Stabhochsprung-Weltmeister: Raphael Holzdeppe: "Süchtig nach Höhe"
Stabhochsprung-Weltmeister Raphael Holzdeppe spricht im Tagesspiegel-Interview über Mut, Achterbahnen und Sprünge vor dem Brandenburger Tor.
Herr Holzdeppe, was ist eigentlich das Schönste am Weltmeistersein?
Es auf jeden Fall für die nächsten zwei Jahre zu sein, egal, was noch kommt. Das ist das Schönste.
Und das Schönste am Stabhochspringen?
Das ist der Moment, in dem man mit dem Kopf nach unten guckt, die Latte unter sich sieht und weiß: Jetzt habe ich es geschafft.
Wie mutig sind Stabhochspringer?
Mut ist das, was bei uns am größten geschrieben wird. Man darf auf keinen Fall Angst haben. Sonst sieht man das, was man gerne als Durchlaufen bezeichnet, wenn es also gar nicht zum Absprung kommt, weil man Angst hat, dass irgendetwas passieren kann.
Sind Sie im Schwimmbad schon mal vom Zehn-Meter-Turm gesprungen?
Noch nie, leider. Siebeneinhalb ja, aber in dem Bad gab es keine zehn Meter. Ich wäre sonst gerne runtergesprungen. Höhe macht mir nix aus.
Haben Sie sich schon früh viel getraut?
Ich war schon immer relativ unbekümmert und habe gerne Sachen ausprobiert. Mir war egal, ob es hoch war, niedrig war oder sonst was.
Was steuern Sie zuerst an, wenn Sie in einem Freizeitpark sind?
Wenn ich in einem solchen Park bin, muss ich auf alle Achterbahnen gehen.
Also Geschwindigkeit plus Höhe. Gab es etwas, was Sie sich nicht getraut haben?
Nee, ich muss gestehen, ich bin kein Fan von Free-Fall-Towern, wo man einfach nur gerade in die Tiefe fällt. Das hat aber eher damit zu tun, dass es mir zu langweilig ist, weil keine Kurven dabei sind.
Gab es überhaupt eine Situation, in der Sie Höhenangst hatten, dass Ihnen mal die Füße gekribbelt haben oder Ihnen schwindelig wurde?
Nee, bis jetzt noch nicht.
Das heißt, Sie genießen die Höhe richtig?
Ja, ich liebe die Höhe. Ich hatte bisher noch nicht die Chance zum Fallschirmspringen oder Bungeejumping, aber das würde ich gerne noch mal machen. Wer weiß, vielleicht habe ich ein anderes Gefühl, wenn ich dann oben am Flugzeug stehe und springen soll.
Man spricht vom Höhenrausch. Geht es beim Stabhochspringen schon hoch genug hinaus, dass Sie im Rausch sind?
Es ist eher ein Höhenrausch, wenn man öfter so hoch springt. Dann könnte man bei uns Stabhochspringern davon reden. Der Rausch von der Höhe geht bei uns ab sechs Metern los, weil diese Höhe noch keine zwanzig Leute in der Weltgeschichte übersprungen haben.
Also ist es eher eine Höhensucht bei Ihnen?
Ja, eine Sucht nach der Höhe. Man möchte einfach so oft wie möglich so hoch springen, versuchen, höher als andere zu springen.
Wo liegt für Sie die Grenze zwischen Risiko und Leichtsinn?
Risiko ist es, wenn ich bis zu einem bestimmten Punkt noch die Kontrolle darüber habe, also noch irgendwie reagieren kann. Leichtsinn ist, wenn ich nicht mehr drauf einwirken kann und hinten rausspringen würde, wenn ich alles aus der Hand gebe.
Bei Ihrer Bestleistung fehlen Ihnen noch neun Zentimeter bis zu den sechs Metern. Ist das Kopfsache?
Es gibt viele Springer, die hätten theoretisch sechs Meter springen können, sind es aber nie. Es baut sich schnell eine Blockade auf, weil man weiß, wenn ich jetzt drüberspringe, gehöre ich zu diesem elitären Kreis. Das kann einen hemmen oder übermotivieren.
Und was tut man dagegen?
Die Höhe so oft auflegen, wie man kann. Je mehr man es probiert, desto normaler wird der Versuch. Dann hat man vielleicht irgendwann diesen einen Sprung dabei, bei dem man so springen würde wie bei jeder anderen Höhe. Der ideale Sprung ist der, vor dem man nicht groß nachdenkt, sondern einfach nur macht.
Sie starten am Samstag bei „Berlin fliegt“ vor dem Brandenburger Tor. Springen Sie lieber auf großen Plätzen als im Stadion?
Ja, Marktplatzspringen hat einen besonderen Reiz. Wenn man im Stadion sitzt, vielleicht auch noch weit hinten, sieht das bei uns alles ziemlich niedrig aus. Ich gehe lieber in die Stadtmitte.
Das Gespräch führte Friedhard Teuffel.
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