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Trainer Pal Dardai freut sich ausnahmsweise über die Länderspielpause.
© dpa

Pal Dardai: "Die Köpfe sind irgendwie gestört": Hertha BSC ist sich selbst ein Rätsel

Zu Saisonbeginn hat Hertha BSC nicht nur erfolgreich, sondern auch schön gespielt. Jetzt vermisst Trainer Dardai bei seinem Team die Gier nach Erfolg.

Die Teilnahme an der Open-Air-Veranstaltung war verpflichtend. Also hatte sich Niklas Stark ein blaues Trainingsleibchen über sein schwarzes T-Shirt gezogen, um das Corporate Design bei der Gesprächsrunde des Trainers mit der Mannschaft nicht zu stören. Dazu trug er eine lange, schwarze Hose und schwarze Sneaker. Seiner eigentlichen Arbeit als Fußballer – das war an seinem Outfit ersichtlich – würde der Innenverteidiger von Hertha BSC an diesem Sonntag nicht nachgehen. „Es sieht nicht gut aus“, berichtete Trainer Pal Dardai über Starks Gesundheitszustand. „Vielleicht fehlt er nur ein paar Tage, vielleicht auch mehrere Wochen.“

Tags zuvor, bei der 1:4-Niederlage gegen Fortuna Düsseldorf, hatte Stark den Platz schon nach 25 Minuten humpelnd verlassen. Wieder hatte es ihn am rechten Fuß erwischt, an derselben Stelle, die er sich schon beim 0:0 gegen Mainz geprellt hatte. Anfang Oktober war das – und zugleich das erste von inzwischen fünf Bundesligaspielen, in denen die Berliner sieglos blieben. Auf drei Unentschieden folgten zuletzt zwei Niederlagen mit 1:7-Toren. Von Platz drei (punktgleich mit dem Zweiten) ging es auf Platz acht (sieben Punkte hinter dem Zweiten).

Vor anderthalb Monaten glänzte noch alles goldig bei Hertha, inzwischen ist die Grundstimmung eher herbstlich grau. Vieles, was schief gehen kann, geht schief: In Düsseldorf musste Niklas Stark nach nicht einmal einer halben Stunde verletzt vom Platz, Maximilian Mittelstädt folgte ihm nach zwei sinnfreien taktischen Fouls eine knappe Viertelstunde später – und am Ende kassierten die Berliner in einer Halbzeit vier Tore gegen eine biedere Fortuna, die in den 21 Halbzeiten zuvor gerade sechs Mal getroffen hatte.

Hertha BSC zehrt von den Erfolgen zu Saisonbeginn

Hertha zehrt noch vom erfolgreichen Saisonstart mit dem Sieg gegen die Bayern. Das gilt für einzelne Spieler wie Ondrej Duda oder Javairo Dilrosun, die ihrer starken Anfangsform hinterherhecheln, genauso wie für den Klub als Ganzes. Als die Mannschaft am Samstag nach Berlin zurückflog, befanden sich viele Hertha- Fans an Bord. Ihre Grundhaltung war keineswegs frustriert oder feindlich. „Wir hatten eine tolle Reise mit unseren Fans. Die haben uns beruhigt, haben gesagt, dass sie uns mögen, dass sie uns lieben: Ha ho he und alles schön“, berichtete Dardai. „Es war wirklich lustig. Das hat mich schon ein bisschen beruhigt.“

Man sollte nur nicht den Schluss daraus ziehen, dass im Prinzip alles gut ist. Dardai tut das nicht. Mit 16 Punkten sei zwar alles im Plan, aber im Detail hat er sehr wohl gravierende Defizite ausgemacht: „Mein Problem ist: Wir lassen 21 Schüsse von Leipzig zu, 20 Schüsse von Düsseldorf – das sind wir nicht. Die Köpfe sind irgendwie gestört. Oder wir haben uns etwas einreden lassen.“ Vor allem gegen den Ball ist die Mannschaft nachlässig geworden, nicht mehr so scharf, wie sie sein müsste – und könnte.

Es ist auch in der Vergangenheit schon vorgekommen, dass Hertha lange in Unterzahl spielen musste, gegen Schalke und Leipzig zum Beispiel. „Da haben wir richtig gute Spiele gemacht“, sagte Dardai. Von dem Auftritt in Düsseldorf konnte man das definitiv nicht behaupten. „Wir haben nicht richtig verteidigt, nicht mit dem Tempo, nicht mit der Gier wie sonst“, bemängelte Herthas Trainer. „Wir wollten trotz Unterzahl nach vorne verteidigen. Stattdessen haben wir angefangen, Fußball zu spielen. Wir hatten mehr Fußballer auf dem Platz als Kämpfer.“

So stürzte seine Mannschaft in der Defensive von einer Verlegenheit in die andere, eröffnete den Düsseldorfern immer wieder Räume, die man im modernen Fußball eigentlich längst für besiedelt gehalten hatte. „In der zweiten Halbzeit konnten wir nicht vom Spiel- auf den Kampfmodus umstellen“, klagte Dardai. „Wahrscheinlich müssen wir andere Dinge trainieren, zurück zu den Basics: Punkte sammeln, nicht immer schick spielen. Dieses schicke Spiel hat uns vom Weg abgebracht.“

Die Länderspielpause kommt gerade recht

Bis zum nächsten Spiel gegen Hoffenheim bleiben Dardai dank der Länderspielpause zwei Wochen, die er nutzen will, um zur Besinnung zu kommen und über Grundsätzliches nachzudenken. „Die Mannschaft aus diesem Loch, körperlich oder mental, herauszuführen, das ist das Wichtigste“, sagte er. In der Vergangenheit hat er derartige Unterbrechungen verbunden mit der Abwesenheit vieler Stammspieler immer als immens störend empfunden. Diesmal ist das anders: „Für uns kommt die Pause im richtigen Moment. Dass die Spieler weg sind und neue Impulse kriegen, ist auch nicht schlecht.“

Dazu ermöglicht die Pause den Rekonvaleszenten wie Marko Grujic oder Jordan Torunarigha, sich wieder ihrem Topniveau zu nähern. Der junge Verteidiger Torunarigha übernahm in Düsseldorf nach der Pause den Job von Maximilian Mittelstädt links in der Viererkette. „Da haben wir uns verschätzt“, erklärte Dardai. Im Training habe es bei Torunarigha ganz ordentlich ausgesehen, seine beiden Einsätze bei der U 23 seien auch okay gewesen. Gegen Düsseldorf aber zeigte sich: Für die Bundesliga reichte es noch nicht. Zu den letzten drei Gegentoren leistete Torunarigha Amtshilfe. „Es ist keine schöne Aussage: Aber wir haben die Niederlage ein bisschen eingewechselt“, gestand Pal Dardai. „Das war irgendwie nicht Jordans Tag.“

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