Stabhochspringer Raphael Holzdeppe: „Ich verstehe nicht, warum es eine Klimaanlage im Stadion gibt“
Vor der Leichtathletik-WM spricht Stabhochspringer Raphael Holzdeppe im Interview über die dortige Hitze, Stabbrüche und die Präventionspille.
Raphael Holzdeppe, 29, ist einer der besten deutschen Stabhochspringer. Er gewann bei Weltmeisterschaften bereits Gold und Silber, bei Olympia 2012 in London holte er Bronze. Bei der Leichtathletik-WM in Katar, die am Freitag (27. September startet) will er erneut eine Medaille holen. Wir haben mit ihm gesprochen.
Herr Holzdeppe, Sie haben sich nach schweren Verletzungen in der Vergangenheit immer wieder zurückgekämpft. Wie schafft man das?
Für mich gibt es zwei Ansatzpunkte. Entweder war ich gut in Form und habe mich verletzt, oder ich war vor der Verletzung schlecht in Form. Normalerweise war ich verletzt und vorher gut in Form, ich musste nur überprüfen, warum ich mich verletzt habe. Das hat dazu geführt, dass ich nicht in ein Motivationsloch nach Verletzungen gefallen bin, sondern dass ich einfach nur herausfinden musste, wieso ich mich da verletzt habe. Daraus habe ich dann immer die Konsequenzen gezogen.
Auch in dieser Saison war das so. Trotz eines frühen Saisonaus in der Halle konnten Sie noch die WM-Norm erfüllen.
Mein großes Ziel war es, topfit für die Weltmeisterschaft antreten zu können. Ich habe mir nie Sorgen gemacht, die Norm nicht schaffen zu können. Die Hallensaison hab ich abgebrochen, weil ich leicht verletzt war. Ich hätte dann noch an internationalen Meisterschaften teilnehmen können, aber mein Trainer und ich haben entschieden, uns in Ruhe auf den Sommer zu konzentrieren.
Offenbar mit Erfolg. Sie fahren jetzt als Deutscher Meister zur WM nach Doha. Was kann dieser Titel bewirken?
Dieser Sieg war schon wichtig für mich. Mein erster und letzter Deutscher Meistertitel in der Freiluft war 2015. 2016 hatte ich keine Chance an den Deutschen Meisterschaften teilzunehmen, da ich verletzt war. 2017 hätte ich gewinnen können, habe aber verloren. Anders kann ich das nicht beschreiben. Da war Bo Kanda einfach besser als ich. Und letztes Jahr ist es auch wieder schiefgelaufen. Da habe ich mich leider beim Aufwärmen verletzt. Dementsprechend war dieses Jahr die Motivation ziemlich hoch für mich, weil ich wusste: Es ist alles gut, ich bin gut in Form, ich bin nicht verletzt, und ich möchte diesen Meistertitel wieder gewinnen.
Hilft es Ihnen, dass Sie sich mit Rückschlägen auskennen? Seit Silber bei der WM 2015 konnten Sie keine Medaillen mehr bei einer WM oder EM gewinnen.
Ich war leider nicht der einzige mit Materialproblemen, nur hatte ich das Problem, dass meine Materialfehler erst innerhalb der Sommersaison begonnen haben. Das heißt, ich musste mitten im Sommer das Material wechseln, was der unglücklichste Zeitpunkt dafür ist.
Es lag also am Material?
Es gab tatsächlich einen Materialfehler in den Stäben, mit denen ich gesprungen bin. Die waren irgendwann bruchanfällig. Das Schlimmste, was einem Stabhochspringer passieren kann, ist, wenn die Stäbe brechen oder brechen könnten. Dadurch kommt eine enorme Unsicherheit zustande, da man sich nicht auf den Stab verlassen kann.
Hinzu kam Ihr Wechsel von München nach Zweibrücken?
Der Wechsel hat mir gut getan. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass meine Zeit in München schlecht gewesen ist. Mein größter Erfolg, der WM-Titel 2013, war während meiner Münchener Zeit. Meinen Trainer der mich bis 2012 trainiert hat, Andrei Tivontchik, habe ich mittlerweile auch wieder. Meine Verlobte, damalige Freundin, hat in Saarbrücken gewohnt, was eine halbe Stunde von Zweibrücken entfernt ist. Dementsprechend war das auch privat sehr positiv. Der Wechsel war alles in allem sehr positiv.
Sie haben die WM 2013 selbst angesprochen. Nach Ihrem Triumph damals haben Sie seltsamerweise nicht mehr zur Ihrer alten Form zurückgefunden.
Theoretisch war es kein Formtief, da ich gut trainiert habe und auch gute Ergebnisse im Training erzielt habe. Ab einen bestimmten Zeitpunkt haben sich dann leider verschiedene kleine Fehler eingeschlichen, die sich dann auch leider zu sehr gefestigt haben. Das hat dann dazu geführt, dass ich zum Teil nicht mehr springen konnte. Ich fand damals auch nicht den richtigen Ansatz, um diese technischen Fehler zu korrigieren. Das alles führte zu einer eher nicht so schönen Saison 2014.
In diesem Jahr ist Ihre Konkurrenz gewaltig. Sind Weltrekordhalter Renaud Lavillenie und der 19 Jahre alte Europameister Armand Duplantis überhaupt zu schlagen?
Sie gehören zu den stärksten Konkurrenten. Der Amerikaner Sam Kendricks, der Weltjahresbester ist, und der Pole Piotr Lisek, der dieses Jahr schon zweimal über sechs Meter gesprungen ist, sind aber genauso Anwärter auf den Titel. Bei einer Meisterschaft kann aber immer alles passieren.
Also auch, dass Sie gewinnen?
Ich möchte definitiv in die Top fünf kommen. Für eine Medaille muss jedoch alles perfekt laufen.
Wie problematisch kann der Stabhochsprung-Wettbewerb in Katar angesichts der zu erwartenden Hitze bei der WM werden?
Die Hitze ist nicht entscheidend. Das Material leidet auch nicht darunter. Man muss halt viel trinken, da so ein Wettbewerb schon zwischen fünf und sechs Stunden gehen kann. Darauf bin ich aber ganz gut eingestellt und ich mag es auch, wenn es ein bisschen wärmer ist.
Ist eine Weltmeisterschaft in einem so heißen Land überhaupt vertretbar?
Ich denke schon. Meine Meinung dazu ist, dass ich nicht verstehen kann, warum es eine Klimaanlage im Stadion gibt. Die Wettkämpfe werden erst ab 17.30 Uhr stattfinden. Dann sind es in Doha um die 32 Grad, da war es in Deutschland bei manchen Wettkämpfen schon deutlich wärmer. Dementsprechend gibt es für mich eigentlich keinen Grund, warum man sich über die Temperaturen in Doha aufregen sollte.
Bei der Weltmeisterschaft soll erstmals auch eine Präventionspille zum Einsatz kommen, die hitzebedingte Schwächeanfälle verhindern soll. Was halten Sie davon?
Ich bin ein Freund von Innovationen oder Weiterentwicklungen. Mich persönlich betrifft es eher weniger, da ich Hitze gut vertrage. Wenn man aber einer ist, der das nicht so gut verträgt, ist das keine schlechte Idee. Man sollte das allerdings vorher einmal ausprobieren.
Emil Lauer