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Zum Weggucken. Stürmer Vedad Ibisevic vergab im Spiel gegen Bayer Leverkusen die große Chance zum 2:2-Ausgleich.
© Reuters

Nach 1:3 in Leverkusen: Hertha BSC auf der Suche nach mehr Effizienz

Die 1:3-Niederlage bei Bayer Leverkusen hat die Probleme von Hertha BSC im Offensivspiel offenbart. Trainer Pal Dardai will, dass seine Spieler böser werden.

Das Schicksal von Hertha BSC entscheidet sich möglicherweise an diesem Dienstag 5700 Kilometer von Berlin entfernt. In der gabunischen Stadt Oyem bestreitet die Elfenbeinküste dann ihr letztes Vorrundenspiel beim Afrika-Cup. Gewinnt sie nicht gegen Marokko, wird sie aller Wahrscheinlichkeit das Viertelfinale verpassen. Das wäre bitter für den Titelverteidiger, aber gut für Hertha BSC. Der Berliner Fußball-Bundesligist könnte schon am Sonntag im Auswärtsspiel gegen Freiburg wieder auf Salomon Kalou zurückgreifen. Herthas Offensivspiel würde das nur guttun.

In nur neun Einsätzen hat der Ivorer fünf Tore für Hertha erzielt, und spätestens seit Sonntagnachmittag fünf Uhr darf er sich als effizientester Offensivspieler der Berliner fühlen. In jenem Moment ließ Valentin Stocker eine Hereingabe von Genki Haraguchi passieren, der Ball landete bei Vedad Ibisevic, Herthas bestem Torschützen, die Entfernung zum Tor betrug gerade noch vier Meter Luftlinie – doch Ibisevic schaffte es nicht, Bernd Leno, den Torhüter von Bayer Leverkusen, zu überwinden. „Von 20 Mal macht er daraus 19 Mal ein Tor“, sagte Julian Schieber. Die Berliner wohnten also am Sonntag gewissermaßen einem historisch einmaligen Moment bei. Die Folgen könnten sie noch einige Zeit beschäftigen.

Hätte Ibisevic getroffen, wäre es, nach einem zwischenzeitlichen 0:2-Rückstand, das 2:2 für Hertha gewesen. Die Berliner hätten das erste Spiel des Jahres vermutlich nicht verloren und sich in der Folge nicht wieder mit unangenehmen historischen Analogien beschäftigen müssen. „Hätte hat nicht gespielt“, sagte Trainer Pal Dardai.

Die Berliner, Weihnachtsdritter der Bundesliga, haben in der kurzen Winterpause mit aller Macht versucht, sich ihre positive Stimmung nicht vermiesen zu lassen. Die Erinnerungen an den fatalen Absturz vor einem Jahr haben sie mit demonstrativer Gelassenheit gekontert, sie haben ihre Zuversicht sogar dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie die Qualifikation für den Europapokal als offizielles Ziel ausgerufen haben – und dann musste sich Trainer Dardai gleich bei erster Gelegenheit wieder mit den Geistern der Vergangenheit beschäftigen. Eine Frage nach Parallelen zur Vorsaison tat der Ungar nach der 1:3-Niederlage bei Bayer Leverkusen als „komische Quatschfrage“ ab. Je mehr man sich mit dem Absturz beschäftigt, das ahnt Dardai wohl, desto größer ist die Gefahr, dass genau dieser Absturz zur self-fulfilling Prophecy wird.

Hertha vermisste in der Offensive Kalou und Weiser schmerzlich

Ob Hertha diese Gefahr bannen kann, wird vor allem davon abhängen, wie schnell die Mannschaft zu ihrer besonderen Offensivstärke zurückfindet. In Leverkusen kam sie inklusive dem Anschlusstreffer von Valentin Stocker zu gerade mal drei Gelegenheiten. Bei der ersten profitierte Ibisevic davon, dass gleich zwei Verteidiger ausrutschten und er aus 17 Meter frei zum Schuss kam. Allein die Großchance des Bosniers in der zweiten Hälfte entsprang einem bewusst angelegten Spielzug aus der eigenen Hälfte heraus.

In Leverkusens Strafraum waren die Berliner ähnlich oft zu sehen wie Frauen in einer türkischen Teestube. „Wir müssen variabler sein, auch mal einen langen Ball schlagen“, sagte Dardai. „Das ist nicht unter unserem Niveau.“ Hertha ist nicht dafür bekannt, sich Chancen en masse herauszuspielen – was das Team ausgezeichnet hat, ist seine Effizienz. Es hat sich weniger Gelegenheiten erspielt als Ingolstadt, aber fast doppelt so oft getroffen wie der Tabellenvorletzte. Diese Effizienz scheint den Berlinern momentan ein wenig abzugehen. Seit fünf Spielen haben sie kein Tor mehr aus dem Spiel heraus erzielt.

Natürlich hat das auch etwas mit der Personalsituation zu tun. Vladimir Darida fahndet nach seiner Verletzung noch nach seiner Form, Alexander Esswein hat in Leverkusen wieder einmal gezeigt, dass er nur hilft, wenn er von der Bank kommt. Vor allem aber fehlen Trainer Dardai in Salomon Kalou und Mitchell Weiser die beiden Flügelspieler, die einen Schuss Unberechenbarkeit in das sonst so klare Design des Teams bringen. Speziell Weiser hat den Gegner immer wieder vor unlösbare Probleme gestellt. Vor seiner Verletzung hat Hertha im Schnitt 1,7 Tore erzielt und zwei Punkte geholt, danach waren es nur noch 1,1 Tore und 1,4 Punkte pro Spiel. Mit Weiser haben die Berliner jedes fünfte Spiel verloren, ohne ihn fast jedes zweite.

Weiser ist ein Typ, der jede Niederlage als persönliche Beleidigung auffasst. Auch diese Haltung fehlt Hertha im Moment. „Wir sind zu nett“, klagte Dardai. „Das ist wie in der Schule, das nette Kind kriegt was drauf, das böse geht einfach nach Hause. Wir werden daran arbeiten, nicht mehr die nette Hertha zu sein.“

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