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Volles Olympiastadion. Hertha hätte am Mittwoch sogar 200.000 Tickets verkaufen können.
© Reuters/Bensch

Nach dem Halbfinale gegen Dortmund: Herthas Chance, über Kiez und Kneipe hinauszuwachsen

Auch wenn das Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund deutlich verloren wurde: Hertha BSC spielt eine starke Saison und sollte die Euphorie der vergangenen Tage nutzen. Unser Leitartikel.

Daran könnte sich Berlin gewöhnen, dass sein bester Fußballklub auch zu den besten der Republik gehört. Und vielleicht ist ja in dieser Saison dafür ein neuer Anfang gemacht worden, auch wenn Hertha BSC dieses Pokalhalbfinale gegen Borussia Dortmund deutlich verloren hat. Der Klub müsste schon einiges verkehrt machen, um die Leidenschaft rund um dieses Pokalspiel gleich wieder abkühlen zu lassen.

Dabei fällt es Hertha BSC schwerer als allen anderen Bundesligaklubs in Deutschland, überhaupt erst einmal die eigene Stadt zu gewinnen. Da ist zum einen das große Olympiastadion, das bei Spielen von Hertha auf einmal gigantisch wirkt, weil bei durchschnittlichen Gegnern so viele Plätze frei bleiben. Und da ist das Pokalfinale, das jedes Jahr in Berlin stattfindet – bisher aber immer ohne Herthas Profis. Diese beiden Vorlagen werden im lästerfrohen Fußball von Fans anderer Mannschaften gerne verwandelt.

Fans anderer Mannschaften gibt es in Berlin ohnehin mehr als genug. Wer hierherkommt, bringt seinen Lieblingsklub im Herzen mit und hat diese Fernbeziehung bisher selten für Hertha aufgegeben. Was Hertha dagegen tun kann? Eine ganze Menge. Zum einen weiterhin so erfrischend und erfolgreich Fußball spielen wie in vielen Spielen dieser Saison, das ist das Wichtigste. Zum anderen aber auch, viel mehr raus aus dem Stadion zu gehen. Sich in den unterschiedlichen Milieus der Stadt zu tummeln. Präsenz zu zeigen, sich einzumischen. Stadtgespräch zu werden, auch wenn der Anlass dafür kleiner ist als ein Halbfinale im DFB-Pokal.

Hertha kann jetzt aus einer gestärkten Position heraus handeln

Dafür ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt. Der Verein muss sich gerade nicht mit sportlicher Aufbauarbeit oder Krisenmanagement aufhalten, sondern kann sich auch einmal entspannen. Er kann aus einer gestärkten Position heraus handeln, das wirkt noch einmal glaubwürdiger als eine Werbekampagne in Zeiten der Zweitklassigkeit. Gut möglich, dass dann zunächst die Kinder der Zugezogenen kommen – und später auch ihre Eltern mitziehen.

Hertha BSC hat jedenfalls gerade die Chance, über Kiez und Kneipe hinauszuwachsen. Diese Bewegung könnte von der laufenden Spielzeit bleiben, ganz gleich, ob in der nächsten nun Real Madrid oder Manchester City in der Champions League zu Besuch ins Olympiastadion kommen oder doch nur FK Qäbälä und Dnipro Dnipropetrowsk in der Europa League. Berlin ist eine internationale Stadt, dann auch im Fußball wieder.

Hertha ist dennoch Berlin geblieben und hat sich noch nicht verbogen. Mit Pal Dardai als Trainer, der mal rotzig, mal schlingelhaft drauflosplaudert. Das ist mindestens mal authentisch. Sein Ton passt gut zur Stadt, er wird verstanden. Aus dem kleinen Aufschwung dieser Saison kann Hertha noch eine Menge machen und entwickeln, und es ist die Frage, ob die Debatte um ein neues, reines Fußballstadion dabei hilft.

Das Olympiastadion ist nun einmal so groß, wie es ist, die Laufbahn wird nicht verschwinden, dennoch lässt sich beim Pokalfinale jedes Jahr erleben, welch einmalige Atmosphäre hier entstehen kann. Diese Arena nicht nur gegen Spitzenklubs wie Dortmund zu füllen, ist eine Herausforderung. Eine ziemlich sportliche Herausforderung, doch diese Saison hat Hertha gezeigt, dass es lohnen kann, sich auch mal größere Ziele zu setzen.

Am Samstag kommt Bayern München.

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