Kolumne: So läuft es: Liebe Läuferinnen, habt keine Angst!
Gewalt gegen Läuferinnen häuft sich. Dennoch will sich unser Kolumnist nicht in die lange Liste der Angstmacher einreihen.
Eine überfallene Läuferin im April im Berliner Mauerpark. Sie wurde mit einem Ziegelstein niedergeschlagen. Im Juni versuchte ein Mann, eine Joggerin in Augsburg zu vergewaltigen, sie wehrte sich. Der Mann ließ von ihr ab. Kurz zuvor tötete ein Fernfahrer eine junge Läuferin in der Nähe von Freiburg im Breisgau, nachdem er sie auf schlimmste Art und Weise vergewaltigt hatte. Gefühlt erreichen uns beinahe wöchentlich diese erschütternden Nachrichten. Und die Liste dieser Fälle wird immer länger. Besonders krude ist: Die Frauen wurden in einer Situation überfallen, in der sie ganz bei sich waren. Sie liefen einfach nur. Um sich etwas Gutes zu tun. Und sie bekamen die Hölle. Sie waren wehrlos, denn beim Laufen hat man in der Regel keine Gegenstände bei sich, mit denen man sich eventuell wehren kann. Alleine die Vorstellung, in einer absoluten Situation des Friedens mit sich selbst, im Moment des mit sich eins sein überfallen zu werden. Das ist schwer auszuhalten.
Jede einzelne dieser Nachrichten hat mich tief berührt. Denn hinter jeder einzelnen Nachricht steht eine Geschichte. Die Geschichte einer Läuferin. In der Kriminalstatistik werden diese Straftaten nicht extra als Straftaten an Läuferinnen ausgewiesen. Und so gibt es keine Klarheit darüber, ob die Attacken nun tatsächlich mehr geworden sind, oder ob die Wahrnehmung nur sensibler geworden ist, weil die Medien darüber berichten. Am Ende ist das völlig zweitrangig. Denn jeder Fall ist ein Fall zu viel. Die Polizei scheint hilflos zu sein. Ihre Ratschläge erscheinen sehr absehbar. „Laufen Sie nicht alleine, immer mit Begleitperson“, oder „Gehen Sie besser im Hellen joggen“. Keine Kopfhörer, immer ein Handy bei sich führen, stets um sich sehen, besser kein Tierabwehrspray, weil man selbst wegen Körperverletzung angezeigt werden könne. Wirklich hilfreich wirken diese Tipps nicht. Denn so wie immer mehr Nachrichten dieser Art schüren sie vor allen Dingen eines: Angst.
Ich möchte mich an dieser Stelle nicht einreihen. Weder in die lange Liste der Experten, noch bei den Angstmachern. Was wäre, wenn wir alle zusammen einfach weiterlaufen? Wenn wir mutig durch die Parks und Anlagen joggen? Immer mit der Gewissheit: Ich kann auch morgen vom Auto angefahren werden. Das ist wahrscheinlicher als überfallen zu werden. Nehmen wir dann, wenn wir unsicher sind, einen Freund oder eine Freundin mit zum Laufen. Und üben wir dort unseren Lieblingssport aus, wo im Zweifel auch andere Menschen sind, nur für den Fall der Fälle. Niemals aber lassen wir uns Angst machen, und niemals laufen wir deswegen gar nicht mehr. Es gibt etwas, das nennt sich gesunder Menschenverstand. Und wer danach handelt, der muss vielleicht weniger Angst haben. Positive Energie überträgt sich. Und hoffentlich hält sie das Schlechte ab. Nennen Sie mich naiv, aber ich glaube daran. So läuft es.
Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.
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