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Was soll das? Auch Bundestrainer Joachim Löw kann sich mit dem neuen Wettbewerb für Nationalmannschaften nicht anfreunden.
© picture alliance / Marius Becker

Startschuss für neuen Wettbewerb: Nations League: Das soll einer verstehen

An diesem Mittwoch findet die Auslosung statt. Die Nations League und ihr kompliziertes Format sind nicht nur in Deutschland umstritten.

Sepp Herberger ist nicht nur als Wundertrainer von Bern in die Geschichte eingegangen, er gilt auch als Schöpfer einiger scheinbar ewiger Wahrheiten über das Fußballspiel. Dass der Ball rund ist, wird kaum jemand bestreiten. Ob ein Spiel aber tatsächlich 90 Minuten dauert, darüber lässt sich schon trefflich streiten. Und auch in einer anderen Angelegenheit hat sich der frühere Bundestrainer des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) definitiv geirrt. Als der europäische Fußballverband Uefa Ende der fünfziger Jahre über die Einführung einer Europameisterschaft für Nationalmannschaften debattierte, hat sich Herberger als entschiedener Gegner dieses Wettbewerbs positioniert. „Was soll das?“, fragte er. „Ich habe kein Interesse, die Zeit zwischen den Weltmeisterschaften zu verschwenden.“ Und weil sein Wort im deutschen Fußball damals Gesetz war, verzichtete der DFB darauf, die Nationalmannschaft für die ersten beiden Europameisterschaften in den Jahren 1960 und 1964 zu melden.

Die Frage „Was soll das?“ stellt im Zusammenhang mit der Europameisterschaft inzwischen niemand mehr. Der Wettbewerb ist auch in Deutschland längst rehabilitiert und so hoch angesehen, dass der DFB alles daran setzt, die Endrunde im Jahr 2024 auszurichten.

Insofern gibt es noch Hoffnung für die Nations League, für die an diesem Mittwoch um 12 Uhr in Lausanne die Auslosung stattfindet. Es ist der nächste Wettbewerb für Nationalmannschaften, den sich die klugen Köpfe der Uefa ausgedacht haben und der in diesem Jahr erstmals ausgetragen wird. Auch in diesem Fall sind die Vorbehalte immens – vor allem in Deutschland. Herbergers Nachfahre Joachim Löw hat sich wegen der zusätzlichen Belastung als Gegner des Wettbewerbs zu erkennen gegeben. Und Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, der bisher nicht dadurch aufgefallen ist, dass er es ehrenrührig findet, Geld zu erwirtschaften, hat zum Thema Nations League gesagt: „Man hat am Ende das Gefühl, die Uefa muss noch mal Geld erwirtschaften und macht deshalb den Wettbewerb.“

So richtig im Bewusstsein der Öffentlichkeit ist dieser Wettbewerb noch nicht angekommen. Und wer sich doch ein wenig mit ihm beschäftigt, der landet am Ende immer wieder bei denselben beiden Fragen: Wie funktioniert diese Nationenliga eigentlich? Und was soll das überhaupt? Die zweite Frage ist recht einfach zu beantworten. Die Nationenliga ist ein weiteres Produkt, das die Uefa gewinnbringend vermarkten kann, auch wenn der Verband das Gegenteil behauptet: „Finanzielle Aspekte stehen bei diesem Wettbewerb nicht im Vordergrund“, ist auf der Homepage der Uefa nachzulesen.

Es gibt gravierende Auswirkungen auf den Spielkalender

Stattdessen geht es darum, „die Qualität und den Stellenwert des Nationalmannschaftsfußballs zu verbessern“. Diese Ansicht vertritt auch DFB-Präsident Reinhard Grindel, der deshalb sogar Oliver Bierhoff vehement widersprochen hat. „Ich glaube, dass es Sinn macht, die Freundschaftsspiele durch einen neuen Wettbewerb zu ersetzen, der den Konkurrenzgedanken und das Gefühl stärkt, dass es um etwas geht“, hat Grindel gesagt. Für viele kleine und mittlere Länder biete die Nations League die große Chance, „regelmäßig Spielbetrieb zu haben und nicht auf Freundschaftsspiele angewiesen zu sein“.

Die andere Frage – Wie funktioniert das eigentlich? – ist dafür umso komplizierter. Tatsache ist, dass der neue Wettbewerb gravierende Auswirkungen auf den internationalen Spielkalender haben wird. Die Qualifikation für die Europameisterschaft 2020 beginnt nicht, wie bisher, im Herbst nach der WM, sondern erst im März 2019. Und die Play-offs für die EM werden nicht mehr im November vor der Endrunde ausgetragen, sondern erst im März 2020. Und das zudem in veränderter Form (dazu später mehr). Nach bisheriger Planung sollen die Vorrundengruppen für die Europameisterschaft wie gehabt ein gutes halbes Jahr vor der Endrunde (also im Dezember 2019) ausgelost werden – allerdings stehen dann noch gar nicht alle Teilnehmer des Turniers fest. Auf der Internetseite der Uefa ist für den 1. April 2020 daher eine weitere Auslosung terminiert, mit dem Zusatz: „wenn nötig“.

Doch der Reihe nach: Künftig wird die Nations League alle zwei Jahre, jeweils nach großen Turnieren, ausgetragen. Alle 55 Mitgliedsnationen der Uefa nehmen daran teil. Sie werden ihrer Stärke gemäß in vier Ligen unterteilt. In Liga A spielen die Teams mit den besten Koeffizienten, in Liga D die mit den schlechtesten. Jede Liga ist zudem in vier Gruppen unterteilt. In Liga A, in der die Deutschen starten werden, und in Liga B gibt es vier Dreiergruppen; in Liga C sind es eine Dreier- und drei Vierergruppen, in Liga D vier Vierergruppen. Innerhalb einer Gruppe spielt jeder gegen jeden, jeweils in Hin- und Rückspiel.

Die Nationalmannschaft ist als Gruppenkopf in Liga A gesetzt

Die Einteilung der Ligen steht bereits fest; in welcher Gruppe die 55 Teams landen, das wird am 24. Januar in Lausanne ausgelost. Das DFB-Team ist als einer von vier Gruppenköpfen gesetzt und kann daher nicht auf Portugal, Belgien und Spanien treffen. Mögliche Gegner sind Frankreich, England, Italien und die Schweiz aus Topf zwei sowie Polen, Island, Kroatien und Holland aus Topf drei. Für die Gruppenphase sind je zwei Spieltermine im September, Oktober und November reserviert. Da die deutsche Nationalmannschaft nur zwei Gruppengegner und entsprechend vier Partien zu bestreiten hat, bleiben noch zwei Termine, an denen Bundestrainer Löw mit seinem Team Freundschaftsspiele bestreiten kann.

Die vier Gruppenletzten aus Liga A, B und C steigen ab und spielen bei der nächsten Ausgabe der Nations League im Jahr 2020 entsprechend eine Liga tiefer; im Gegenzug steigen die Gruppensieger aus Liga B, C und D in die jeweils höhere Liga auf. Dazu ermitteln die vier Gruppensieger aus Liga A in einer Endrunde den Gesamtsieger der Nations League. Vom 5. bis 9. Juni 2019 wird es ein Finalturnier mit zwei Halbfinals, dem Spiel um Platz drei und dem Endspiel geben. Ausgetragen wird dieses Final Four in einem der vier teilnehmenden Länder. Die Platzierung in der Nations League (und nicht mehr der Uefa-Koeffizient) entscheidet zudem künftig darüber, in welchem Lostopf eine Mannschaft bei der Auslosung der nächsten European Qualifiers landet.

Der Anreiz: Vier Startplätze bei der EM 2020

Als weiteren Anreiz lobt die Uefa über die Nations League vier Startplätze für die EM 2020 aus – und jetzt wird es erst richtig kompliziert. Die normale Qualifikation findet zwischen März und November 2019 statt. Aus den zehn Qualifikationsgruppen qualifizieren sich jeweils die beiden Erstplatzierten für das Paneuropa-Turnier. Vier weitere Teilnehmer werden im März 2020 in Play-offs ermittelt. Wer diese bestreiten darf, entscheidet sich in der Nations League. In der Theorie sind es die Ersten aller 16 Gruppen. Da sich jedoch einige von ihnen schon über die reguläre EM-Qualifikation die Teilnahme an der Endrunde gesichert haben dürften, rückt in einem solchen Fall aus jeder Gruppe das am besten platzierte Team nach, das die Qualifikation noch nicht geschafft hat.

Die Ligen A, B, C und D spielen jeweils einen EM-Teilnehmer aus – das heißt, auch Nationen wie Aserbaidschan, Luxemburg oder Kasachstan haben erstmals eine realistische Chance, an einem großen Turnier teilzunehmen. Von den 16 Teams in Liga D hat es bisher nur Lettland (2004 in Portugal) einmal zu einer EM-Endrunde geschafft. Anders als bisher bestehen die Play-offs nicht aus Hin- und Rückspiel. Die vier Vertreter einer Liga bestreiten zwei Halbfinals (mit nur einem Spiel), die beiden Sieger ermitteln dann in einem Finale den EM-Teilnehmer. Sind in einer Liga bereits so viele Teams für die Europameisterschaft qualifiziert, dass es weniger als vier Teams für die Play-offs gibt, rückt eine Mannschaft (oder mehrere) aus der Liga darunter nach.

Alles ganz klar, logisch und leicht zu verstehen also. Bliebe nur noch eine Frage: Was hätte wohl Sepp Herberger zu all dem gesagt?

Die Einteilung der Ligen:

Liga A (zwölf Teams, vier Dreiergruppen): Deutschland, Portugal, Belgien, Spanien, Frankreich, England, Schweiz, Italien, Polen, Island, Kroatien, Holland.

Liga B (zwölf Teams, vier Dreiergruppen): Österreich, Wales, Russland, Slowakei, Schweden, Ukraine, Irland, Bosnien-Herzegowina, Nordirland, Dänemark, Tschechien, Türkei.

Liga C (Fünfzehn Teams, drei Vierergruppen, eine Dreiergruppe): Ungarn, Rumänien, Schottland, Slowenien, Griechenland, Serbien, Albanien, Norwegen, Montenegro, Israel, Bulgarien, Finnland, Zypern, Estland, Litauen.

Liga D (Sechzehn Teams, vier Vierergruppen): Aserbaidschan, Mazedonien, Weißrussland, Georgien, Armenien, Lettland, Färöer, Luxemburg, Kasachstan, Moldawien, Liechtenstein, Malta, Andorra, Kosovo, San Marino, Gibraltar.

Der Zeitplan:

24. Januar 2018: Nations League, Auslosung der Ligaphase in Lausanne

6. bis 8. September: 1. Spieltag

9. bis 11. September: 2. Spieltag

11. bis 13. Oktober: 3. Spieltag

14. bis 16. Oktober: 4. Spieltag

15. bis 17. November: 5. Spieltag

18. bis 20. November: 6. Spieltag

2. Dezember: Gruppen-Auslosung EM-Qualifikation

Anfang Dezember: Nations League, Auslosung der Halbfinals

5. bis 9. Juni: Nations League, Final Four
22. November: Auslosung Play-offs zur EM 2020

Anfang Dezember: Auslosung EM-Endrunde

26. bis 31. März 2020: Play-offs zur EM 2020

1. April: Weitere Auslosung für die EM-Endrunde, wenn nötig

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