Nach dem Pokal-Aus: Hertha BSC: Blues in Blau-Weiß
Hertha wirkt nach dem geplatzten Traum vom Pokal-Endspiel erschöpft. Damit das Gute dieser Saison nicht verblasst, muss sich das Team jetzt aufraffen.
Pal Dardai hatte traurige Augen am Tag danach. Die Pokalnacht gegen Borussia Dortmund, dieses besonders aussichtslose 0:3, hatte Herthas Trainer aus seinem Traum vom Finale gerissen. Es war erst ein sehr persönlicher Traum gewesen, der über die Pokaletappen im Herbst und Winter immer mehr erfasste, bis schließlich die halbe Stadt ihn träumte.
Auch weil seine mutige Mannschaft zwischenzeitlich richtig gut Fußball spielte, mit Leidenschaft und Schwung und so.
Monatelang waren die Berliner sogar Dritter in der Liga mit dem Ausblick Champions League. Doch jetzt, im April, wenn die großen Spiele kommen und gehen, wenn die Liga in ihre Endphase biegt, geht dieser Mannschaft samt ihrem Trainer ein wenig die Puste aus. Und jetzt kommen die Bayern.
„Wir stehen immer noch da oben und versuchen jetzt, das zu verteidigen“, sagt Dardai am Tag nach der Halbfinalniederlage im Pokal.
Was soll er anderes sagen? Am Vormittag ersparte er seiner Mannschaft das Auslaufen, es wurde „Straßenfußball“ gespielt, wie er erzählt. Um die Müdigkeit „rauszubolzen“, ein Versuch, irgendwie die Stimmung zu drehen.
Der vergeigte Traum hat Enttäuschungen zurückgelassen. Schon seit einigen Tagen wirkt die Mannschaft erschöpft, physisch. Jetzt auch noch mental. Ja, es darf auch mal kurz bejammert werden, das nichts aus dem Traum geworden ist, aber bitte jetzt nicht auch noch die Nerven verlieren.
Hertha hat viel zu verlieren
Denn obgleich Hertha in dieser Saison schon so viel gewonnen hat an Achtung, an Respekt und an Hinwendung, so kann jetzt auch einiges verloren gehen. „Wir kennen unser Programm, es wird verdammt hart“, sagt Dardai. Samstag kommt der FC Bayern München ins ausverkaufte Olympiastadion. Dann reist Hertha nach Leverkusen, dann kommt Darmstadt bevor es zum Saisonabschluss nach Mainz geht.
Hertha geht als Tabellenvierter auf die Zielgerade.
Dieser Platz würde am Ende immerhin noch die Teilnahme an der Qualifikation zur Champions League nach sich ziehen. Es wäre das große Ding. Wahrscheinlicher aber ist, dass die Berliner in der kommenden Saison in der Europa League antreten dürfen. Dafür müssten sie zwischen Platz fünf und sieben landen. Gemessen daran, dass sie vor einem Jahr fast abgestiegen sind, wäre das immer noch ein Erfolg.
Auch wenn mehr möglich schien. Aber nach zuletzt drei sieglosen Spielen in der Bundesliga (0:5 Mönchengladbach, 2:2 Hannover, 1:2 Hoffenheim) und dem Pokalaus droht der gute Eindruck, den Hertha lange machen konnte, etwas zu verblassen.
„Jetzt geht es darum, noch einmal widerstandsfähig zu sein“, sagte Michael Preetz. Auch dem Manager von Hertha ist nicht verborgen geblieben, dass der Mannschaft der Sprit auszugehen droht. Eine starke, weil spiel-schnelle Dortmunder Mannschaft deckte das klar auf. „Wir wissen, dass wir schon bessere Auftritte gegen Spitzenmannschaften hatten“, sagte Preetz.
Pal Dardai muss ein Feuer entfachen
Wie beispielsweise jenen im Februar, als Hertha noch im Saft stand und Borussia Dortmund ein 0:0 abtrotze, bei eigenem Chancenplus. Damals konnte Hertha den BVB noch richtig und temperamentvoll attackieren. Davon war am Mittwochabend nicht mehr viel zu sehen gewesen. „Dortmund war zu schnell für uns“, hatte Dardai noch in der Nacht gesagt. Er hätte auch sagen können, Dortmund hat die Berliner gar nicht erst ins Spiel reingelassen.
„Wir sind eine fleißige Mannschaft“, sagt Dardai eine Nacht später. Wenn diese Mannschaft aber nicht mehr fleißig ist, oder fleißig sein kann, weil ihr die Kräfte schwinden, dann entwickelt sich mit Dortmund eben ein ungleiches Duell. Sinnbildlich darf hier Jens Hegeler herangezogen werden.
Herthas Mittelfeldspieler ist ein technisch guter Fußballer, passsicher, groß, einer mit Auge, wie es so schön heißt. Aber Hegeler ist nun mal als Spieler kein Jäger-Typ, aber genau diesen Fußball spielte Hertha mit Erfolg – aggressives Anlaufen des Gegners, energisches Pressen, immer mutig, immer aufsässig, immer den Gegner zusetzend. Es ist ein sehr aufwendiger Stil, aber auch einer, der Körner frisst.
„Wir sind am Limit“, sagt Pal Dardai. Auch deshalb wird der Trainer das Personal rotieren. Tolga Cigerci, Peter Pekarik und Valentin Stocker werden am Samstag gegen den FC Bayern in der Startelf stehen.
„Es kommen frische Spieler rein, die 90 Minuten fighten können. Wir wollen das Spiel möglichst lange offen halten und den Bayern vielleicht einen Punkt klauen.“
Andere dagegen, Leistungsträger, die momentan nicht das bringen, was sie schon bewiesen haben, erhalten eine Pause. Etwa Genki Haraguchi, oder Vladimir Darida.
Der Tscheche, nicht zu unrecht als Herthaner der Hinrunde gewählt, der lauffreudigste Spieler der gesamten Liga, schwächelte zuletzt und hat nun muskuläre Probleme. Gegen Dortmund fiel er schon aus, und auch die beiden anstehenden Spiele gegen die Bayern und in Leverkusen wird er auf Weisung des Trainer auslassen. Dardai: „Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn für die beiden letzten Saisonspiel topfit brauche.“
Die Bayern könnten am Samstag Meister werden, wieder mal in Berlin. Echt, sagt Pal Dardai und erzählt, dass das so ziemlich das Letzte sei, was ihn so umtreibe. „Vor drei oder vier Wochen habe ich das letzte Mal auf die Tabelle geschaut.“
Die sieht jetzt nicht viel schlechter aus für sein Team, auch wenn die letzten Niederlagen drücken. Vielleicht gelingt es Pal Dardai, noch einmal das Feuer zu entfachen bei seinen Spielern. Auf dass sie sich noch einmal straffen können. Die Augen werden es ihm verraten.