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Plakativ: Die Bayern-Fanszene ist anderer Meinung als ihr Präsident Herbert Hainer.
© Ulmer/Imago

Diskussion um die 50+1-Regel: Investoren werden den Bundesliga-Fußball nicht retten

Die Probleme des deutschen Profifußballs haben wenig mit der 50+1-Regel zu tun. Die Branche hat sich von den Perspektiven blenden lassen. Ein Kommentar.

In Zeiten wie diesen werden viele Dinge hinterfragt, Gewohnheiten und Abläufe, Haltungen und Handlungen. Wie wollen wir unserer Zusammenleben nach der Coronavirus-Krise organisieren, was wird wieder werden wie vorher und was nicht? Und: Was darf nicht wieder so werden wie vor der Pandemie? Die Debatte darüber ist längst entfacht.

Der deutsche Profifußball hat als einer der ersten großen gesellschaftlichen Bereiche ein Konzept vorgestellt, wie ein vertretbares Hochfahren des Betriebs aussehen könnte. Mit allem Für und Wider. Klar, er tut es, weil er a) die Kraft und den gesellschaftlichen Wert dazu hat und b) dazu auch verdammt ist. Ohne die schrittweise Wiederaufnahme des Spielbetriebs drohen der Branche schwere Verwerfungen bis hin zu Insolvenzen.

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Nicht alles, was derzeit auf den Tisch kommt, hilft. Wie etwa der Vorschlag von Herbert Hainer, seit November Präsident des FC Bayern München. Da der Berufsfußball in schwere Wasser geraten ist, empfiehlt der frühere Vorstandschef eines großen Sportartikelherstellers, die sogenannte 50+1-Regel zu überdenken.

Nach dieser Vorschrift ist es Anlegern nicht möglich, die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften zu übernehmen, in die Fußballvereine ihre Profimannschaften ausgegliedert haben. Hainer befürwortet, dass es den Vereinen selbst überlassen werden sollte, wie viele Stimmrechte sie Investoren künftig gewähren.

Möglich, dass ein Saisonabbruch einige Klubs in die Arme von Investoren treiben könnte. Hans-Joachim Watzke, Chef von Borussia Dortmund, orakelte unlängst, dass dann „die weißen Ritter“ kämen, die sagen: „Ich gebe euch Geld. Aber dann müsst ihr auch dafür sorgen, dass 50+1 fällt.“ Und dann werde alles nur noch schlimmer, hohe Eintrittspreise, noch höhere Ablösesummen und Spielergehälter.

Der Chef spricht: Bayern-Präsident Herbert Hainer hat seine eigene Meinung zur 50+1-Regel.
Der Chef spricht: Bayern-Präsident Herbert Hainer hat seine eigene Meinung zur 50+1-Regel.
© Lackovic/Imago

Die Probleme des deutschen Profifußballs haben herzlich wenig mit der 50+1-Regel zu tun. Die boomende Branche hat sich von den glänzenden Perspektiven blenden lassen. Jahres-Budgets in dreistelliger Millionenhöhe sind in der Bundesliga gang und gäbe. Womit viele Vereinsführungen überfordert sind.

Es wurde leichtfertig gewirtschaftet. Nicht nur Spieler und Berater haben sich die Taschen gefüllt. Manche Vereine haben dafür sogar die Rechte an zukünftigen TV-Einnahmen im Vorfeld an andere Geldgeber verkauft. Jetzt machen sich genau diese Verpfändungen wegen der Einnahmeausfälle der zunächst ausgebliebenen TV-Geld-Tranche besonders bemerkbar.

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Würde es so weit nicht kommen, wenn die 50+1-Regel fiele und ein Investor das Sagen in einem Verein hätte? Richtig ist, dass – andersherum – diese Regel vielen heute bedrohten Vereinen nicht geholfen hat, unbeschadet durch die Krise zu kommen. Aber die Antwort auf die Frage lautet: Nein, denn für die Schwierigkeiten, die jetzt sichtbar werden, haben die Vereinsführungen schon ganz allein gesorgt.

Der Profifußball braucht einen anderen, einen neuen Dreh: Weg von der Maßlosigkeit, er sollte neue Strukturen schaffen, Rücklagen bilden, sich wirtschaftlich und ökologisch neu aufstellen. Vor dieser Aufgabe steht nicht nur der Fußball.

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