunde aus. „Wir müssen eine langfristige Lösung suchen“, sagt Dardai. „Derjenige, der jetzt kommt, muss bis Weihnachten richtig gut spielen.“
Per Skjelbred war lange einer der erklärten Lieblingsspieler seines Trainers. Wenn der Norweger fit war, stand er auch in der Startelf. Als Dardai ihm nun kurz vor Saisonstart mitteilte, dass er erst einmal außen vor sei, war er selbst den Tränen nahe. Aber er wolle etwas Neues probieren, mehr Vertikalität aus dem Mittelfeld ins eigene Spiel bekommen und damit größere Torgefahr generieren.
Damit kann Skjelbred (fünf Assists, kein Tor in den jüngsten 112 Bundesligaspielen) höchstens in der Theorie dienen. Der Mittelfeldspieler, den der Hamburger SV mal als Zehner verpflichtet hat, besitzt dafür andere Qualitäten: Er ist ein Arbeitstier, ein Balleroberer, aber eben kein Stratege, der aus der zurückgezogenen Position mit seinen Pässen das Spiel seiner Mannschaft lenkt. „Über die Jahre war Skjelbred immer stabil und zweikampfstark. Er ist fit“, sagt Dardai. Und Herthas Trainer hat schon vor zehn Tagen, als an einen Einsatz des Norwegers noch nicht zu denken war, angekündigt: „Wenn seine Chance kommt, wird er eine Topleistung bringen.“
So könnte Hertha spielen:
Jarstein – Lazaro, Stark, Lustenberger, Plattenhardt – Skjelbred, Maier – Kalou, Duda, Dilrosun – Ibisevic.