Michael Preetz und sein Fazit der Transferperiode: Hertha BSC lernt die Kunst des Kompromisses
Hertha BSC sollte der große Gewinner des Transfersommers werden. Doch mehr als ein Unentschieden war angesichts der schwierigen Umstände nicht drin.
Für Bruno Labbadia ist die Situation nicht neu, aber das ändert nichts daran, dass sie unbefriedigend ist. Gerade zehn Feldspieler standen am Mittwochvormittag beim Training von Hertha BSC auf dem Platz. Dreizehn Profis sind aktuell auf Länderspielreise, und die letzten werden erst am kommenden Donnerstag, zwei Tage vor dem nächsten Spiel in der Fußball-Bundesliga, zurückkehren.
Die drei Neuen, die Hertha am letzten Tag der Transferperiode verpflichtet hat, fehlten am Mittwoch. Rückkehrer Eduard Löwen fuhr am Vormittag aufs Vereinsgelände, als seine alten, neuen Kollegen schon auf dem Trainingsplatz standen; und Omar Aderete und Matteo Guendouzi sind nach einem Zwischenstopp in Berlin gleich zu ihren Nationalteams weitergereist. Zumindest im Fall des Franzosen Guendouzi findet Michael Preetz, Herthas Manager, das gar nicht so schlimm. Bei der U 21 bekomme der 21-Jährige die Spielpraxis, die ihm beim FC Arsenal im vergangenen halben Jahr verwehrt geblieben ist. Aber Preetz ahnt, dass Trainer Labbadia das anders sieht und Guendouzi lieber auf dem Trainingsplatz hätte.
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Es wäre nicht der einzige Punkt, in dem ihre Ansichten differieren. Das gilt auch für die abschließende Bewertung des Transfersommers, der erst im Herbst zu Ende gegangen ist. „Grundsätzlich bin ich zufrieden“, sagt Preetz. „Wir haben einen Kader, der allemal konkurrenzfähig, spannend und vielversprechend ist und auf den ich mich jetzt freue.“ Labbadia hingegen klingt eher wenig enthusiastisch. „Wir haben eine andere Vorstellung gehabt“, gibt er zu. „Aber wir haben noch das Bestmögliche daraus gemacht.“
Man muss aus solchen Sätzen nicht gleich einen grundsätzlichen Konflikt zwischen den sportlichen Entscheidungsträgern konstruieren. Dass Trainer und Manager die Dinge unterschiedlich bewerten, liegt in der Natur der Sache. Preetz wird bei seinem Urteil die Marktbedingungen berücksichtigen – für Labbadia hingegen ist nur entscheidend, welcher Kader ihm am Ende zur Verfügung steht. „Wir haben eine Mannschaft zusammengestellt, die eher auf die Zukunft ausgerichtet ist“, sagt er. Trainer aber werden in der Regel an der Gegenwart gemessen.
Herthas Kader wirkt nicht ausbalanciert
In der Tat wirkt Herthas Kader nicht in allen Facetten perfekt ausbalanciert, zum Beispiel bei der Altersstruktur. Die Verjüngung war durchaus ein Ziel, aber nicht in dieser derart extremen Form. Doch Spieler mit Mitte 20 waren in diesem Sommer nicht auf dem Markt. „Wir haben nicht die großen Namen, die fertigen Spieler geholt“, sagt Labbadia. „Wir mussten Kompromisse eingehen.“
Das galt in vielerlei Hinsicht. Weil Karim Rekik kurz vor Ende der Transferperiode noch weg wollte, musste Hertha umdisponieren und – anstelle des geplanten Spielers für die offensive Außenbahn – einen Verteidiger (Alderete) verpflichten. Und der von Arsenal ausgeliehene Guendouzi ist für Preetz zwar „eines der großen Talente des französischen Fußballs“, dessen Marktwert schon mal im mittleren zweistelligen Millionenbereich vermutet wurde; wegen Unstimmigkeiten mit seinem Trainer aber ist der Mittelfeldspieler ein halben Jahr gar nicht mehr zum Einsatz gekommen. „Wir können nicht sagen: Wir holen nur Spieler, die perfekt sind“, sagt Labbadia. „Bei so einem Spieler geht das Fenster nur auf, wenn es irgendwo ein Problem gegeben hat.
Das Saisonziel: Besser abschneiden als letzte Jahr
Die Vermutung, dass Hertha mit den frischen Millionen des Investors Lars Windhorst als großer Gewinner aus der Transferperiode hervorgeht und anschließend richtig durchstartet, hat sich jedenfalls nicht erfüllt. „Wir wollen besser abschneiden als in der letzten Saison – das ist unser Ziel“, sagt Labbadia.
Manager Preetz hat die Transferperiode als „sehr speziell, sehr besonders und komplett anders“ empfunden. Und das eigene Verhalten als „maßvoll und verantwortungsbewusst“. Offensichtlich hatten das die wenigsten so erwartet. Preetz sah sich immer wieder mit Forderungen konfrontiert, bei denen er gleich gesagt hat: „Das werden wir nicht machen.“ Die Gegenseite hoffte vergebens: „Am Ende werden die das schon machen.“
Auch deshalb ließen sich der Transfer von Jeff Reine-Adelaide und eine weitere Leihe von Marko Grujic nicht realisieren. Olympique Lyon verlangte 30 Millionen für Reine-Adelaide, der FC Liverpool wollte Grujic nicht erneut verleihen, sondern nur verkaufen. Am Ende wechselte Reine-Adelaide zum OGC Nizza, Grujic zum FC Porto, beide leihweise. Michael Preetz fragt sich daher, „bei wem welche Rechnung nicht aufgegangen ist“.