Leichtathletik-WM in Peking: Raphael Holzdeppe holt Silber im Stabhochsprung
Das Duell mit dem Stabhochsprung-Olympiasieger Renaud Lavillenie gewinnt Raphael Holzdeppe in Peking. Doch ein Kanadier überrascht alle.
Vor seinem letzten Versuch – Raphael Holzdeppe musste 6,00 Meter überqueren, um seinen WM-Titel zu verteidigen – schossen dem deutschen Stabhochspringer zwei Gedanken durch den Kopf. „Ich hab gedacht: Versuch, irgendwie da drüber zu springen“, berichtete er später. „Aber im selben Moment hab ich gemerkt: Eigentlich ist es nicht mehr drin in meinem Körper. Weil ich alles, was ich hatte, schon vorher auf den Tisch gelegt hatte.“ Vor allen Dingen sein dritter, erfolgreicher Versuch über 5,90 Meter hatte Holzdeppe viel mentale und körperliche Energie gekostet. Der Kraftakt wurde am Ende eines spannenden Stabhochsprungfinals mit Silber belohnt. Neuer Weltmeister und damit Nachfolger des Deutschen wurde überraschend der junge Kanadier Shawnacy Barber. Der 21-Jährige überquerte wie Holzdeppe 5,90 Meter, allerdings bereits im ersten Versuch. „Shawnacy hat verdient gewonnen“, sagte Holzdeppe, der Barber schon zuvor zu den Medaillenkandidaten gezählt hatte. „Aber dass er so einen Wettkampf bei seiner ersten großen Meisterschaft abliefert, ist umso beeindruckender.“
Bei der Siegerehrung am Dienstag werden zudem drei Bronzemedaillen verteilt: Der große Favorit Renaud Lavillenie aus Frankreich übersprang ebenso 5,80 Meter im ersten Versuch wie die beiden Polen Pawel Wojciechowski und Piotr Lisek. Lavillenie musste sich mit dieser Höhe aber erneut bei einer Weltmeisterschaft geschlagen geben. Der Olympiasieger und Weltrekordhalter wartet also weiter auf den WM-Titel – die einzige große Auszeichnung, die ihm in seiner Karriere bislang verwehrt geblieben ist. Nach seinem Ausscheiden blickte Lavillenie in Richtung seines Trainers und zuckte ratlos mit den Schultern. „Man hat’s gefühlt“, sagte Holzdeppe. „Er hat souverän angefangen. Und dann hat sein Kopf eingesetzt, als er gemerkt hat, dass er tatsächlich endlich Gold gewinnen kann.“
Silke Spiegelburg war völlig verzweifelt
Im Gegensatz zum mit Silber hoch zufriedenen Holzdeppe erlebte Silke Spiegelburg bei der WM in Peking einen Tag wie aus einem Stabhochsprung-Horrorfilm. Die 29-Jährige hat in ihrer Karriere schon einiges erdulden müssen: Viermal bereits hat die deutsche Rekordhalterin einen Wettkampf bei Europameisterschaften, Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen auf Platz vier abgeschlossen. Am Montagmorgen traf es sie noch härter: Spiegelburg scheiterte in der Qualifikation für das Finale am Mittwoch. Sie fluchte, haderte, trat gegen ihre Sporttasche und verschwand anschließend, ohne ihr Debakel mit einem Wort zu kommentieren. Ihre erste Höhe von 4,30 Meter meisterte sie noch im ersten Versuch, für 4,45 Meter benötigte sie bereits drei Anläufe. 4,55 Meter hätten schon für den Einzug in den Endkampf der besten 14 Stabhochspringerinnen gereicht, doch Spiegelburg riss dreimal.
„Vierte, immer werde ich Vierte“, hatte sie 2012 bei den Olympischen Spielen in London noch lamentiert. Bei der WM 2013 in Moskau hatte sie nach abermals Platz vier zugegeben, „zu hibbelig“ gewesen zu sein. In Peking nun hätte sie eine Platzierung in Medaillennähe wohl liebend gerne gegen das frustrierende Ausscheiden eingetauscht. Die anderen beiden Deutschen, Lisa Ryzih und Martina Strutz, überwanden 4,55 Meter und stehen im Finale. Beste Freundinnen sind die deutschen Stabhochspringerinnen nicht gerade, trotzdem versuchte Strutz zumindest kurz, Spiegelburg zu trösten. „Aber ihr kann in dem Moment keiner helfen oder ihr etwas Gutes sagen“, sagte Strutz. „Es ist alles blöd, wenn man ausscheidet in der Quali.“ Noch blöder, als immer nur Vierte zu werden.
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Lars Spannagel