Uli Hoeneß beim Spobis-Kongress: "Italien ist ein perfektes Beispiel, wie das alles in die Hose gehen kann"
Beim Sportbusiness-Kongress Spobis in Düsseldorf äußert sich der Präsident des FC Bayern München zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Klubs – und umgarnt Jupp Heynckes.
Selbst wenn er zu spät kommt, besitzt Uli Hoeneß noch ein Gespür für das richtige Timing. Eigentlich sollte der Präsident des FC Bayern München längst auf der Bühne stehen, er sei auch schon im Gebäude, heißt es, aber einstweilen steht Clemens Tönnies, der Aufsichtsratsvorsitzende des FC Schalke 04, beim Sportbusiness-Kongress Spobis in Düsseldorf allein vor dem Auditorium. Um die Zeit zu überbrücken, soll er noch schnell sagen, wie er denn die Vorstellung finde, dass die Fußball-Europameisterschaft 2024 nicht in Deutschland stattfinde, sondern in der Türkei. Bevor Tönnies antworten kann oder muss, geht die Tür auf, und Hoeneß erscheint.
Wie wird die Bundesliga im Jahr 2025 aussehen? Wird der Wettbewerb auf Dauer noch langweiliger, weil die Bayern ihrer nationalen Konkurrenz auch in Zukunft einsam vorweglaufen? Und verliert der deutsche Fußball weiter an Boden gegenüber Spanien und vor allem England? „Ich seh‘ das alles relativ gelassen“, sagt Hoeneß. So wirkt er auch.
Natürlich hätten die Klubs in England viel mehr Geld, „aber ich bin nicht der Meinung, dass das ewig anhält“. Hoeneß glaubt nicht, dass die Erlöse der Premier League aus der TV-Vermarktung dauerhaft auf dem bisherigen Niveau bleiben. In Italien ist die Medienausschreibung für die Serie A gerade gestoppt worden, weil sich die erwünschten Erlöse nicht erzielen lassen. „Der Fußball in Italien ist ein perfektes Beispiel, wie das alles in die Hose gehen kann“, sagt der Präsident der Bayern. „In den Stadien modert’s an allen Ecken und Enden, und jeder zweite Verein gehört einem Chinesen.“
"Immer nur die Geldbörse zu zücken", sei keine Lösung
Auch in England gehe „dieses Investorengehabe“ den Fans „langsam auf die Nerven“. Es sei keine Lösung, „immer nur die Geldbörse zu zücken; meistens sind es ja auch Söldner, die man kriegt“. Andererseits erzählt Hoeneß, dass er im Sommer Dietrich Mateschitz von Red Bull getroffen und ihm dabei geraten habe: „Stecken Sie die paar 100 Millionen, die Sie in die Formel 1 investieren, in ihre Mannschaft in Leipzig.“ Dann könne RB die Bayern wirklich attackieren, nicht aber, wenn der Klub weiter nur Spieler verpflichte, die nicht älter als 23 sind. „Mit der jungen Mannschaft werden Sie uns nicht packen.“
Hoeneß hält das Wehklagen über den Zustand der Bundesliga für medial übertrieben. Und wie schnell aus medial aufgeblasenen Themen die Luft wieder raus sein kann, hat er mit den Bayern in den vergangenen Wochen erlebt. Gleich drei Mal erzählt Hoeneß, dass im Herbst schon die Wachablösung im deutschen Fußball verkündet und von RB Leipzig oder Borussia Dortmund geschwärmt worden sei. Und jetzt, gerade ein paar Wochen später? Wird wieder die ewige Langeweile angesichts der bayrischen Dominanz beklagt.
„Wir haben zum Glück den richtigen Griff getan“, sagt Hoeneß und meint die Entscheidung, dem 72 Jahre alten Jupp Heynckes die kriselnde Mannschaft anzuvertrauen. Seit Wochen wirbt Hoeneß dafür, dass das auch über die Saison hinaus so bleiben soll – weil Heynckes mit seiner Art genau der richtige Trainer für diese Mannschaft sei, die sich im Umbruch befinde. „Das moderiert er perfekt“, sagt er. „Wenn ich mir einen Trainer malen sollte, würde er sehr dem Josef Heynckes aus Schwalmtal gleichkommen.“ Dessen fortgestrittenes Alter sieht Hoeneß nicht als Problem: „Er muss ja nicht 500 Meter am Stück laufen. Er muss sein Hirn einsetzen, das kann er nach wie vor.“
Hoeneß hofft weiter auf Heynckes
Heynckes hat sich in dieser Sache eigentlich unmissverständlich geäußert: Er bleibe bis zum Sommer, und daran werde sich nichts ändern. Trotzdem beziffert Hoeneß die Chance, seinen Trainer umzustimmen, auf zehn Prozent. Auf nur zehn Prozent, „aber ich gebe nicht auf“. Für den Fall, dass Hoeneß auf die Idee kommen sollte, ihm seinen Trainer Domenico Tedesco abzuwerben, droht Tönnies ihm scherzhaft die Prügelstrafe an. Aber ein Ausbruch von Gewalttätigkeiten ist nicht zu befürchten. Hoeneß sagt, Tönnies müsse sich keine Sorgen machen.
Es reicht ja schon, dass der Schalker Nationalspieler Leon Goretzka ab der kommenden Saison für die Bayern spielen wird. Dass Hoeneß – mit Blick auf die Konkurrenz aus England – gesagt hat, es sei nicht seine Art, immer noch mehr Spieler für noch mehr Geld zu holen, „da halte ich sehr viel von“, sagt Tönnies und schlägt Hoeneß zur Sicherheit noch einmal auf die Schulter, damit er weiß, wie es gemeint war. Hoeneß lächelt.
Die Dominanz der Bayern sei schon jetzt erdrückend, findet Schalkes Aufsichtsratsvorsitzender, dem Rest der Liga seien sie weit enteilt. Aber das heiße nicht, „dass wir in Demut kaputt gehen“, sagt Tönnies. „Wir müssen als Gesamtheit die Furcht vor dem FC Bayern verlieren.“ Und Geduld haben. Vor 60 Jahren ist Schalke zuletzt Deutscher Meister geworden. Nichts treibt die Fans des Klubs derart an, als diesen Titel endlich wieder zu gewinnen. „Wir arbeiten daran, dass wir auch mal dran sind. Irgendwann“, sagt Clemens Tönnies. „Ich bin ja auch schon 62 und weiß nicht, ob ich das noch erleben werde.“