Fußball-Europameisterschaft: Warum die EM 2020 ein Desaster wird
Eine Europameisterschaft lebt von den Fans. Deswegen wird das nächste Turnier 2020 atmosphärisch eher desaströs.
Es gibt ein fürchterliches Wort im Deutschen, das einen Vorgang bezeichnet, bei dem etwas verbessert werden soll, letztlich aber verschlimmert wird. Kurioserweise beschreibt dieser Begriff exakt das, was er selbst mit der deutschen Sprache macht: verschlimmbessern. Sucht man in den gängigen Online-Wörterbüchern nach einer französischen Entsprechung zeigt sich: Im Französischen gibt es dieses Wort nicht. Nur ein einziger Mensch in Frankreich scheint es zu kennen: Michel Platini.
Inzwischen ist Platini nicht mehr Präsident des europäischen Fußball-Verbands Uefa, in der Zeit vor seinem Rücktritt hat der Mann aber einige Neuerungen auf den Weg gebracht, die man getrost als Verschlimmbesserungen bezeichnen kann. Die Aufstockung der EM von 16 auf 24 Teams ist auf seinem Mist gewachsen und zumindest streitbar. Mit der Nations League wurde ein zusätzliches, umstrittenes Mini-Turnier unter Platini auf den Weg gebracht. Außerdem war es seine Idee, die EM 2020 in ganz Europa austragen zu lassen. Die Europameisterschaft 2020 ist die Jubiläums-EM zum 60. Geburtstag des Turniers, dass sie international stattfindet, fand Platini „romantisch“.
Nun ist Romantik ja erst einmal eine tolle Sache, aber die Idee einer internationalen EM ist ein Desaster. Denn was sind die Lehren dieser Europameisterschaft? Unter dem aufgestockten Teilnehmerfeld leidet die Qualität. Was das Turnier dennoch besonders macht, sind die Fans. Zehntausend Isländer, die ihr Team über Wochen begleiten. Tausende Nordiren, die der EM einen Sommerhit schenkten. Zahllose Waliser, die mit dabei waren, als ihre Mannschaft Geschichte schrieb. Iren, Albaner, Ungarn, Kroaten – Fans sämtlicher Nationen, die vor Ort eine so gute Zeit hatten, dass sie gesanglich darum baten, sie möge niemals enden: „Please don't take me home.“
Zwischen dem westlichsten Austragungsort 2020 in Dublin und dem östlichsten in Baku liegen 5200 Kilometer. Von Marseille kann man mal eben im Auto nach Lyon oder Lille fahren, von Dublin nach Baku eher nicht. Die Heerscharen von Fans, die dieses Turnier so bunt und außergewöhnlich gemacht haben, wird man 2020 deshalb vergeblich suchen. Oder rechnet irgendjemand damit, dass zehntausend Isländer nach Baku fliegen, um ihr Team zu sehen, wenn am nächsten Morgen schon der Flieger nach Brüssel geht? Singen die Waliser traurig „Please don't take me home“ am Check-in, wenn der Flug nach Hause zwar gebucht, das Team aber überraschend weitergekommen ist?
Turnierfeeling wird sich so nicht einstellen, viel eher macht die Uefa die EM endgültig zu einem Fernsehevent. Die Sponsoren wird das freuen, denn die Einschaltquoten werden so hoch sein wie nie. Schließlich werden all jene, die eigentlich zu den Spielen fahren würden, das Turnier zuhause vorm Fernseher verfolgen. Wohl oder übel.
Stephan Reich
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