Coronavirus-Krise trifft deutschen Fußball: Bundesliga-Klubs droht die Insolvenz – Unions Hauptsponsor meldet sich
Sieben Zweitligisten und ein Bundesligist stehen angeblich noch im Mai vor der Insolvenz. Union drohen hohe Verluste, Hertha bleibt gelassen.
- Christopher Stolz
- Claus Vetter
- David Joram
Dass die Fußball-Bundesliga im Mai unbedingt wieder spielen möchte, ist ein frommer Wunsch. Denn selbst Geisterspiele scheinen angesichts der aktuellen Krise doch in der Realität in ein paar Wochen kaum vorstellbar. Der fromme Wunsch, laut geäußert auf der Sitzung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in der zurückliegenden Woche, hat aber einen ernsten Hintergrund.
Die durch das Coronavirus bedingte Zwangspause des Spielbetriebs hat nämlich große Auswirkungen auf die Situation einiger Klubs in der Bundesliga und der zweiten Liga. Der „Kicker“ berichtet, dass 13 von 36 Profiklubs eine Insolvenz droht, wenn nicht bald wieder gespielt wird.
DFL kommt bedrohten Bundesliga-Klubs entgegen
Angeblich stehen ein Bundesligist und sieben Zweitligisten bereits im Mai vor dem Gang in die Insolenz. Der Bundesligist, so heißt es, könne nur noch bis Mai seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen. Wenn bis Juni nicht wieder gespielt wird, kämen laut „Kicker“ drei weitere Bundesligisten und zwei Zweitligisten hinzu. Allein durch fehlende TV-Einnahmen würde dem Großteil der Bundesliga-Vereine ein zweistelliger Millionenbetrag fehlen.
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Fließt die vierte Tranche aus den TV-Vermarktungsrechten nicht, würden etwa dem 1. FC Union rund neun bis zehn Millionen Euro fehlen. In Köpenick hatten sie vor der Saison mit Gesamteinnahmen von knapp 75 Millionen kalkuliert, fast die Hälfte (36 Millionen) sollte aus den TV-Erlösen stammen.
Zusätzlich fehlen dem Klub Einnahmen aus den Heimspielen und möglicherweise Sponsorengelder. Am Samstag war der Klub für Anfragen in dieser Thematik nicht zu erreichen, dafür Hauptsponsor Aroundtown.
„Wir stehen Union zu 100 Prozent und unverändert zur Seite. Wir sind in regelmäßigem Kontakt mit dem Präsidium“, teilte Geschäftsführer Andrew Wallis auf Tagesspiegel-Anfrage schriftlich mit. Man habe Unions Präsidiumsmitglied Oskar Kosche bereits Entgegenkommen signalisiert. „Union weiß, dass sie sich auf uns verlassen können“, so Wallis.
Das dürfte Unions Präsident Dirk Zingler gerne hören; der Präsident hatte schon zu Beginn der Krise betont, dass Union als Bundesliga-Neuling nicht über dieselben Reserven wie manch anderer gestandene Bundesligist verfüge. Durch Kurzarbeit und Gehaltsverzicht der Profis, die auf rund 20 bis 30 Prozent ihres Verdiensts verzichten, wollen die Berliner Liquiditätsengpässe vermeiden.
Insgesamt zwölf Klubs sollen ihre Einnahmen aus der vierten Rate der Fernsehgelder abgetreten haben – an Banken und andere Partner. Das heißt allerdings noch nicht, dass die Klubs nicht weiterspielen können würden. Und: Die DFL hatte auf ihrer Sitzung angekündigt, dass bei einer Insolvenz den Klubs in der aktuell unterbrochenen Saison kein Punktabzug drohen würde.
Zahlreiche Klubs im deutschen Profifußball haben wie Union bereits Kurzarbeit angemeldet, viele Spieler verzichten freiwillig auf einen Teil ihres Gehalts. Welche Klubs akut bedroht sind, darüber spekuliert der „Kicker“ nicht.
In der „Bild“-Zeitung allerdings sagte der Finanzvorstand des FSV Mainz 05, Jan Lehmann, vor ein paar Tagen schon, dass der Bundesligist „ein Problem hätte“, wenn die Mai-Rate aus den TV-Geldern nicht gezahlt würde. Lehmann weiter: „Die Medienerlöse sind für uns existenziell wichtig.“ Das Worst-Case-Szenario, das die Mainzer der DFL vorgelegt haben, rechnet einen Fehlbetrag von mehr als 20 Millionen Euro vor, sollte die Saison abgebrochen werden.
Deshalb sparen die Mainzer auch so konsequent wie kein anderer Bundesligist. Von April bis Juni verzichten alle Angestellten, inklusive Spieler und Manager, auf ein Viertel ihres Gehalts, um Bundesliga-Fußball zu sichern. Doch der Schein, dass die laut eigenen Angaben nahezu schuldenfreien Mainzer einen bundesligafreien Mai allein dadurch schon schadlos überstehen, trügt ein wenig.
Denn die dauerhaft existenzerhaltenden Maßnahmen der Rheinhessen sind, junge Spieler zu kaufen und gewinnbringend wieder zu verkaufen. Allerdings dürfte schon jetzt klar sein, dass die Erlöse in der kommenden Transferperiode, die auch noch nach hinten verschoben werden wird, niedriger ausfallen werden. Sollte der Transfermarkt zum Erliegen kommen, sieht es düster aus in Mainz.
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Der SC Paderborn, der Bundesligist mit dem kleinsten Etat, ist hingegen zuversichtlich, dass ihm das Geld nicht ausgeht. Rund acht Millionen Euro würden die Paderborner an TV-Geldern nicht erhalten, sollte die Saison nicht fortgeführt werden. Deshalb gerät der Tabellenletzte automatisch in den Fokus, wenn von einem möglicherweise schon im Mai vor der Insolvenz stehenden Klub die Rede ist.
Dem SCP allerdings kommt das wirtschaftliche Umfeld in Ostwestfalen zugute, die Sponsoren sollen schon erste positive Signale gesendet haben. Die 1,5 Millionen Euro, die den Paderbornern an Eintrittsgeldern fehlen werden, spart der Klub außerdem allein durch den Gehaltsverzicht der Spieler ein. Weitere 1,5 Millionen Euro können die Paderborner sparen, indem sie den geplanten zweiten Abschnitt des Arena-Ausbaus verschieben.
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Laut Geschäftsführer Martin Przondziono ist auch der sparsame Umgang mit dem Eigenkapital nach dem Aufstieg ein Vorteil. Lediglich 300.000 Euro gaben die Paderborner für Neuverpflichtungen aus. Zum Vergleich: Bei Mitaufsteiger Union sind es bis in die Winter-Transferperiode hinein mehr als sieben Millionen Euro.
Es gibt sogar Profiklubs, die schon verlautbart haben, dass sie ein Saisonabbruch nicht treffen würde. Herthas Geschäftsführer Ingo Schiller hatte so vor zwei Wochen in einem Interview bereits gesagt, dass die „Situation bei Hertha durch den Einstieg des strategischen Partners Tennor im vergangenen Sommer hinsichtlich der Liquidität deutlich besser als bei vielen anderen Vereinen“ sei.
In der Zweiten Liga hat ein Klub bereits offen zugegeben, dass das Szenario einer Insolvenz in der Coronavirus-Krise näherrückt: der finanziell schwer angeschlagenen Karlsruher SC. „Wir haben ja schon einen Rucksack gehabt aus der Vergangenheit, das ist vollkommen klar, insbesondere aus den beiden Drittliga-Jahren“, sagte Geschäftsführer Michael Becker am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.
„Das wollten wir mit dem Aktienverkauf jetzt lösen, zumindest einen Teil davon. Aber dieser Aktienverkauf stottert jetzt natürlich wegen der Corona-Thematik.“ Zuvor hatte der Fußball-Zweitligist auf seiner Homepage bereits „Informationen zu einer möglichen Insolvenz in Eigenverwaltung“ veröffentlicht.
„Schlimmer ist es, glaube ich, noch eher, dass man gar nicht weiß, welche Auswirkungen es noch weiter hat“, sagte Becker. „Klar, wir sollen wieder spielen ab Mai. Aber was passiert, wenn wir das nächste halbe Jahr ohne Zuschauer spielen? Das geht ja immer weiter. Dann würde es ja immer enger werden.“
Die Liga-Konkurrenten Dynamo Dresden und der 1. FC Nürnberg haben hingegen signalisiert, dass das Risiko einer Insolvenz bei ihnen nicht gegeben sei. (mit dpa)