Basketball-Meisterschaft gegen Bayern München: Niels Giffey: Finale mit Flow
Im bisher wichtigsten Spiel der Saison gelingt Niels Giffey seine Karrierebestleistung. Nun will Alba Berlins Kapitän am Samstag in München auch die Meisterschaft holen.
Niels Giffey war bestens gelaunt. Der Kapitän von Alba Berlin hatte sich den idealen Zeitpunkt für seine Karrierebestleistung in der Basketball-Bundesliga ausgesucht. Beim 72:68 im vierten Spiel der Finalserie gegen die Bayern erzielte der 27 Jahre alte Berliner am Mittwoch 20 Punkte und verhinderte damit die vorzeitige Meisterfeier der Münchner. „Ich habe mich einfach heiß gefühlt und war in the zone“, sagte Giffey in bester deutsch-englischer Basketballfachsprache. Ist ein Spieler „in the zone“, hat er einen Lauf, dann gelingen ihm auch schwierige Dinge und das Selbstbewusstsein wächst ins Unermessliche. „Da willst du natürlich weitermachen, willst den Ball haben, willst weiter attackieren“, sagte Giffey. „Du fühlst dich, als ob der Korb dich anzieht.“
In der Sportpsychologie ist dieses Phänomen als „Flow“ bekannt, wissenschaftlich wollte sich Giffey seiner Glanzleistung aber nicht widmen. „Das wird mir jetzt zu philosophisch“, sagte er lachend auf die Frage, ob er bewusst in die „Zone“ gehe oder ob diese ihn finde.
Wie auch immer Giffeys herausragende Leistung zustande kam, ohne den Kapitän wäre Albas Saison wohl vorbei. Denn mindestens genauso beeindruckend wie seine 20 Punkte war seine unheimliche Effektivität. Giffey traf alle sechs Würfe aus dem Spiel und auch von der Freiwurflinie fünf von sechs Versuchen. Dazu kamen ein Ballgewinn sowie ein enorm wichtiger Block gegen Nihad Djedovic in den letzten zwei Minuten, als das Spiel auf der Kippe stand. „Niels war heute ganz wichtig. Er ist ein großer Spieler und hatte ein paar entscheidende Aktionen“, sagte Albas Luke Sikma.
In den USA gewann Giffey die College-Meisterschaft
Wen auch immer man nach dem Spiel fragte, der Tenor war der gleiche. „Es freut mich unheimlich für Niels“, sagte etwa Manager Marco Baldi. Giffey hat bei Alba einen extrem hohen Stellenwert. Er ist Berliner und spielte schon in der Jugend für Alba. 2009 holte er zusammen mit Joshiko Saibou die NBBL-Meisterschaft und kehrte auch nach vier Jahren in den USA, wo er mit der University of Connecticut gleich zweimal den renommierten College-Titel gewann, zurück in die Heimat. Bei Alba wurde er vor einem Jahr zum Kapitän ernannt, sportlich lief es in der aktuellen Saison aber nicht ideal. „Niels hatte dieses Jahr viele Probleme“, sagte Trainer Aito Garcia Reneses.
Schon in der Vorbereitung fiel Giffey mit einer hartnäckigen Knieverletzung aus. Als er gerade wieder in Fahrt kam, stoppte ihn im November ein gebrochener Daumen. „Das war eine schwierige Saison mit den Verletzungen“, sagte Giffey, dem die Nähe zu Familie und Freunden sehr hilft. „Es ist richtig schön, in der Heimat zu spielen.“ In den letzten Jahren habe er zahlreiche ehemalige Mitspieler und Schulkameraden wiedergetroffen. Wie er seien viele nach dem Studium zurück nach Berlin gekommen und jetzt gebe es wieder eine „riesige Crew“, die dann auch mal zu seinen Spielen komme. „Ich weiß gar nicht, wie viele Tickets ich schon besorgen musste“, sagte Giffey. „Das ist einfach geil.“
Dass er gerade vor so vielen alten Freunden seine Karrierebestleistung zeigte, rundete den perfekten Abend für Giffey ab. Denn über weite Strecken der Saison war nicht damit zu rechnen gewesen, dass der Kapitän in einem Entscheidungsspiel solch eine große Rolle spielt. Die Konstanz fehlte dem Small Forward, ordentliche und unauffällige Spiele wechselten sich ab. Während Neuzugänge wie Sikma, Marius Grigonis und Spencer Butterfield sowie Rückkehrer Saibou die Schlagzeilen beherrschten, flog Giffey meist unter dem Radar. „Niels hat auch schon in anderen Situationen einen großen Beitrag geleistet, das wurde aber nicht so sichtbar“, sagte Baldi. „Heute wurde es sichtbar und dass wir da stehen, wo wir stehen, hat viel mit Niels Giffey zu tun.“
Am Samstag in München fällt die Entscheidung
Auch abseits des Spielfeldes nimmt der Berliner eine wichtige Rolle ein. Für die Talente aus dem Nachwuchs ist er mit seinem Werdegang ein Vorbild, für die Fans eine Identifikationsfigur. Zudem ist er als Kapitän auch wesentlich für die Stimmung in der Mannschaft verantwortlich. Hier eine Reservierung für ein Teamessen im Restaurant, da ein offenes Ohr – es sind oft viele kleine Dinge, die der Öffentlichkeit verborgen bleiben. „Mit seiner Persönlichkeit ist er sehr wichtig“, sagt auch Reneses.
Dass Giffey und seine Mitspieler trotz der langen Saison und der enormen Strapazen der Play-offs so viel Spaß an der Arbeit haben, liegt zu einem großen Teil auch an dem spanischen Trainer. „Aito hat uns alle besser gemacht“, sagte Giffey. „Er hat eine coole Basketballkultur nach Berlin gebracht.“ Ob diese Basketballkultur mit der ersten Alba-Meisterschaft seit 2008 gekrönt wird, wird sich am Samstag herausstellen. Beim Stand von 2:2 fällt die Entscheidung im fünften Spiel der Finalserie am Samstag in München. „Für ein Spiel haben wir noch Kraft“, sagte Giffey. Ob er im finalen Finale selbst wieder glänzen kann, wird ihm im Falle eines Sieges vermutlich ziemlich egal sein. Die Stärke des Teams sei nämlich vor allem die Ausgeglichenheit. „Es ist einfach unsere Qualität, dass jeder aufstehen und an einem Abend sagen kann: Das wird mein Spiel!“ So wie Albas Kapitän am Mittwoch.