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Neues altes Triumvirat? Nur bei Fredi Bobic (Mitte) ist sicher, dass er in der kommenden Saison für Hertha BSC arbeitet. Bei Pal Dardai (links) und Arne Friedrich ist noch keine finale Entscheidung gefallen.
© imago images/Camera 4

„Im Moment haben wir noch keine Mannschaft“: Jetzt fängt die Arbeit für Hertha BSC erst richtig an

Bleibt Pal Dardai Trainer? Was macht Arne Friedrich? Wie soll die Mannschaft aussehen? Bei Hertha BSC müssen nach dem Klassenerhalt viele Fragen geklärt werden.

Bei Hertha BSC ist in diesen Tagen einiges im Fluss, aber selbst in ungewissen Zeiten gibt es jetzt die ersten Gewissheiten. Bereits seit Samstag kurz vor halb sechs steht der erste Zugang für die neue Saison fest. Davie Selke kehrt nach Berlin zurück, nach anderthalb Jahren als Leihspieler bei Werder Bremen. Durch ihren Abstieg aus der Fußball-Bundesliga entfällt für die Bremer die Pflicht, Selke fest unter Vertrag zu nehmen.

Die Personalie ist nicht unbedingt dazu angetan, den Anhang von Hertha BSC in Ekstase zu versetzen. Selkes Zeit in Bremen war nicht gerade von Erfolg gekrönt. Drei Tore hat er in der eben zu Ende gegangenen Spielzeit für Werder erzielt, und dass die Bremer den Abstieg am letzten Spieltag nicht verhindern konnten, hatte auch etwas mit Davie Selke zu tun. So fahrig, wie der Stürmer am Samstag beim 2:4 gegen Borussia Mönchengladbach Mitte der ersten Hälfte die große Chance zum möglichen Ausgleich vergeben hat, dürften sich viele Hertha-Fans in ihren Vorbehalten bestätigt haben fühlen.

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Was also anfangen mit Selke, dessen Verkauf den Berlinern eine Ablöse in zweistelliger Millionenablöse eingebracht hätte? „Ich würde keinen Spieler abschreiben“, sagt Pal Dardai, der Trainer von Hertha BSC. „Manchmal sind Spieler mit Frust die besten.“ Außerdem war Selke in Dardais erster Amtszeit als Trainer bei Hertha ein wichtiger Faktor im Sturm. Fortschritte in seinem Spiel waren deutlich zu erkennen, Dardais Arbeit mit ihm machte sich bezahlt. „Davie ist einfach ein feiner Junge, ein fleißiger Junge. Bei mir hat er funktioniert und immer das Maximum rausgeholt.“

Wieso also sollte es Dardai nicht gelingen, Selke ein zweites Mal in die Spur zu bringen? Womit wir beim nächsten Problem und der nächsten Ungewissheit wären. Dass Selke und die anderen Profis von Hertha BSC auch in der kommenden Saison von Pal Dardai trainiert werden, ist keineswegs sicher, obwohl wenig bis gar nichts dagegen spricht. Der Interimstrainer hat seinen Job erfüllt. Er hat Hertha in der Bundesliga gehalten – und das unter denkbar komplizierten Voraussetzungen. „Solche Schwierigkeiten habe ich noch nie gehabt“, hat Dardai selbst über seine Mission gesagt. „Der Klassenerhalt war ein halbes Wunder.“

Wie steht Fredi Bobic zu Dardai?

Die erfolgreiche Rettung hat dem 45-Jährigen viel Wertschätzung eingebracht. Im Verein hat er viele einflussreiche Fürsprecher: Werner Gegenbauer, den Präsidenten, Carsten Schmidt, den Vorsitzenden der Geschäftsführung, und Arne Friedrich, den Sportdirektor, sowieso. Nur Fredi Bobic hat sich noch nicht zu dieser Schlüsselpersonalie geäußert, was nicht zwingend heißen muss, dass er in der Causa Dardai eine Minderheitenmeinung vertritt.

Sein Schweigen ist zunächst einmal seiner Vertragssituation geschuldet. Als Angestellter von Eintracht Frankfurt wäre es für Bobic wenig opportun, sich bereits jetzt öffentlich zu Personalfragen bei Hertha BSC zu äußern.

Am 1. Juni wird Bobic seinen Job als neuer Sportvorstand bei Hertha antreten und gleich eine Menge zu tun haben. Die Klärung der Trainerfrage ist die wohl wichtigste Personalie, aber bei weitem nicht die einzige. Auch die Zukunft von Arne Friedrich, der sich in den sechs Monaten als Sportdirektor viel Anerkennung erworben hat, ist weiterhin offen. Friedrich selbst hat sich noch nicht klar geäußert, was er eigentlich will.

Pal Dardai ist bezüglich seiner beruflichen Zukunft bisher ebenfalls eher vage geblieben, vielleicht ganz bewusst. Und doch bestehen bei ihm keine Zweifel, dass er schon wollte, wenn er denn dürfte. Nachdem er in seiner ersten Amtszeit zwischen 2015 und 2019 mit wenig Geld gute Arbeit geleistet hat, würden ihn die neuen finanziellen Möglichkeiten schon reizen. Zumal der Verein in den vergangenen beiden Jahren auf geradezu beeindruckende Weise gezeigt hat, dass viel Geld nicht vor Fehlern schützt.

Dardai kritisiert das neureiche Gebaren Herthas

„Hertha will groß werden“, sagt Dardai, „aber du kannst nicht groß werden, indem du 20 Spieler holst. Du musst systematisch vorgehen.“ Der Ungar hat das neureiche Gebaren des Vereins seit dem Einstieg des Investors Lars Windhorst vergleichsweise scharf kritisiert. Und das durchaus zu Recht. Denn nichts ist besser geworden, seitdem Dardai im Sommer 2019 gehen musste, weil Solidität plötzlich nicht mehr reichte und Hertha sich für was Besseres hielt. Im Gegenteil. Vieles wurde schlechter.

Die Versuchung ist jedenfalls groß, nun erneut viel Geld in die Hand zu nehmen, um die Defizite zu beheben, die in der abgelaufenen Saison zu Tage getreten sind. Davor warnt Dardai ausdrücklich und eindringlich. „Du kannst nicht noch einen Umbruch machen“, sagt er. „Es geht nicht, dass jetzt wieder acht neue Spieler kommen.“ Stattdessen müssten die Fehler klar analysiert werden, auch die Zusammensetzung der Mannschaft: Welche vier, fünf Spieler müssen weg? Wer könnte stattdessen neu hinzukommen?

Es war nicht alles schlecht

Die natürliche Fluktuation fällt in diesem Sommer eher gering aus. Außer Selke kehrt auch Arne Maier nach seiner Leihe aus Bielefeld zurück. Sicher ist zudem, dass Sami Khedira und Mathew Leckie den Klub verlassen. Bei Peter Pekarik, 34 Jahre alt und seit 2012 im Verein, denkt Hertha an eine Fortsetzung der Zusammenarbeit. Alles andere ist Verhandlungssache. „Der Verein muss einige Entscheidungen treffen“, sagt Dardai. „Das wird hart. Denn in diesem Moment hat Hertha noch keine Mannschaft. Wo sind die Schlüsselspieler? Wo ist die Achse? Wer ist lernfähig? Wer ist es nicht? Wer arbeitet mit? Wer ist gut für den modernen Fußball?“

Vor allem unter dem Mangel an Führungsspielern hat Hertha in der vergangenen Saison gelitten. Durch Khediras Karriereende besteht in dieser Hinsicht auch weiterhin erhöhter Bedarf. „Da fehlen schon zwei, drei Spieler“, sagt Dardai, obwohl er die Ausstrahlung von Kapitän Dedryck Boyata ausdrücklich lobt und auch die Entwicklung von dessen Stellvertreter Niklas Stark positiv hervorhebt.

„Ich hoffe, dass die Jungs aus dem halben Jahr gelernt haben“, sagt Herthas Trainer. Es war ja nicht alles schlecht. Als es richtig ernst wurde, hat die Mannschaft die Zeichen der Zeit erkannt. Zudem gab es erstaunlich wenige Störfaktoren von außen, die auf das Team eingewirkt haben. „Es war ein Jahr, in dem die Mannschaft, die Führung und die Fans in eine Richtung gegangen sind“, sagt Pal Dardai. „Wenn wir das so machen, dann hat Hertha BSC eine riesige positive Energie. Dann ist es schwierig, Hertha zu stoppen.“ Wenn.

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