Präsident Gegenbauer im Interview: „Hertha wird unprofessionell behandelt“
Werner Gegenbauer, seit 2008 Präsident von Hertha BSC, über den Trainerwechsel, das Potenzial des Teams und das Bemühen um ein neues Stadion. Ein Interview.
Herr Gegenbauer, freuen Sie sich schon auf den 1. FC Union?
Das liegt jetzt in den Händen von Union und von Dynamo Dresden, ob der direkte Aufstieg klappt. Für den Berliner Fußball wäre das gut.
Für Hertha auch?
Ja klar – wenn wir in der Tabelle vor Union stehen. Wenn nicht, sind wir selber schuld.
Wie war die Saison?
Es gab ein paar Highlights und ein paar Enttäuschungen. Unterm Strich haben wir die Bundesliga sicher gehalten. Das ist positiv. Allerdings war in diesem Jahr mehr drin, wie ja auch die Spiele gegen Bayern oder Dortmund gezeigt haben.
Haben wir in dieser Saison die stärkste Hertha-Mannschaft seit Jahren gesehen?
Schon möglich. Jedenfalls sind sich alle einig, dass die Mannschaft ein größeres Potenzial hat, als jetzt in der Tabelle sichtbar wird.
Deshalb musste ein neuer Trainer her?
Pal Dardai hat in den vergangenen viereinhalb Jahren sehr gute Arbeit gemacht. Irgendwann ist dennoch der Punkt da, an dem man einen neuen Weg gehen muss. Darauf haben sich die handelnden Personen verständigt – und sind dabei sehr anständig miteinander umgegangen.
Mit Ante Covic geht es nun aufwärts?
Wenn wir abwägen: Erfahrung und Außenblick eines Externen auf der einen Seite und Kenntnis der Strukturen in Kombination mit dem gesamten Trainerteam, dann ist Ante Covic die richtige Lösung. Pal Dardai wurde im Übrigen als U-15-Trainer zur Profimannschaft geholt, und das hat sehr gut funktioniert.
Michael Preetz erklärt die Entscheidung für Covic mit der „Hertha-DNA“, die der Mann verkörpere. Was ist das?
Hertha ist ein Ausbildungs- und Weiterbildungsverein. Entscheidend ist dabei die Durchlässigkeit: Der Nachwuchs muss die Chance haben, in die erste Mannschaft zu kommen. Covic hat bewiesen, dass er das kann.
Dann ist Covic der Mann für die Jugend?
Das war Pal auch. Die Entwicklung der jungen Spieler wird auch unter Covic weitergehen, indem sie in der ersten Mannschaft eingesetzt werden. Und gerade die jungen Spieler freuen sich auf den neuen Trainer.
Hertha schmort im eigenen Saft: Sie sind seit 2008 im Amt, Preetz seit zehn Jahren und nun kommt schon der zweite Cheftrainer aus dem eigenen Nachwuchsbereich. Tritt der Klub in Selbstgenügsamkeit auf der Stelle?
Was für ein Quatsch! Auch bei Hertha gibt es permanent neue Leute. Und die Neuen wie die Alten kümmern sich um die Weiterentwicklung der Mannschaft, um einen Investor, um ein neues Stadion und um den Fan-Dialog. Wir kümmern uns darum, Hertha in dieser vielfältigen Stadt sichtbar zu machen und sind in allen möglichen Bereichen engagiert.
Der Verein braucht keine neuen Gesichter und Impulse?
Die Mitglieder entscheiden bei den Wahlen im nächsten Jahr, ob sie neue Gesichter haben wollen. Sonst niemand.
Sie kandidieren wieder?
Wenn alles gut geht, dann stelle ich mich wieder zur Wahl.
Bleibt die Mannschaft bis dahin zusammen?
Die Transferperiode hat noch nicht begonnen. Wir sind in einer wirtschaftlich stabilen Situation und können uns auch noch verstärken. Eine der Qualitäten von Michael Preetz ist es, mit Augenmaß dafür zu sorgen, dass sich Abgänge und Zugänge in Grenzen halten.
Ist die Finanzsituation wirklich stabil? Der Finanzinvestor KKR ist vor gut vier Jahren mit 60 Millionen Euro eingestiegen und mit gut 70 Millionen wieder gegangen. Auch deshalb dürfte der Schuldenstand heute weit über 50 Millionen Euro liegen.
Wir haben immer gesagt, dass wir KKR durch einen anderen Investor ersetzen wollen. Wir mussten dazu erst den Rückkauf der Anteile durchführen, was kurzfristig den Schuldenstand erhöht. Jetzt können wir ganz unabhängig mit einem neuen Investor verhandeln. Unsere Liquidität ist gut und das Anlagevermögen übersteigt die Verbindlichkeiten: Die wirtschaftliche Lage ist stabil.
Wann haben Sie den neuen Geldgeber?
Wir sind intensiv an dem Thema dran, aber einige Monate wird das noch dauern.
Wie ist der Markt für solche Investments? Wie attraktiv ist Hertha?
Es gibt viele Interessenten. Die Stadt Berlin zieht, aber Hertha BSC auch. Trotz der 50+1-Regel, die es Kapitalanlegern untersagt, die Mehrheit zu übernehmen, sind wir interessant für viele Investoren.
Wird es eine ähnliche Größenordnung geben wie bei KKR?
Wir haben die Anteile von KKR nicht zurückgekauft, um sie dann für weniger Geld weiterzureichen.
Was passiert mit dem Geld?
Wir bekommen größere Spielräume.
"Wir müssen den Stadionbesuch attraktiver machen"
Dann kann sich der Hertha-Fan auf Europapokalspiele in den 2020er Jahren freuen?
Unser Ziel ist unverändert ein einstelliger Tabellenplatz. Europa ist dann auch in Sichtweite.
Champions League im Olympiastadion hatten wir schon. Warum will der Verein unbedingt ein neues Stadion?
Es gibt verschiedene Gründe. Wir werden unabhängig von Mietverhandlungen. Und ein modernes Stadion sieht anders aus als das Olympiastadion; nach dem Abstieg von Nürnberg bespielen wir das einzige Stadion in der Bundesliga mit Laufbahn. Alles in allem müssen wir den Stadionbesuch attraktiver machen.
Inwiefern?
Im Stadion muss man mindestens so viel mitbekommen vom Geschehen auf dem Platz wie zu Hause am Bildschirm. Die heutige Struktur mit Business-Bereichen und Logen hat sich überlebt. Alles in allem gehört zur Zukunftssicherung des Vereins und des Unternehmens Hertha BSC eine neue Spielstätte.
Warum versteht das der Senat nicht?
Wir sind im Dialog und zuversichtlich, mit unseren Argumenten durchzudringen.
Sie haben versucht, die Berliner Politik mit einem Stadionstandort in Brandenburg zu erpressen.
Unsinn. In Berlin wird es immer enger, gleichzeitig reden alle von der Metropolregion Berlin-Brandenburg – warum sollten wir da nicht einen Standort am Stadtrand in Betracht ziehen, wo es Flächen gibt?
Weil die Vereinsmitglieder Ihnen aufs Dach steigen.
Das ist ja dann auch in Ordnung. Doch alles in allem ist der Umgang mit Hertha BSC in der Stadt unprofessionell. Stellen Sie sich mal vor, wir hätten wie die Handballer der Füchse Werbung von der Deutsche Wohnen auf dem Trikot. Der Senat wäre empört.
Was wird denn nun mit dem Stadion?
Wir halten das Olympiagelände weiterhin für geeignet. Wir könnten gemeinsam mit dem Land das gesamte Gelände mit Olympiapark, Waldbühne, Olympiastadion und neuem Hertha-Stadion international vermarkten. Selbstverständlich sind wir auch für alternative Standortvorschläge des Senats offen.
Zum Beispiel in Tegel, wie jetzt vom Innensenator ins Spiel gebracht?
Wir freuen uns, dass Herr Senator Geisel für den Senat von Berlin diesen Vorschlag unterbreitet hat. Es ist ein gutes Signal, dass die Landesregierung die Bedeutung einer eigenen Arena für Hertha BSC anerkennt und mit dem Flughafen Tegel einen alternativen Standort zu unserem favorisierten Gelände im Olympiapark ins Spiel bringt.
Hat Sie der Vorschlag überrascht?
Gemeinsam mit den Beteiligten auf Seiten des Senats werden wir die Idee, auf dem Gelände des Flughafens Tegel eine Arena in der entsprechenden Größe zu errichten, gerne ernsthaft prüfen.
2025 soll das neue Stadion eröffnet werden. Glauben Sie noch daran?
Ja. Wenn das Projekt von gesamtstädtischer Bedeutung ist, dann kann der Senat das Verfahren an sich ziehen und wir kommen endlich voran.
Was kostet das Stadion?
Um die 250 Millionen Euro. Im Datenraum des Abgeordnetenhauses liegt unser Konzept inklusive Ersatzflächen für Wohnungen und Eckpunkte der Finanzierung. Jetzt müssen nur die zuständigen Leute verstehen, dass wir mit dem jetzigen Olympiastadion im modernen Fußball auf Dauer nicht mehr mithalten können.
Mitte 2025 läuft der Mietvertrag für das Olympiastadion aus. Wie ist der Zeitplan bis dahin?
In diesem Jahr müssen wir wissen, ob wir einen Erbbaupachtvertrag bekommen, um die nächsten Schritte gehen zu können. 2022 könnten die Baumaßnahmen beginnen, 2025 wäre das Stadion fertig.
Herr Gegenbauer, am Samstag ist der letzte Spieltag. Wer wird Meister?
Bayern oder Dortmund.
Wen hätten Sie gerne?
Hertha BSC. Das Jahr lasse ich offen.